Suchen Garteninteressierte Ausflugsziele in Sachsen, so hat die nahe Umgebung um Dresden einiges zu bieten. Wer zudem nach bequemen Wanderruten sucht, der wird in Seifersdorf unweit der sächsischen Landeshauptstadt fündig. Genauer gesagt, ist es das Seifersdorfer Tal, das zwischen Radeberg und Ottendorf-Okrilla (bei Dresden) liegt. Das Tal befindet sich unweit eines Schlosses, welches samt Park ebenfalls zugänglich ist und mitten im Dorf liegt.
Das Seifersdorfer Tal ist einer der ältesten Landschaftsgärten in Deutschland überhaupt. Erdacht hat diesen eine Frau und zwar die sächsische Rittergutsfrau Johanne Margarethe Christina Gräfin von Brühl (auch nur Tina genannt, 1756 – 1816). Das war zu dieser Zeit tatsächlich ein Novum. Man liest mitunter, dass die Gräfin von Brühl einer der ersten deutschen Landschaftsarchitektinnen war, doch das ist nicht ganz korrekt, denn diesen Berufsstand gab es damals noch gar nicht. Doch großes Geschick hatte sie durchaus, jene künstlerisch veredelte Landschaft zu formen, die in halbstündiger Reichweite vom Schloss lag. Im Wesentlichen war es damals schon damit getan, dass man die Natur mit Wegen erschloss und für den kultivierten Menschen der Oberschicht bequem begehbar machte.
In diesen durch Wege erschlossenen Landschaftsparks und -gärten schuf man dann neben einzelnen Bankplätzen mit malerischen Aussichten einzelne Anlaufpunkte, die mit Plastiken, Hütten oder künstlichen Grotten ausgestattet wurden. Kunst und malerisch-romantische Umgebung sollten hier vor allem verschiedene Stimmungen erzeugen, meist melancholischer Spielart. Sieh dazu beispielsweise auch die Inschrift, welche sich am Herder-Denkmal (alter Stich unten) befindet:
Des Menschen Leben beschränkt ein enger
(aus dem Herder-Gedicht "An die Gräfin Brühl")
Raum
Ein engerer beschränkt seinen Sinn,
Sein Herz der engste. Um sich her zu
sehen,
Zu ordnen, was man kann, unschuldig zu
Genießen, was uns die Vorsicht gönnt,
Und dankbar froh hinweg zu gehen:
Das ist des Menschen Lebensgeschichte,
Nicht Idee, es ist Gefühl.
Diese Landschaftsparkanlagen, wie es auch der Seifersdorfer Park eine ist, waren in der Benutzung eng mit der Literatur und Dichtkunst verbunden. Ein Grund dafür mag sein, dass damals handlichere Buchformate (dank Brillen auch mit kleinerer Schrift) aufkamen, die zu den beschaulichen Spaziergängen mitgenommen werden konnten. Man genoss die Literatur gern in entsprechend romantischer Umgebung oder spazierte hier mit Freunden das Hauses. Zudem war es wohl so den Frauen auch möglich, mit ihren Kavalieren die Zeit zu verbringen, da solch ein Spaziergang in den gebildeten Kreisen nicht als unschicklich galt.
Diese Funktionen jener Landschaftsparks aus der Epoche der aufblühenden Aufklärung und Romantik muss man kennen und unbedingt bedenken, weil man sonst den Wert dieser gestalteten Anlagen nicht schätzen kann. Es ist eine Tatsache, dass derartige Naturparkanlagen doch eher langweilig wirken, es sei denn, man hat einen besonderen Blick für die heimischen Naturschönheiten. Und diese findet man schließlich überall. Mehr zu dieser Thematik findest du hier: Landschaftsgärten/Geschichte.
Noch einmal zur Gräfin von Brühl: Tina legte keine Parklandschaft an, sondern sie veredelte die vorliegende parkartige Naturlandschaft im Tal behutsam, indem sie an besonders reizvollen Punkten Aussichts- und Ruheplätze schuf, welche die einzelnen Naturbilder betonen. Still eingefügte Denkmale und Plastiken (z.B. Amorstatue) zeigen die Anwesenheit des Menschen in den szenenhaften Bildlandschaften; doch es zeigt das menschliche Schaffen als Teil der Natur. Die Seele des Landschaftsparks ist die Röder, ein flacher und breiter oft ruhig dahinfliegender Flusslauf. Ohne dessen breites Flussbett wäre der Park sicher nicht das, was er ist. Man sagt, dass Gräfin Tina mit diesem Ort ein Vorbild schuf, was in der Folge kaum wieder erreicht wurde.
Das heutige Ausflugsziel Seifersdorfer Tal
Für den Tourismus ist das Seifersdorfer Tal bestens erschlossen. Direkt am Eingang des idyllisch gelegenen Ortes Seifersdorf befindet sich ein großzügig angelegter Parkplatz, und von diesem führt eine neu angelegte Allee direkt in das Parkgelände hinein. Man gehe aber aufmerksam in das Gelände, denn wer zu hastig in das Tal hinunter steigt, der übersieht vielleicht schon das Ludwig-Richter-Denkmal und an einem Felsvorsprung die Hermanns-Eiche mit Denkstein. Eine Bank mit Blick in den Sonnenuntergang ist in der Nähe aufgestellt, welche wir uns für den Rückweg vormerken sollten. Dann geht es steil in das Tal hinab, direkt auf eine Gastwirtschaft, die Marienmühle, zu. Nördlich und südlich dieser Mühle verlaufen nun sehr bequeme Wanderwege mit den verschiedensten kleinen Denkwürdigkeiten.
Wenn wir diesen alten Landschaftspark in seiner Sinngebung erfassen wollen, so ist es sicher empfehlenswert, die Hintergrundinformationen zu den einzelnen Denkplätzen anzulesen. Dieses sollte ein oder zwei Tage vorher geschehen. Das Tal hat so viele tiefgründige Bildszenen, dass sich auch für Vereine der Besuch lohnt, welche sich der einen oder anderen Thematik verschrieben haben. Seien es nun Kunst- oder Literaturvereine, Freundeskreise bezüglich bestimmter Persönlichkeiten wie Ludwig Richter, Leopold von Braunschweig, Anna Amalia, Arminius (Befreier Germaniens), Heinrich von Brühl (Kursächsischer Premierminister) oder Johann Gottfried von Herder.
Das Seifersdorfer Tal mit seinen Wanderwegen ist auch für Besucher mit Gehbehinderung zugänglich. In diesem Falle wird die Straße von Seifersdorf nach Schönborn (Schönborner Weg) für die Anfahrt mit PKW genutzt. Die Zufahrt führt direkt an der Gastwirtschaft vorbei. Wer sich in der Urlaubszeit in Sachsen aufhält und sich für solche Parkanlagen der Romantik und der sogenannten Zeitepoche der Empfindsamkeit interessiert, der sollte es nicht versäumen, auch den (vom Seifersdorfer Tal eine Autostunde weit entfernten) Schlosspark zu Machern anzusehen.
- Standort: Germany, Sachsen 01454 Wachau, OT Seifersdorf, Schönborner Weg (Angaben ohne Gewähr)
- Alte Stiche und Literatur: Wilhelm Gottlieb Becker – Das Seifersdorfer Thal, Dresden 1792