Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (1788 – 1857) gilt als ein sehr bedeutender Dichter und Schriftsteller der deutschen Romantik. Das vorliegende Liebesgedicht des Lyrikers wird mitunter auch unter der Überschrift "Gedanken sind frei" zitiert. Ob das kurze Gedicht wirklich nur auf eine geheime Liebe verweist, ist deshalb nicht erwiesen. Eichendorff war ein Gegner Napoleons und kämpfte im gleichen Lützowschen Freikorps wie der Dresdner Dichtergenosse Theodor Körner.
Im Unruhejahr 1949 lebte der preußische Bedienstete Freiherr von Eichendorff in Dresden, wo die dortigen Bürgerproteste (Maiaufstand) von der preußischen Armee blutig niedergeschossen wurden. Inwieweit der romantische Dichter in all diesen Jahren geheime politische Gewissenskonflikte oder die der Liebe auszustehen hatte, mag der Leser aus den folgenden Zeilen selbst versuchen zu erraten.
Verschwiegene Liebe
Über Wipfel und Saaten
In den Glanz hinein –
Wer mag sie erraten,
Wer holte sie ein?
Gedanken sich wiegen,
Die Nacht ist verschwiegen,
Gedanken sind frei.
Errät' es nur eine,
Wer an sie gedacht,
Beim Rauschen der Haine,
Wenn niemand mehr wacht,
Als die Wolken, die fliegen –
Mein Lieb ist verschwiegen
Und schön wie die Nacht.