LandhauszimmerWas ist anders? Die Tür öffnet nach außen.
Was ist anders? Die Tür öffnet nach außen.

Warum baute man früher schöner? Das Landhaus-Prinzip: Beim Wohnen gibt es traditionell ein Drinnen und ein Draußen, also die klare Trennung von Zimmer und Garten. Heute träumt man aber, mittels Wintergarten, diese Trennung aufzuheben. Aber: unsere Vorfahren dachten bei der Planung ihrer Landhäuser ganz anders.

Fenster und verglaste Terrassentüren hatten die Funktion von Bilderrahmen und waren mit dieser Bildwirkung in die Möblierung des Raumes einbezogen. Man schuf eine klare Trennung vom Wohnen im Haus zum Wohnen im Garten, aber man machte die Grenze zwischen diesen beiden sehr durchgängig. Man verwendete beispielsweise Schiebefenster oder nach außen öffnende Fenster und Türen, sodass bei offenen Fenstern und Türen die inneren Räume des Hauses nie eingeschränkt wurden.

Im Sommer konnte man direkt am offenen Fenster oder Tür sitzen, ohne dass die Fensterflügel die Gemütlichkeit des Raumes störten, denn sie waren nach außen zu öffnen. Und so saß man dann wie in einer offenen Veranda, aber doch im stilvollen Zimmer.

"Moderne" ländliche Wohnkultur

Küche mit GlasfensternKüche viel Glas und Außenterrasse. Es ist modern. Doch ist es auch gemütlich?Heute ist es oft so, dass der Raum des Wohnzimmers eher aufgelöst werden soll. Das erreicht man durch viel Glas. Man soll wohl innen im Haus das Gefühl haben, draußen im Garten zu wohnen. Das ist das Konzept eines jeden Wintergartens. 

Man muss sich aber vergegenwärtigen, dass man mit dem Wohnkonzept der "offenen" verglasten Räume nicht den ruhigen und heiteren Charakter alter Landhäuser erreichen kann. Der Wintergarten erfüllt einen andern Zweck.

Damit will ich sagen, dass ein Wintergarten durchaus seine Berechtigung haben kann, wenn er nicht den einzigen, zentralen Wohnraum im Eigenheim darstellt. Jedenfalls schafft man mit Wintergärten und voll verglasten Zimmerwänden nicht jene gelassene Raumatmosphäre, welche ein altehrwürdiges Landhaus ausstrahlt.

Es ist eine bekannte Herangehensweise der Konzeptionisten, dass sie den Garten oder dessen Teile so anlegen, dass sie auf den ersten Blick nie voll einsehbar sind, um eine gewisse Neugier zu wecken. So ist das auch beim Landhaus-Prinzip zu verstehen. Fenster oder Terrassentür geben eine Aussicht auf das Grundstück und das im Idealfall so, dass sie ein einzelnes Bildmotiv des Gartens aufgreifen. Dieser Bildausschnitt soll malerisch wirken, aber er soll auch Neugier auf mehr wecken.

Noch deutlicher ist wohl der Vergleich mit den Dessous einer Frau, die diese erotischer aussehen lassen, eben weil sie noch etwas verdecken und nicht alles gleich preisgeben. So ist die Verbindung von Garten und Landhaus zu verstehen. Und der Wintergarten ist, um bei dem Bild zu bleiben, im Vergleich zum Landhauszimmer unerotisch.

LandhauszimmerGemütliches, luftig und helles Landhauszimmer.

Das Besondere der traditionellen Landhäuser ist, dass sie die Möglichkeit bieten, auf kürzestem und bequemsten Wege - also durch einen einzigen Schritt nach draußen* - sogleich "mitten im Garten zu stehen" und auf diese Weise den Garten als erweiterten Wohnraum nutzen zu können. Das erreichte man, indem man das Fußboden-Niveau des Zimmers auf gleiche Höhe mit dem Garten brachte. Wo das aus Gründen des Terrains nicht möglich war, glich man das mit einer Terrasse aus.

Dort, wo es möglich ist, solltest Du den Zugang zum Garten wirklich so anlegen – oder den Garten so gestalten – dass du dich sofort im Garten befindest. An anderer Stelle - besonders dort, wo die Terrasse den Übergang zum Garten schafft - kann die traditionelle Veranda das Haus aufs Engste mit dem Garten verbinden.

Bei der Veranda, die im klassischen Landhaus die Alternative zum Wintergarten ist, kennt man die offene und geschlossene Veranda. Früher baute man im mittleren Europa mehr die verglasten Veranden - in wärmeren Gegenden die offenen. Doch wer gern an Spätsommerabenden oder in frühen Morgenstunden im Freien sitzt, der kann auch in der Fenster-Veranda "draußen" sitzen und bekommt vom Tau keine nassen Füße.

Verglaste Veranda um 1900

alte WohnverandaWohn-Veranda um 1900 gebaut.Diese Veranda, um 1900 gebaut, ist bis zur Fensterhöhe geschlossen. Regale bieten unter den Fenstern reichlich Stauraum. Werden die Schiebefenster geöffnet, sitzt man in weniger als einer Minute in der offenen Veranda wie mitten im Garten. Die Fenster sorgen für ausreichend Sonnenlicht im Raum. An dunklen Winterabenden ist die Sicht von Außen auf den beleuchteten Raum sehr eingeschränkt ... und der Nachbar kann nicht sehen, ob aufgeräumt ist oder nicht.

Vielleicht nicht gerade traditionell aber eben sehr praktisch sind die heutigen Terrassendächer, weil man gern mit den Verwandten, Freunden oder Bekannten an Sommerabenden in großer Runde im Garten sitzt und doch etwas unabhängig von der Witterung sein möchte. So kann man an Stelle einer schmalen, offenen Veranda auch ein Terrassendach am Landhaus integrieren.

Ganz wichtig ist jedoch, dass bei der Wahl der Materialien Übereinstimmung mit denen des Hauses herrschen sollte. Und wichtig ist auch, dass möglichst eine Seite der Terrassenüberdachung geschlossen ist, weil man sonst im Windkanal sitzt. Wenn das Nachbarhaus sehr nahe steht, sollte man bei einem solchen Bauvorhaben an den Lärmschutz denken. Die Lärmbelästigung von einer Terrasse kann zu nächtlicher Stunde schon sehr nervig sein. Wird also eine weitere Seitenwand geplant, dann könnte sie auch gezielt dem Lärmschutz dienen. Eine auf drei Seiten geschlossene Terrassenüberdachung ist in dieser Beziehung eine gute Option.

Wenig Material-Mix

Wenn am Haus eine überdachte Terrasse angeschlossen wird, dann sollte das Hauptmotiv dieses freien Wohnplatzes ein uriger Garten- und Grillkamin sein. Damit hätte dieser Platz am Haus auch einen klaren, optischen Bezug. Er bekommt nicht den Anschein einer Anhäufung willkürlich herumstehender Gartenmöbel, welchen solche Terrassenplätze sonst oft ausstrahlen.

Was wurde früher nur anders gemacht?

BogenfensterWas wurde anders gemacht? Das ''Maß des Menschen'' war Grundlage von Architektur und Schönheit.Man fragt sich oft, was früher anders gemacht wurde, wenn Fassaden und architektonische Details die Häuser urgemütlich aussehen lassen. Dagegen sehen moderne Bauten (rechts, mittleres Bild) oft kühl und seelenlos aus, obwohl hier schon versucht wurde, gestalterische Akzente mit einem Erker-artigen Vorbau zu setzten.

Eine moderne Unsitte mag außerdem sein, dass Fenster und Türen ohne Gewände wie Löcher in die Fassade geschlagen werden. Ein aufgemaltes, schmales Türgewände würde hier schon optische Wunder wirken. Und noch etwas Anderes ist hier im Bildvergleich auch schon leicht zu erkennen. Beide Fassaden (rechts, oberes und mittleres Bild) wurden weiß gestrichen. Der eine Farbton ist warm (rechts, oberes Bild), der andere ist grell und kühl (rechts, mittleres Bild). Niemand zwingt uns, ein Haus so grellweiß anzumalen.

DreieckserkerDreieckserker ohne Sinn und Ziel mit Stolperfalle an der Glastür.Übrigens: Erker baute man früher, um einen Leseplatz im Haus zu haben, an dem genügend natürliches Licht vorhanden ist. Ein Erker war also immer mit einer bequemen Sitzbank oder mit einem Schreibplatz versehen. Heute stehen oft nur Zimmerpflanzen in diesen Nischen, die so eigentlich keinen richtigen Zweck mehr erfüllen.

Und auch die Terrassentür (rechts, mittleres Bild) ist weder Fisch noch Fleisch. Sie ist weder richtiges Fenster noch richtige Tür, denn jedes Mal muss man über eine gut 12 cm hohe Kante "aus dem Fester" steigen. Wenn die Glastür ein Fenster wäre, dann stellt sich die Frage, warum es bis zum Boden reichen muss. Ich finde bis zum Boden reichende Verglasungen in Zimmer immer problematisch, da sie, meiner Meinung nach, dem Raumgefühl abträglich sind. (Ausnahme: Französisches Balkon-Fenster)

Helles Landhauszimmer mit zweiflügliger Terrassentür.Helles Landhauszimmer. Perfekte Farben, Formen, Proportionen und Funktionalität: was funktioniert ist schön.Dagegen sollten wir uns mal diese Terrassentür (rechts, unteres Bild) näher betrachten. Die Tür ist im unteren Bereich geschlossen! Würde diese Tür bis zum Boden hin verglast sein, entstünde ein optischer Spalt in der Wand, der das Zimmer in zwei Teile trennt. Das Mehr an Licht wird durch Aufstockung der Glastür (Fenster über der Tür) nach oben gewonnen.


* Mit diesem Schritt nach draußen hat man dann auch eine neue Sicht auf den Garten, was beim Wintergarten, wie schon erwähnt, nicht der Fall wäre. Ständig das gleiche Garten-Bildmotiv anzuschauen, aus dem Haus, oder von der Hausterrasse aus, das kann schon etwas langweilig wirken.

Bilder oben © gutshof-behnkenhagen.de