Das Trocknen ist wohl eine der ältesten Formen der Haltbarmachung von Lebensmitteln. Besonders das Trocknen von Wurzelgemüse wie beispielsweise Möhren ist eine gute Möglichkeit, Brühen und Suppen damit zu würzen, wenn sie nicht frisch zur Verfügung stehen oder wenn es mal schnell gehen muss. Besonders wenn wir eine größere Menge eingekauft haben oder sie nach einer reichlichen Ernte im Garten verarbeiten müssen, bietet sich diese Form der Konservierung an, da viele Gemüse und ganz besonders die Möhren und Karotten in der warmen Jahreszeit rasch welk werden und nicht mehr knackig sind. Des weiteren ist es ein Tipp für Produzenten von Biogemüse mit regionaler Vermarktung (Marktgärtner/market garden Produzenten), die ihre Ware auf diese Art und Weise zusätzlich anbieten können. Diese Idee und das besondere Verfahren der Trocknung fand ich in alter Schweizer Literatur. Sie ist speziell an Marktgärtner gerichtet, was ich hiermit ebenfalls tun möchte [2].
Die Grundrezeptur, die unten im leicht überarbeiteten Urtext wiedergegeben ist, bezieht sich auf eine Art getrockneter, würziger Mischung verschiedener Wurzelgemüse und stammt aus einer Zeit, da man noch nicht mit industriell hergestellter Suppenwürze kochte. Sie wurde in der Schweiz und Frankreich (Paris) so populär und war so begehrt, dass die Hersteller viel Geld damit verdienen konnten. Als Justus von Liebig in der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Fleischextrakt erfand, der mit der Herstellung von Brühwürfeln billig verkauft werden konnte, geriet das Trocknen von Würzgemüse leider in Vergessenheit
Änderung der Kochgewohnheiten
Mit Produkten wie Brühwürfel und Maggi-Würze änderten sich tatsächlich auch bald die Kochgewohnheiten und damit auch die Gemüsesortimente der Markt-Gärtner. Denn vor dem gab es neben den im unten vorgestellten Rezept an getrockneten Wurzelgemüsen (Möhren, Sellerie, Rüben, Pastinaken usw.) eine Vielzahl von Würzgemüsen und Kräutern, welche den Suppen ein Aroma in Richtung umami verleihen. Erst heute kommt man wieder auf diese natürliche Würze und deshalb kann auch das folgende Rezept – Abwandlungen sind möglich – wieder zu Ehren kommen.
Juliennehobel
Die Besonderheit der Trocknung ist, dass das Gemüse mittels eines dafür entwickelten Juliennehobels in feine Streifen geschnitten und anschließend über heißem Wasserdampf vorbehandelt wird, was die darauf folgende Trocknung befördert. Ein zusätzlicher Effekt der Dampfbehandlung ist, dass die Gemüse auch später ihre schöne Farbe behalten.
Im Text sind übrigens gelbe Möhren (Rübli) erwähnt. Man kannte damals weiße, gelbe und rote Rübli, doch fand man die gelben am aromatischsten. Ob das heute noch so ist, kann ich nicht sagen. Doch mit Sicherheit wurden die süßesten Sorten bevorzugt. Nun also zu Ur-Rezeptur. Anschließend folgen dann noch ein paar Hinweise und Ergänzungen von mir.
Das Juliennengemüse Orgiginal-Rezept
Rübli [Möhren], Rüben und Selleriewurzeln (Felix Anderegg, 1880). [2]
Diese getrockneten Wurzelgewächse kommen seit einiger Zeit als Suppengemüse Julienne [3] in den Handel. Es wird in Paris und wahrscheinlich auch in anderen französischen Städten bereitet. (Paris Bourqin).
Rüben [Speiserüben], Rübli [Möhren] und Selleriewurzeln [Knollensellerie] werden auf dem Rübenhobel in kleine Riemen von drei bis vier Zentimeter Länge und fünf Millimeter Breite geschnitten, jede Sorte einzeln.
Die geschnittenen Wurzeln werden in Körbe gelegt und diese, mit Tüchern bedeckt, einige Zeit über einem Kessel mit siedendem Wasser dem Dampf ausgesetzt. Durch diese Operation werden die wässrigen Zellen gesprengt und es verdunstet bereits eine bedeutende Wassermasse, die mit dem Entweichen des Dampfes durch das Flechtwerk des Korbes ebenfalls entweicht."
"Das Trocknen geschieht an freier Luft oder in Dörröfen mit starker Luftzirkulation (amerikanischer Dörrofen, Anderegg'scher Apparat) [4], so dass sie die ursprüngliche gelbe Farbe der Karotten [5], die weiße der Rüben und die weißliche der Selleriewurzeln behalten und sie äußerst appetitlich aussehen."
Die getrockneten Wurzeln werden zu 3 Teilen Rübli, 2 Teilen Rüben und 1 Teil Selleriewurzeln, mit getrockneten Petersilien-, Sellerie-, und Majoranblättern gemischt und sehr teuer verkauft.
"Wenn man berechnet, dass der Verkäufer für sich einen Gewinn von 50% beansprucht und der Ankauf zu den höchsten Preisen veranschlagt wird, ebenso die Dörr- und Verpackungskosten u.s.w., so kommt der Reingewinn der auf einem Hektar in Julienne umgewandelten Rübli auf 3 – 5000 Fr. [Franken] und entsprechend dem Ankaufspreis auch die Hektare Rüben und Knollensellerie auf enorme, uns ganz unmöglich scheinende Summen.
In Ähnlicher Weise werden in Frankreich auch Bodenkohlrabi [Kohlrübe, Steckrübe] mit Rübli und Gewürz sowie Pastinaken mit Rübli und Gewürz in verschiedene Präparate umgewandelt und zu sehr hohen Preisen verkauft.
Die Julienne muss vor der Benutzung vier bis fünf Stunden im Wasser aufgequellt werden und wird dann etwa eine Stunde in der Fleischsuppe gekocht.
Ergänzungen
Der oben stehende Text ist soweit eindeutig und kann jederzeit auf unsere heutigen Verhältnisse übertragen werden. Wollen wir mit weitgehend natürlichen Utensilien arbeiten, so verwenden wir asiatische Bambus-Dämpfeinsätze (zum Garen und Dämpfen von Speisen) oder einen Multi-Dämpfeinsatz aus Edelstahl bzw. eine andere Alternative. Den Juliennehobel hatte ich oben bereits erwähnt. Er ist auch unter dieser Bezeichnung im Handel erhältlich. Moderne, sehr praktische Dörrautomaten gibt es als Kleingeräte in den verschiedensten Modellen.
Welche Rüben-Art als Suppengewürtz verwenden?
Die oben verwendenden Gemüsearten, wie Sellerieknollen und Möhren sind klar zu identifizieren. Was Felix Anderegg allerdings genau mit Rüben meint, können wir nur indirekt ausmachen. Im selben Buch beschreibt der Autor neben den Unterkohlraben (Kohlrabi, S. 118) und Wasserrüben (S. 118) die Salatrüben oder Randen (S. 120). Dabei ist die Salatrübe zweifelsfrei Rote Beete (S. 140), wobei Randen bzw. Rahnen eine typisch schweizerische Bezeichnung der Roten Rübe ist.
Bleibt also die sogenannte Wasserrübe (auch "Weiße Rübe") zur Bestimmung übrig. Sie gehörte früher tatsächlich zu den "eigentlichen Rüben" [6], also zu denen, die wir heute im Spektrum der verschieden Rübengemüse als Speiserüben (Brassica rapa subsp. rapa) bezeichnen, die aber nicht mit den Kohl- oder Runkelrüben (Beta vulgaris var. rapa) verwechselt werden darf, wobei die Rote Rübe eine Spielart der Runkelrübe ist. Neben diesen beiden grundlegenden Rüben-Formen gibt es noch eine dritte Art, und das sind die sogenannten Kohlrüben, die sicher mit ihrer Bezeichnung als Steckrübe (Brassica napus subsp. rapifera) einen höheren Bekanntheitsgrad haben.
Der Übersicht halber sei auch noch der Kohlrabi (Brassica oleracea var. gongylodes) erwähnt, der aber nicht zu den Rüben zählt. Er hat in den verschiedenen Gegenden sehr unterschiedliche Namen, die oft zu Verwechslungen führen. Neben Kohlrübe (in Wien) und Rübkohl (in der Schweiz) gibt es noch die Bezeichnung Oberkohlrabi oder Oberrübe oder wie der bereits erwähnte Bodenkohlrabi, der wiederum eine andere Bezeichnung für die Kohlrübe ist.
Speiserübe (Brassica rapa subsp. rapa)
Um die Sache abzukürzen, tippe ich darauf, dass F. Anderegg im oben stehenden Rezept die Speiserübe (Brassica rapa subsp. rapa) meint, wobei es hier natürlich wiederum ein weites Spektrum an Varianten und Sorten gibt. In der Literatur jener Zeit ist man sich allerdings einig, dass die sogenannte Stoppelrübe die aromatischste ist. Diese wird in der Landwirtschaft als Nachkultur auf Roggenfelder gesät oder im Garten im Anschluss (Aussaat spätestens bis 8. August) auf eine Erbsenkultur. Im Nachgang auf diese beiden Kulturen, und wenn die Rüben weder zu üppig noch zu mager wachsen, haben sie das beste Rüben-Aroma. Der Geschmack geht dann etwas in Richtung Pfeffer und Kohlrabi. Gut geeignet ist dafür auch die sogenannte 'Tetelower Rübe'. Sie bildet ihren besonderen Geschmack aber nur auf Sandböden aus.
Um noch einmal endgültig festzustellen, welche Rübenart zur Julienne-Mischung gehört, sei auf die Bemerkung Andereggs hingewiesen, dass nach der Behandlung unter Wasserdampf "die weiße Farbe der Rüben" erhalten bleibt. Es ist damit eindeutig die "Weiße Rübe" gemeint, also Brassica rapa subsp. rapa, weil die anderen Arten mehr ein gelbliches Fleisch ausbilden. [TJ.4.15]
Literatur und weitere Bemerkungen
- [1] Beitragsbild Dörrapparat der 1890er Jahre: Dr. Ryder's Patent-Dörrapparat Quelle: Nattermüller, Otto; Obst- und Gemüsebau; Berlin 1894; Verlag von Paul Parey
- [2] Anderegg, Felix; Der Gemüsebau im Hausgarten und im freien Felde; Zürich 1880; Seite 131
- [3] Ich vermute, dass der Begriff Julienne kein markenrechtlich geschützter Begriff mehr ist. Allerdings gibt es immer noch sogenannte Juliennehobel (Gemüsehobel) im Angebot der Haushalswaren, welche bezüglich ihrer Namensherkunft mit diesem früher sehr bekannten Trockengemüse in Verbindung stehen. Ein weiterer Begriff ist das Juliennengemüse, also Raspelgemüse, welches heutzutage frisch gehobelt mit Butter angedünstet wird.
- [4] Anderegg'scher Apparat (macht er hier Eigenwerbung für ein Dörrgerät?)
- [5] auf Seite 140 schreibt Anderegg zwar "Von den Rübli sind die roten schmackhafter und süßer. Sie sind auch gesuchter und werden besser bezahlt, als die lichten", doch für die Gewürzmischung wurden trotzdem explizit gelbe Möhren verwendet, die dazumal eigentlich als aromatischer galten, als die roten Sorten. Die damals neuen roten Sorten wurden wohl nur wegen der kräftigeren Farbe besser verkauft, als die gelben.
- [6] Real-Encyklopädie für gebildete Stände; Conversationslexikon; Zehnte verbesserte und vermehrte Auflage; In fünfzehn Bänden; Dreizehnter Band; Leipzig 1854, Seite 193 "Die eigentliche Rübe, weiße Rübe, Wasserrübe oder Turnips, eine Abart des Rübkohls mit dicker, fleischiger Wurzel und im System als rübentragender Rübenkohl (Brassica rapa rapifera) bezeichnet. Als Spielarten sind hierzu zu rechnen: die lange weiße Rübe, die runde weiße Rübe und die Tetelower Rübe, welche letztere als Gemüse sehr beliebt ist und weit versendet wird." [Bekannt ist, dass bereits der deutsche Dichter und (wohl auch) Feinschmecker Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) die Teltower Rübchen nach Weimar in größeren Posten anliefern ließ...]