J. W. von Goethe: Freudvoll und leidvoll ... Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt

Egmont und Clärchen, Zeichnung von Angelika Kauffmann

Ein sehr kurzes Gedicht vom Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, dessen "Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt" sprichwörtlich wurde. Die Verse (Klärchens Lied) stammen aber aus einem Theaterstück mit dem Titel "Egmont" (3. Aufzug, 2. Szene). Dabei handelt es sich um ein Trauerspiel, welches Goethe 1775 zu schreiben begann und erst zwölf Jahre später beendete.
Im vorliegenden Beitrag findet sich eine Interpretation dieser doch recht düsteren Verse, die zumindest dann schwierig zu fassen ist, wenn die Deutung positive Aspekte beinhalten soll.

Klärchens Lied (Freudvoll und leidvoll)

Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Hangen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt –
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.

Johann Wolfgang von Goethe

Hintergrund und Interpretation

Die Interpretation der Verse sollte im Zusammenhang mit dem Theaterstück vorgenommen werden. Hintergrund des Dramas ist der Beginn des Achtzigjährigen Krieges (Spanisch-Niederländischer Krieg), in dem das Volk der Niederlande ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone erkämpfte, um eine Republik zu gründen. Zugleich ist es auch ein Krieg der Konfessionen, indem sich niederländische Protestanten gegen die Bevormundung durch die katholische Kirche in Spanien wehren. Der niederländische Graf Egmont, sowohl seinen protestantischen Landsleuten verbunden, aber auch der spanischen Krone gegenüber loyal, weil er in ihrem Dienst stand, wird wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Seine Geliebte, das Klärchen, versucht den inhaftierten Grafen zu befreien. Doch nachdem die Befreiung misslingt und sie keine Hoffnung mehr auf ein gemeinsames Leben mit ihm hat, verübt sie Selbstmord, um mit ihrem Geliebten wenigstens im Tode vereint zu sein.

Natürlich kann man die Verse auch als ein Liebesgedicht betrachten und damit beschreibt es die Höhen und Tiefen, welche die kurzzeitigen Weggefährten durchleben. Die Liebe ist das Leben der Seele selbst, und Not und Freude, Hangen und Bangen beschreibt die Intensität des Lebens. Auch wenn die Lebensspanne kurz ist, so kann sie mit ihrer Tiefe dem Dasein eine besondere Dimension geben.

Schachspiel Kunst FotoDas Schachspiel mit seinem Schachbrettmuster ist wohl ein treffliches Symbol zu Goethes Drama

Die Verse zeigen aber auch, dass politische Umstände die Lebenspläne der Menschen jederzeit zerstören können. Man glaubt, man versteht solche Ereignisse und versucht, sich dem weitestgehend zu entziehen, rechnet aber häufig nicht mit Intrigen auch im engeren Umfeld. Solch unerkannte Ränke sind wohl immer bittere Realität und Teil der menschlichen Existenz, denn zuweilen ist das ganz normale menschliche Leben von Kampf und Täuschungen gezeichnet und das Drama unausweichlich.

Eine Gedichtinterpretation wird natürlich auch immer den Versuch machen, die Gedanken eines Dichters in das Heute und Jetzt zu übertragen. Des Weiteren sind wir geneigt, solch bitteren Lebensumstände zu relativieren. Obwohl es den Inhalt der Verse etwas verwässert, mache ich hier den Versuch, dem Drama doch einen positiven Aspekt abzugewinnen.

Eine Redensart der Leute ist ja, dass auf dunkle Tage immer auch helle folgen werden. Das stimmt natürlich auch, obwohl das in diesem Falle kein Trost ist. Doch wenn wir Beispiele hören, wo Menschen von zutiefst leidvollen Erlebnissen berichten, in denen sie der Todessehnsucht vielleicht auch schon recht nahe waren, dann aber wieder positive Erfahrungen machen konnten und das Glück (oder auch Gesundheit, hilfsbereite Menschen, Lebensmut) zu ihnen zurückkehrte, bewahrheitet sich die Aussage, dass einem dunklen Kapitel, wenn es abgeschlossen ist, ein helles folgen kann.

Eine schöne Erfahrung wird die schlechte sicher nicht aufheben, doch letztendlich lebt der Mensch immer im Hier und Jetzt. Wenn wir das Schachbrett des Lebens betreten und schreiten nun von schwarz zu weiß, dann sollten wir lernen, Zeitqualitäten scharf zu trennen. Wichtig ist es, den Augenblick zu genießen, wenn er schön ist und Trauer und Schmerz zuzulassen, wenn der Moment schwarz ist. Beides dürfen wir nicht miteinander vermischen. Das lehrt uns das Bild des Schachbrettmusters** und vielleicht auch Klärchens Lied aus der Feder des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Der Dichter geht dann aber doch noch einen Schritt weiter: Einzig die Liebe kann die Grenze zwischen schwarz und weiß verwischen.
[GJ.3.1] I  G. Jacob, 27.12.2016


Bildquelle Schachspiel: © PIRO4D - Pixabay.com
**Das Schachbrettmuster gehört auch zur Freimaurer-Symbolik (Goethe war bekanntlich Freimaurer) und ist dort als Musivisches Pflaster (Mosaikpflaster) bekannt:
siehe: https://www.freimaurer-wiki.de/index.php/Musivisches_Pflaster
Auf der genannten Seite findet sich die wunderschöne Erklärung dieses Symbols in folgender Interpretation: "Der Fußboden, der die Grundlage bildet [gemeint ist das schwarz-weiße Mosaikpflaster], ist ein Bild der sichtbaren Welt, in die der Mensch als Teil hingestellt ist [...] Dadurch aber, daß dieses Mosaik eine vollkommene Regelmäßigkeit in ihrer Abwechslung von hellen und dunkeln Dreiecken zeigt, soll der Lehrling sich gewöhnen, das irdische Dasein nicht als ein Spiel des blind waltenden Zufalls, sondern als etwas von ewigen Gesetzen in die Bahnen der Entwicklung zum Vollkommenen hin Geleitetes zu betrachten" (Quelle: HIEBER, Otto; Leitfaden durch die Ordenslehre...; 1922).