Albert Einstein Haus in Caputh1.) Ein Fertighaus von Konrad Wachsmann.
1.) Ein Fertighaus von Konrad Wachsmann.

Das vermutlich berühmteste und außergewöhnlichste Holz- und Fertighaus steht bei Potsdam in Caputh. Es war das Sommerhaus Albert Einsteins. Und es war dessen kleines Paradies. Nachdem ich es mir angesehen habe, kann ich das nur bestätigen: Einstein lebte im ländlichen Caputh wirklich wie in einem kleinen Paradiesgarten. Der Besucher findet dort vor allem ein interessantes Wohnkonzept vor und zwar das eines kleinen, schlichten Holzhauses eng verwoben mit einem ländlichen Terrassengarten. Dieser Wohngarten wiederum befindet sich inmitten eines alten Obsthaines und geht fließend in diesen über und dieser wiederum in die ihn umgebende Landschaft.

Das Einsteinhaus in Caputh ist ein Fertighaus (Ende der 1920er Jahre konstruiert) mit angebauter Wohnveranda und Dachterrasse. Im Wohngarten befindet sich noch ein separates Gartenhaus, welches der Familie als Gästehaus diente.

Wohnkonzept: das erweiterbare Eigenheims

Hier ein thematischer Einschub und drei grundsätzliche Fragen:

  • Wie groß muss mein Haus wirklich sein?
  • Sollte man Wohnideen nur auf das Haus beschränken, sondern nicht auch den Garten mit einbeziehen?
  • Wäre es nicht sinnvoll (z.B. für junge Familien), zuerst nur klein zu bauen und gegebenenfalls später das Heim zu erweitern?

Unsere Vorstellungen vom eigenen Heim werden oft sehr stark von unserer Umwelt geprägt und von unseren Mitmenschen beeinflusst. Eigene Ideen und Träume werden da ganz schnell verdrängt und verhindert. Große Räume mit viel Glas und überdimensionalen Fenstern sollen Luxus suggerieren. Und es muss großzügig gebaut werden. Schließlich "baut man nur einmal im Leben", heißt es im Volksmund. Der wohl berühmteste Nobelpreisträger war offensichtlich anderer Meinung. Das Wohnen in überdimensionierten Räumen mochte er nicht, dafür aber einen großzügigen und zweckmäßig eingerichteten Wohngarten. Im Garten leben, wann immer es möglich ist, individuelle Zimmer für jedes Familienmitglied und die Räume mit diesen bodentiefen französischen Fenstern ausgestattet, die genügend Licht geben aber durch Klappläden auch ausreichend verschattet werden können. Das Haus besitzt nur eine kleine Küche und als Wohnzimmer eine Art Wohnveranda. Der Wissenschaftler war sich nicht zu fein, in solch einem schlichten Umfeld die geistige Elite seiner Zeit zu empfangen und zu bewirten. Das Einsteinhaus ist eine Antwort auf diese oben gestellten Fragen und ein wohl proportioniertes Konzept, welches Haus, Wohnterrassen, Veranda und Gartenhaus als eine Einheit sieht.

Das Einstein-Haus in Caputh

Das Haus ist kein Holzhaus im klassischen Sinne, also kein Blockhaus oder Blockbohlenhaus. Der Architekt Konrad Wachsmann lenkte die Einsteins dahin, ein damals recht neuartiges Fachwerk-Fertighaus mit innerer und äußerer Holzverkleidung zu wählen. Diese preiswerte Bauweise kam sicher auch Einsteins damaligen finanziellen Möglichkeiten entgegen, da er nach der Trennung von seiner ersten Frau nicht unbegrenzt finanzielle Mittel zur Verfügung hatte. Trotzdem war es wohl nicht mangelndes Geld, dass sich die Familie Einstein für ein sehr schlichtes Wohnkonzept entschied.

Holzhaus von Konrad Wachsmann.
Zweckmäßig angelegter Terrasse...
Verandaartiges Wohnzimmer.
Holztreppe vom Garten zur Dach...
Clever projektiert: riesige Da...
Streuobstwiese am Einsteinhaus...

Das Besondere am Einsteinhaus ist jedoch der Umstand, dass es keiner reinen architektonischen Stilrichtung zugeordnet werden kann, weil der Bau einen interessanten Stil-Mix darstellt. Korrekt müsste man von einem "Elsa-Albert-Konrad-Stil" sprechen, der folgendermaßen zustande kam:

Der junge Konrad Wachsmann, viel gereist und bereits sehr erfahren, aber ein angehender Architekt ohne Namen, wollte neue, revolutionäre Architektur erschaffen und sicher auch berühmt werden. Wachsmann nutzte beherzt die Chance, jenen populären Auftrag für das Einsteinsche Sommerhaus zu ergattern und traf zunächst die eher ablehnend reagierende Ehefrau Alberts, Elsa an. Nachdem bei dieser Aquise das Eis gebrochen war, nutzte Elsa ihre Chance, den jungen Architekten nach ihren Vorstellungen zu instruieren. Elsa hatte wohl sehr konkrete Vorstellungen vom eigenen Heim. Sie wollte ein Haus mit dunkelrotem Ziegeldach, französischen Fenstern und vielen Terrassen, wie sie in den damaligen Schweizer Wohngärten modern wurden. Das Wohnzimmer musste einen Kamin haben. Die Zimmer sollten aber eher klein angelegt werden und Alberts Schlaf-Wohn-Arbeitszimmer möglichst ruhig und abgeschieden liegen.

Mit diesen Wünschen wurde das Wohnkonzept klar von Frau Einstein umrissen. Der Architekt machte seine ersten Entwürfe, die am kommenden Tage dem Hausherren vorgelegt wurden. Es war zuerst ein modernster Flachdach-Bau mit klaren Linien, großen Fenstern und modernster Haustechnik - etwa mit einer Gasheizung - aber ohne Kamin. Albert Einstein nun wiederum hatte ebenfalls klare Vorstellungen von seinem zukünftigen Haus. Es sollte ein schlichtes Schweizer Blockhaus sein. Ein Flachdach kam für ihn erst recht nicht in Frage. Konrad Wachsmann hatte nun ein Problem. Da galt es Elsas südfranzösisches Flair mit dem eher nordalpinen Holzbaustil Alberts zu vereinen und daneben noch modern zu bleiben. Außerdem hatte der Architekt auch die Kritik und den Spott seiner Berufskollegen zu fürchten. Zudem musste Wachsmann schnell sein und durchdachte Lösungen präsentieren. Was er auch scheinbar spielerisch tat und damit die Bewunderung Einsteins für den jungen Werkmeister hervorrief.

Die besonderen Wünsche von Elsa Einstein könnte man zuerst als mediterrane Lebensart verstehen. Doch dies trifft nicht wirklich zu, denn dem mediterrane Süden ist das geschlossene Hof-Haus zueigen. Stark vereinfacht ist es der von Arkaden umgebene Hof oder das Atrium, um welches sich kühle Wohnräume lagern.

Beim Einstein-Haus ist das Prinzip genau umgekehrt. Die kühlen Wohnzellen liegen quasi zentriert und sind von offenen Hof-Räumen (Wohnterrassen) umgeben. Wobei ich die Wohnveranda ebenso als eine Art Wohnterrasse definiere. Das ist die traditionelle nordalpine Bauart und Wohnkonzeption. Das einzige Zugeständnis an den Süden sind die großen französischen Fenster mit ihren Lamellen-Klappläden, welche es ermöglichen, im Sommer die Räume vom Fußboden her bis zur Zimmerdecke erfrischend querzulüften. Im Winter lassen die Fenster wiederum tageslichtdurchflutete Zimmer zu.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Wachsmann diese speziellen französischen Fenster detailgetreu, abgesehen von den fehlenden Fensterkreuzen, in sein Holzhaus übertragen hat. Bis heute werden vielerlei Arten von bodentiefen Fenstern gebaut, denen es letztlich an den entscheidenden Details mangelt, und bei denen die Funktion nicht immer entsprechend der Form folgt. Nur mit äußeren Schattenläden ergeben die bodentiefen Fenster einen Sinn und haben Stil. Lange Fensteröffnungen mit einer innen befestigten Jalousie erfüllen den Zweck der Sommer-Lüftung dagegen weniger gut. Wachsmanns moderner Fertigbau bleibt somit ein Beispiel für wirkliche Meisterarbeit, welche Gestaltung und Zweck in idealer Weise verbindet. Das ist der Unterschied zur bloßen Nachahmung, wie uns bereits Goethe in seinem Roman "Wilhelm Meisters Wanderjahre" beschrieb (Lehrbrief).

Das besagte Haus ist ein funktionierendes Zusammenspiel von Weite und intimer Nähe. Die Räume sind auf die wirklich notwendige Größe, die es zum Wohnen braucht, reduziert. Durch Einbauschränke oder verdeckte Waschnieschen wirken sie optisch großzügig und sind dabei multifunktional nutzbar. Bei den schmalen Fluren hat man an den abgehenden Türen zum Teil auf Türgewände verzichtet oder sie nur andeutungsweise ausgebildet. Dadurch strahlt der Holzbau im Inneren eine ruhige, klare Ordnung aus. Proportionen und Dimensionen sind auf einem Minimum ausgereizt, das bei aller Einfachheit und Genügsamkeit und bei allem Maßhalten in keiner Weise beengend wirkt. Das gilt allerdings nur für das Innere des Hauses. Tritt man aus dem obern Flur auf die Dachterrasse, hat diese schon die optische Dimension eines Ballsaales. So auch die Treppe zur Haus- und Gartenterrasse, die einem Lustschloss alle Ehre machen würde.

In seinem Gesamtkonzept mit Wohngarten und Gartenhaus ist das Haus Albert Einsteins in Caputh heute noch bemerkenswert. Es kann Muster für einen Eigenheimbau sein, der von einem einfachen Baukörper ausgehend erweitert werden kann, wenn man die Veranda als möglichen Erweiterungsbau sieht. Auch eine Erweiterung der Wohnfläche durch einen separaten Baukörper, wie es das Gästehaus darstellt, ist durchaus ein nützliches Konzept. Zudem sind Garten und Haus vielmehr als Einheit zu sehen.

  • Literatur & Quellen: D. Bonfiglio: Paradies auf Zeit – Albert Einsteins Haus in Caputh, Potsdam 2005.