Das Sammeln von Brennnesselsamen ist gerade voll im Trend. Es ist in den letzten Jahren geradezu zu einem kleinen Hype geworden – und das völlig zurecht. Immer mehr Menschen entdecken, dass es nicht viel braucht, um wertvolle Vitalstoffe direkt aus der Natur zu gewinnen. Und es zeigt sich mal wieder – Selbstversorgung kann bis zu einem gewissen Grad auch ohne eigenen Garten funktionieren.
Und mehr noch – Brennnesselsamen sind vielleicht der einfachste Einstieg in die Welt der Wildpflanzen, die uns helfen können, unsere oft „wertarme“ Industrienahrung gezielt aufzuwerten. Das anzuregen, soll dieser Beitrag dienen.
Umdenken
🌱 Obwohl Nudeln, geschälter Reis und Weißbrot für viele zum täglichen Speiseplan gehören, liefern sie doch nur wenige der für unseren Körper so wichtigen Mineralstoffe und Vitamine.
Mancher kauft sich dann Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke oder sogenanntes Superfood wie beispielsweise Quinoa, das in Südamerika wächst. Dabei wächst ein ebenbürtiges Superfood genau vor unserer Haustür, die Brennnessel. Leider von vielen nur als Unkraut gescholten ist sie doch reich an Proteinen, Mineralstoffen und ungesättigten Fettsäuren.
Und sie steht uns kostenlos zur Verfügung. Schon im Frühjahr können uns die frischen Blätter gekocht als Spinat oder kleingeschnitten im Salat einen Vitalstoffkick verpassen. Auch ein Tee aus frischen oder getrockneten Blättern, idealerweise als Teekur im Frühjahr, kann helfen, Giftstoffe auszuscheiden.
Im Spätsommer sind es dann die Samen, die eingesammelt und getrocknet, den Speiseplan im Winter bereichern und die Nahrung aufwerten können. Sie lassen sich mit minimalem Aufwand sammeln, trocknen und lagern. Ein bis zwei Teelöffel voll Samen über den Salat, ins Müsli oder über das Kartoffelpüree gestreut, reicht, um unsere Mahlzeiten mit einer Extraportion Vitalstoffe aufzuwerten.
Wildpflanzen als Ergänzung
Brennnesselsamen sind nur ein Beispiel. Wer einmal angefangen hat, Wildpflanzen zu nutzen, entdeckt schnell weitere Möglichkeiten: Junge Birkenblätter, Giersch, Vogelmiere und Löwenzahnblätter können ebenso dazu beitragen, aus einfacher Industrienahrung eine gesündere Mahlzeit zu machen. Und mit Industrienahrung meine ich nicht nur Fertiggerichte und Pizza aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt.
Auch das meiste Obst und Gemüse wird mittlerweile industriell hergestellt und enthält längst nicht mehr so viele Vitamine und Mineralstoffe wie ursprünglich. Wer aber sein Obst und Gemüse nicht selbst anbauen kann oder will, sollte die Gaben der Natur nutzen, die sie uns völlig kostenlos zur Verfügung stellt.
Erntereifer Samen
Natürlich gilt es, mit Augenmaß zu sammeln. Ganz wichtig ist es, nur an unbelasteten Standorten zu ernten. Ein Standort in Waldnähe ist dem einer vielbefahrenen Straße oder gar Autobahn vorzuziehen. Außerdem sollten wir nur soviel entnehmen, wie wir wirklich benötigen beziehungsweise, dass auch noch etwas für die Natur (Wildtiere, Vögel) übrig bleibt. Richtig angewandt, kann das Sammeln von Wildpflanzen durchaus eine zeitgemäße Form der Selbstversorgung sein – eine Art „urbane Subsistenz“, die unabhängig von Garten, Geld und großen Flächen funktioniert.
👉 So sollte aus dem augenblicklichen Hype, Brennnesselsamen zu sammeln, eine positiv Gewohnheit werden. Und er kann durchaus als Türöffner für eine größere Idee verstanden werden: Wildpflanzen sind eine einfache Möglichkeit, Industrienahrung mit Nährstoffen aufzuwerten – auch ganz ohne Garten.
Wir werten auf!
Brennnesselsamen sind eine nährstoffreiche Zutat, die reich an den Vitaminen A, C und E, den Mineralstoffen Eisen, Kalium, Magnesium und Kalzium sowie Omega-3-Fettsäuren (ungesättigte Fettsäuren), pflanzlichem Eiweiß, Proteinen und Antioxidantien ist. Sie können „wertarme“ Lebensmittel aufwerten und bereichern.
Meine Liste von Lebensmitteln und Gerichten, die durch Zugabe von Brennnesselsamen (roh, geröstet oder gemahlen) an Nährwert gewinnen, kann durch eigene Ideen und Erfahrungen gern ergänzt werden:
Müsli und Haferflocken: Die Brennnesselsamen werden über das Fertigmüsli oder die Haferflocken aus dem Supermarkt gestreut. Wer die Möglichkeit hat, Wildobst, wie zum Beispiel wilde Mirabellen, verwilderte Äpfel (Zieräpfel), Birnen und Pflaumen zu ernten, kann diese auch frisch oder getrocknet (Mirabellen, Äpfel) zu dem Gericht geben.
Smoothies: Fertigsmoothies aus dem Supermarkt oder selbstgemachte Obst- oder Gemüsesmoothies bekommen mit gemahlenen Samen der Brennnessel zusätzlich einen nussigen Geschmack. Mehr zu Smoothies.
Brot und Backwaren: Wer Brot und Brötchen selber bäckt, kann eine entsprechende Menge Brennnesselsamen in den Teig einarbeiten. Ansonsten können auch herzhafte Brotaufstriche (Kräuterquark, Kräuterbutter, Gemüsepaste) damit angereichert werden.
Salate: Das Dressing für Blattsalat (grüner Salat, Eisbergsalat) wird mit gerösteten Samen verfeinert. Sie können aber auch einfach über die Portion Salat gestreut werden.
Suppen und Eintöpfe: Selbst Fertigsuppen und -brühen können eine Aufwertung erhalten, indem wir die Samen vor dem Verzehr einfach darüberstreuen. Zusätzlich kann Giersch dazugegeben werden. Er schmeckt ähnlich wie Petersilie und kann genauso wie diese ein Gericht verfeinern und zugleich mit Vitaminen und Mineralstoffen bereichern.
Joghurt oder Quark: Die Brennesselsamen werden über naturbelassenen Joghurt oder zubereitetem Quark gestreut und untergerührt.
Reis- oder Nudelgerichte: Für Gerichte aus weißem Reis oder Pasta (aus hellem Mehl) können die entsprechende Soße oder das Pesto mit den Samen angereichert weden. Apropos Pesto, das muss nicht immer nur aus Tomaten oder Basilikum bestehen. Giersch, Bärlauch und Löwenzahn können ebensogut dazu verarbeitet werden.
Kartoffelgerichte: Sowohl gekochte Kartoffeln als auch Kartoffelpüree können wir mit darübergestreuten oder eingerührten Brennnesselsamen aufwerten.
Hinweis: Brennnesselsamen sollten sparsam (1–2 TL pro Portion) verwendet werden, um eine Überdosierung zu vermeiden. Durch ihre Vielseitigkeit lassen sie sich leicht in alltägliche Gerichte integrieren.
Und: Wann und wie wird gesammelt?
📅 Zeitpunkt: August bis Oktober, wenn die Samen reif (gelblich-braun) sind.
Ort: Unbelastete Standorte, fern von Straßen, Feldrändern (Pestizide) wählen.
Methode: Mit Handschuhen (wegen Brennhaaren) Rispen vorsichtig abschneiden oder Samen abstreifen. In einen Beutel oder Korb sammeln.
Zwei bis drei Tage dauert das Trocknen in der Sonne.
Trocknen von Brennnesselsamen
🌱 Vorbereitung: Samen von Stängeln trennen, grobe Verunreinigungen entfernen.
Trocknung: Auf einem Tuch oder einem Tablett ausbreiten und an einen sonnigen, luftigen Ort (auch das Fensterbrett ist geeignet) stellen oder bei niedriger Temperatur (max. 40 °C) im Dörrautomaten trocknen.
Lagerung: Die Samen durch ein Sieb geben, um Pflanzenreste auszusortieren, und anschließend in luftdichten Gläsern kühl und dunkel aufbewahren.
Blühende männliche Pflanze mit "tauben Blüten".
—
Haftungsausschluss: Das Sammeln und Verzehren von Brennnesselsamen erfolgt auf eigene Verantwortung. Achte auf unbelastete Standorte und vermeide Überdosierung. Bei gesundheitlichen Fragen oder Unsicherheit konsultiere einen Arzt oder Experten.
—
🔸 [GJ.5.15] Text und Bilder: G. Jacob, 11.9.2025