romantisch verwilderter FriedhofRomantisch verwilderter Friedhof.
Romantisch verwilderter Friedhof.

Menschliche Gestalt, der irdische Leib muss einmal vergehen: Von der Erde ist er genommen, zu Erde muss er wieder werden. Deshalb hat der Pfarrer so gesprochen: "Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub", und hat dann, wie alle nach ihm, drei Handvoll Erde in die Grube geworfen.

Gedanken zur Ruhestätte

Rückverwandlung

Das Grab ist zunächst der Ort dieser natürlichen Rückverwandlung alles irdischen Lebens. Die Größe und Mächtigkeit dieses Vorgangs brauchen wir nicht besonders zu betonen, sondern sie sprechen für sich und werden am besten so einfach, natürlich und schlicht gekennzeichnet, wie nur möglich ist. Der Verfallsprozess ist verborgen in der Erde. So verborgen vor unseren Augen ruht nun auch der Tote.

Die Erde ist im Grunde ein großes Grab, in dem alles jemals auf ihr Lebendige zu neuem Leben verwandelt wird. Das Grün des Rasens, der Bäume, Sträucher und Stauden und die Farben der Blüten bedecken die Todesstätte tröstlich und lind. Ein Grab sollte viel Grün um sich und über sich haben. Das ist die erste Regel, die es zu beachten gilt.

Sauberkeit?

Bei vielen Friedhöfen müssen wir nun leider gerade genau das Gegenteil davon feststellen. An Stelle lebendiger Pflanzen, an Stelle grüner Bedeckung sind tote Beton-, Kies- und Steinflächen getreten, die dem Grabplatz, ja bisweilen dem ganzen Friedhof etwas unsagbar Kaltes, nun wirklich Totes und Erschreckendes geben, das uns in gar keiner Weise tröstlich entgegenkommt. Da sind schon die Einfassungen der Gräber, die sogenannten Zargen, die in den meisten Fällen ganz unnötig das natürliche Wachstum, das Sichentfalten von Blumen und Pflanzen hindern. Gewiss, es sieht dann ordentlich und sauber, wie geleckt an einem solchen Platz aus, und vielleicht sollte man gerade darin erkennen, wie sehr man diesen Platz pflegt und gern hat.

Leben

Wie viel schöner wäre es aber, wenn sich lebendiges Wachstum, ordentlich gepflegt, auf dem Grabplatz entfalten könnte. Statt dessen wird sorgfältig und sauber mit einer geradezu technischen Perfektion der Natur Zurückhaltung und Einhalt geboten. Obwohl gerade im Grabe der Natur das zurückgegeben wird, was ihr gehört. Ja, es gibt Friedhöfe, die aus solcher Säuberungssucht sogar ihren alten Baumbestand geopfert haben. Es könnten ja die herbstlichen Blätter auf die Gräber fallen und jenes unvergessliche Bild hervorrufen, das ein Friedhof mit fallendem Laub im Herbst bisweilen geben kann.

Alle diese Dinge nämlich nehmen dem Gottesacker das Bild der gleichsam naturhaften Vergänglichkeit. Sie setzen dafür sehr unschöne, aber dauerhafte Monumente. Diese zeugen im Grunde nicht von einer demütigen Beugung unter den ewigen Willen Gottes sondern von dem Willen des Menschen, sich zu behaupten. Da werden Kieselmuster und Blumenarrangements in geometrischen Formen auf das Grab gesetzt, und an Stelle einer ruhigen Grünfläche werden mit Sand und Kieselsplitt alle Pflanzen ausgerottet. Viel Liebe und Fleiß werden an diese Dinge gewandt, aber wir sollten uns doch auch einmal klarmachen, was mit mancher gutgemeinten Grabpflege und manchem sauberen Schmuck da eigentlich angerichtet wird. Und auch wenn wir nicht den toten Stein, sondern die lebendige Blume als Grabschmuck verwenden, was schon um vieles besser ist, so sollten wir doch kein Spiel daraus machen, wenn wir die Blumen in geometrische Formen oder feste Einfassungen zwingen. Alles Lebendige, auch die Blume, will sich frei entfalten.

Auferstehung

Wer mit dem Gedanken an Tod und Sterben und dem christlichen Glauben vertraut ist, wird wissen, dass wir die Toten betten in dem Gedanken an die Auferstehung, die uns in Christus gegeben wird, aber dass von diesem Tode zunächst nichts ausgenommen ist. Er wird aber zugleich dessen gewiss sein, dass hinter dem Tode nicht das Nichts sondern Gott wartet, und dass er da keinen anderen Halt und Trost hat als Jesus Christus, der für uns den Tod erlitt und für uns das Leben, das neue Leben heraufgeführt hat.

Das Grab ist die Saatkammer Gottes, in der auf die Auferstehung gewartet wird. Die Grabreihe im Quartier ist wie die Furche, in die die einzelnen Samenkörner eingelegt sind, und der Friedhof im wörtlichen Sinn der Acker Gottes. Das müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir rechte Grabgestaltung üben wollen.


Die Gedanken zum allgemeinen Bild vieler deutscher Friedhöfe schrieb Christian Rietschel "Unsere Ruhestätte" Berlin 1964 in einem kleinen Büchlein zur Beratung von Trauernden.