Ein Fachbeitrag von Thomas Jacob, 17.6.2020
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Die Hühnerhaltung zur Selbstversorgung wird immer populärer. Jedenfalls bekomme ich diesen Trend immer wieder einmal mit, wenn ich mich im Landhandel mit den Mitarbeitern unterhalte. Das betrifft allerdings nur die Haltung von Legehennen, also die eigene Produktion von Eiern. In der industriellen Tierhaltung macht aber auch die Aufzucht von Masthähnchen ein beachtlicher Teil des Tagesgeschäftes aus, worauf sich natürlich die Frage stellt, ob das nicht auch daheim umzusetzen wäre. Immerhin können wir die Fleischhähnchen halbwegs unter artgerechten Umständen aufwachsen lassen und hätten am Ende hochwertiges Fleisch von fröhlichen Tieren. Merkwürdigerweise denken die meisten Eigenversorger kaum in diese Richtung.
Lohnen die Kosten?
Es gibt sehr verschiedene Gründe, warum sich die Hühnermast im privaten Bereich nicht durchgesetzt hat. Zuerst scheint es sich nicht finanziell zu lohnen, da die Preise für Fleischhähnchen (Hähnchenbrust, -schenkel usw.) im Supermarkt extrem billig sind. Ist das aber wirklich so der Fall?
Vergleiche, zum Beispiel mit Schlacht-Kaninchen
Wenn wir bedenken, dass ein gewöhnliches Brathähnchen aus dem Supermarkt oder das vom Grillhändelstand zuvor nur etwa 30 Tage lang lebte, dann wird uns so manches klar. Kaum sind die Tiere geschlüpft und aufgefüttert, werden sie schon wieder verwertet. Zeit ist Geld und viel Zeit investiert man jedenfalls in der Nahrungsmittelindustrie nicht. Selbst wenn wir bei unserer Aufzucht daheim, dem armen Federvieh etwas mehr Zeit und Zuwendung geben, so ist trotzdem der zeitliche Arbeitsaufwand etwa im Vergleich zum Auffüttern eines Schlachte-Kaninchens um vieles geringer, als wir das meinen mögen. Bedenken wir noch, dass wir im Landhandel Jungtieren kaufen können, die um die drei Wochen alt sind (also 21 Tage), dann bleiben tatsächlich nur zehn bis zwanzig weitere Tage Arbeit für uns übrig!
Weitere Kalkulationen
Die oben beschriebene Art, junge Fleischhähnchen in wenigen Tagen aufzuziehen, ist natürlich nur durch den Einsatz hochgezüchteter Masthybriden möglich. Wir müssen sie nicht zwingend verwenden. Wie wir alternativ herkömmliche, aber gesunde und robuste Hühnerrassen aufziehen können, werde ich noch gesondert beschreiben. Hier beziehe ich mich nun aber auf die Möglichkeit Masthybriden selbst zu mästen und diesbezüglich die Fragen der Rentabilität zu klären. Tatsächlich wird unsere Aufzucht etwas länger dauern, wenn wir die Hähnchen gesünder füttern. Das heißt konkret, wenn sie bei mir nachts im Stall sind, bekommen sie dort nichts zu fressen. Diese nächtlichen Fastenstunden lassen die Tiere vitaler aufwachsen – allerdings auch langsamer, als in der Massentierhaltung. Am Ende sind die Tiere bei uns nach 40 bis 50 Tagen (Lebenszeit insgesamt) und mit einem Gewicht um 1,2 Kilogramm schlachtreif.
Vom Kauf der Jungtiere an haben wir mit der Fütterung also etwa drei Wochen lang Arbeit. Für diesen Aufwand lohnt die Haltung durchaus. Bedenken wir noch, dass die jungen Masthybriden von uns zu sehr niedrigen Preisen gekauft werden können – umgerechnet ist es höchstens das Geld für zwei Schachteln Eier. Für ein halbes Dutzend Masttiere braucht es zudem noch einen Sack Futter (der Anfänger nimmt Pellets). Wenn wir das Schlachten dann noch selber übernehmen können, bleiben die Kosten überschaubar. Und damit haben für ein faires Entgelt bestes Biofleisch auf dem Teller.
Bild oben: Die Masthybriden auf diesem Foto sind etwa 22 oder 23 Tage alt. Sie sehen deshalb so gerupft aus, weil sie als Küken gerade einen Federwechsel durchmachen. Sie kommen aus einer herkömmlichen Zuchtfarm. Die blassen Kämme sind ein Zeichen dafür, dass sie nicht hundert Prozent vital sind. Bei guter Haltung ändert sich das bald. Mein Hähnen im Bild zu Beginn dieses Beitrags hat hingegen einen leuchtend-feuerroten Kamm. So sieht gesundes Geflügel aus, trotzdem es ein Fleischhybride ist.
Ein Gegenargument
Kommen wir nun noch zu einem Gegenargument gegen die eigene Fleischhühnerzucht, welches ebenfalls schnell widerlegt ist:
"Das Fleisch der selbst gemästeten Hähnchen ist zäh ..."
... so ist es oft zu hören. Hat sich solch ein Gerücht einmal verfestigt, ist dem kaum noch abzuhelfen. Unglücklicher weise ist es so, dass das Argument durchaus berechtigt ist. Allerdings ist die Ursache dafür die falsche Zubereitung. In der Praxis werden nämlich daheim unsere Masttiere noch längere Zeit aufgefüttert, als die aus dem Supermarkt. Man macht das gerne, weil die Tiere auch nach der kurzen dreiwöchigen Mast, von Tag zu Tag noch rasch zunehmen. Das können wir ohne Probleme zwei Monate lang so machen. Allerdings werden in diesem Falle weibliche Tiere (Poularden) eher geschlachtet, als die männlichen (sie sind zuerst Junge Hähne und dann sogenannte Jungfernhähne), und man sollte mit zunehmenden Alter beide Geschlechter voneinander trennen. Das Schlachtgeflügel kann dann nach dieser Zeit gut fünf, sechs oder gar sieben Kilogramm schwer sein.
Nun ist aber zu bemerken, dass diese Masttiere ein anderes Fleisch haben, als das Brathähnchen am Grillstand oder das Zitronen-Hühnersteak beim Gastronomen. Wenn wir uns – wie Eingangs beschrieben – das Alter dieser Tiere vor Augen führen, so haben wir auf unserer üblichen Speisekarte genau genommen keine "Hähnchen" vor uns, sondern große Küken. Früher war man diesbezüglich begrifflich auch korrekter und nannte diese Schlachtungen "Stubenküken". Heute wäre man sicher pikiert, wenn jemand auf dem Marktplatz ein Küken-Grillstand platzieren würde.
(es folgt ein Rezept, wie wir zartes Hähnchenfleisch nach dem Braten erhalten)
Das Fleisch älterer Brathähnchen ist tatsächlich zäher, als das der jung geschlachteten, doch vergleichsweise würde sich niemand ein Stück Rindfleisch für Gulasch kaufen und sich dann darüber beschweren, dass daraus kein Kalbsschnitzel zu machen ist. Für Poularden und Jungfernhähne (Kapaunen) braucht es also andere Rezepte und andere Verwendungen.
Aus Ungarn kennen wir schmackhafte Rezepte mit Hühnergulasch. Das legendäre Bressehuhn (französisches Mastgeflügel) wird ähnlich, wie ein Gänsebraten drei oder dreieinhalb Stunden im Ofenrohr gebraten und mitunter vorher noch gekocht; ohnehin ist das die Zubereitungsmethode, die man bei uns vor hundert Jahren noch kannte. Üblich war es das Huhn vor dem Braten eine habe Stunde lang in leicht gesalzenem Wasser und Wurzelgemüse* zu kochen. Soll das Fleisch noch zarter werden, wird das Fleisch erst in das siedende Wasser gegeben. Anschließend wird es aus der Brühe genommen, kräftig nachgewürzt und so wie wir mögen, gebraten. Wenn möglich lassen wir die Haut am Tier oder wir braten die Haut separat in einer Pfanne kross.
Fazit:
Wenn wir die Möglichkeit haben, ein kleines Gehege für die Masthähnchenzucht zu errichten, dann sollten wir durchaus einmal den Versuch wagen diese alte** Haltungsmethode wieder aufleben zu lassen. Das muss auch nicht unbedingt mit speziellen Fleischrassen erfolgen.
Früher war es beispielsweise üblich, für den Bedarf an Legehennen, drei- oder vierfach so viele Küken auszuziehen, wie nötig. Für's Eierlegen wurden dann nur die besten Hennen genommen und für die Zucht wiederum auch nur die besten von diesen behalten und weiter vermehrt. Der Rest der Tiere wanderte im Ausleseverfahren in den Suppentopf oder in die Pfanne und nicht selten hat man die Schlachtekandidaten zuvor noch einmal zehn bis vierzehn Tage in einem Extrastall fett gemästet. Das Tafelgeflügel war dann zwar von einer kleinere Rasse, doch man hatte so halt öfters kleiner Portionen.
Durch die ständige Auslese der besten Tiere (auch bedingt durch den ständigen Fleischbedarf), entstanden überhaupt erst die hochwertigen Legerassen, die wir heute kennen. Hätten unsere Vorfahren kein Interesse an Hühnerfleisch gehabt, gäbe es demzufolge heute auch keine Eier zu günstigen Preisen zu kaufen.
P.S. Zwiehuhnrassen
In dem oben geschilderten Zusammenhang sei noch an die sogenannten Zwiehuhnrassen erinnert. Das sind Hühnerrassen, die einerseits gute Eierleger sind und andererseits reichlich Fleisch liefern. Diese eigenen sich besonders für die oben genannte Methode der Legehennenhaltung:
- Amrock
- Australorp
- Sundheimer
- Welsumer
- Ramelsloher
- Wyandotte
- Sussex
- Deutsches Reichshuhn
Die oben gelisteten Zwiehuhnrassen sind so sortiert, dass sie mit der schwersten Rasse beginnt (Amrock) und einer der leichteren Formen (Deutsches Reichshuhn) endet.