Herbstgedichte

Goldenes Herbstlaub

Der Herbst mit seinem Feuerwerk an Farben, seinen wechselnden Naturstimmungen und der Vorahnung auf den Winter weckt in vielen von uns die Sehnsucht nach romantischen Worten und Versen. Da wundert es nicht, warum Herbstgedichte so beliebt sind. Nicht zuletzt gehört das Auswendiglernen von Gedichten zu unserer Kultur und wird in den Schulen praktiziert. Ein besonders heimeliges, vielleicht auch ein wenig erotisches Gedicht stammt von Johannes Schlaf. Die zwei Verse werden mit den Worten eingeleitet: Herbstsonnenschein, der liebe Abend lacht so still herein... Sofort beginnt unsere Phantasie ihr Bild zu malen, eine herbstliche Stimmung vielleicht an einem ruhigen und freundlichen Oktoberabend. Ein Feuerlein rot knistert im Ofenloch und loht [brennt]. Und weiter eröffnet sich uns ein Bild der Ruhe und Entspannung. Es ist so still, keine Hektik, kein Lärm, und wir lassen uns darauf ein und lauschen dem Knistern im Ofen. Das kurze Gedicht führt uns weiter in eine rein emotionale Welt, und am Ende geht es dann doch um das Zeitgefühl und ein Verständnis der Zeit.

Kuchenbaum Blätter

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten... Ein sehr nachdenkliches und spirituell angehauchtes Gedicht von Rainer Maria Rilke (1875–1926). Der Dichter neigt in vielen seiner Werke zu mystischen Anschauungen und tiefer Naturverbundenheit. Der Mensch als Teil der Natur, wird bei Rilke zu einer mystischen Erlebniswelt und wir können gemeinsam mit dem Dichter und mit dem folgenden kurzen Herbstgedicht in diese Welt der Ur-Erfahrung eintauchen.

Herbsttag Mittags Sonne

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!... Wer ein kurzes, romantisches Herbstgedicht sucht, wird bei Friedrich Hebbel (1813 – 1863) fündig. Er verfasste es im Jahre 1852. Klar und unverschnörkelt sind seine Zeilen und dabei so genau dran an der Natur, ein wunderschönes Lob auf die herbstliche Jahreszeit. An einem stillen, vielleicht noch etwas warmen Herbsttag, wohl um die Mittagszeit bemerkt der Dichter: Die Luft ist still, als atmete man kaum. Irgendwann wird jeder von uns vielleicht einmal einen solchen Moment erfahren haben und merken, dass ein merkwürdiges Gefühl von uns Besitz ergreift und eine Ruhe, vielleicht verbunden mit Melancholie, auf die Seele wirkt. Es ist kaum zu beschreiben. Erst, wenn man es selber erlebt hat, kann man davon berichten. Oder wir versetzen uns mit Hebbels Worten in den Zustand dieser Seelenstimmung, die er so wunderbar be- und umschreibt. Doch dafür sollten wir uns einen Moment der Ruhe gönnen und in ruhiger und entspannter Haltung die folgenden träumerischen Verse lesen.

sonnenuhr

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß... ein Herbstgedicht des bekannten österreichischen Lyrikes Rainer Maria Rilke (1875–1926), welches 1902 in seinem Buch der Bilder veröffentlicht wurde. Es sind tatsächlich außergewöhnliche Verse, von denen der eine oder andere meint, dass es zu den berühmtesten deutschsprachigen Gedichten zählt. Auf jeden Fall was die Lautmalerei der Bilder und der Klang der Worte betrifft. Ähnliches finden wir bei Goethes "Ein Gleiches" (Über allen Gipfeln ist Ruh). Doch auch der innere Sinngehalt der Zeilen geht tiefer als es beim ersten Lesen den Eindruck vermitteln mag, wie es die Interpretation zeigen soll. Letztlich müssen wir gar nicht versuchen, die Verse rational zu verstehen. Es genügt, sie hin und wieder im Geiste zu rezitieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, worauf es im Leben ankommt.

Bereifter Farn

Schon ins Land der Pyramiden flohn die Störche übers Meer ... ein Gedicht Theodor Storms über die stetig kühler werdenden Herbsttage. Bei Storms "Herbst" handelt es sich – will man korrekt sein – um einen Zyklus, denn es umfasst drei Einzelgedichte.