Amor und MinervaStich aus der späten Renaissance mit gleichem Thema.
Stich aus der späten Renaissance mit gleichem Thema.

Es folgt ein Gedicht, welches sich um den römischen Liebesgott rankt. Der kindliche Knabe, der mit seinen Pfeilen das unstillbare Liebesbegehren weckt, wird von Minerva, der Göttin der angewandten Wissenschaft, arg zurechtgewiesen, weil er wohl nie erwachsen werden will. Der freche Knabe bittet sie (in der griechischen Version auch Pallas Athene genannt) von ihrer Weisheit abzugeben, doch sie verneint – denn die Fähigkeit des tiefgehenden Verständnisses von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft muss man sich selber aneignen.

Amor und Minerva

Amor begegnet Minerven. "Verwildeter! Träger!" so ruft sie,
"Sammle dir Weisheit ein, sey nur nicht immer ein Kind."
Amor bot ihr den Köcher. O, Pallas, füll' ihn mit Weisheit,
Spricht er lächelnd, nur du giebst sie vom echten Gehalt.
Schau! die Pfeile zerbrech' ich – den Bogen weih' ich Apollon,
Und Ich rühme mich dann künftig, der Weise zu seyn.
Zögernd nimmt Pallas den Köcher. "Wie?" - spricht sie leiser im Innern –
"Amor der Weise? – Nein, geh," rief sie, "und finde sie selbst."

Engel Christine Westphalen geb. von Axen (1758 – 1840), auch Engeline genannt, deutsche Schriftstellerin

Gedichte: Kleinere Gedichte, Denkmäler, Elegien u. Idyllen, Band 3; Hamburg, 1811