Durch Zufall war der Autor (evangelischen Bekenntnisses) in den Marienwallfahrtsort Kevelaer und dort direkt in einen der Pilgerströme geraten. Dabei konnte er in einem Stück verschiedenste Aspekte der katholischen Marienverehrung erfahren, und das weniger mit dem Verstand durch analytische Beobachtung, als mit dem Verstehen des Herzens. Aus diesem Erlebnis heraus sind die folgenden Erläuterungen zur Mariensymbolik, die uns in vielerlei Weise im Alltag begegnet, entstanden. Ein wichtiges Gleichnis war dem Autor bisher recht unbekannt. Es ist die Metapher der heilige Jungfrau Maria für unseren "Pilgerweg" auf Erden:
Die Pilgerin
"Die Maria der heiligen Schrift ist kein weltfremdes Heimchen am Herd. Sie eilt übers Gebirge [...] sie geht (ca. 120 km) von Nazareth nach Ain Karim, um ihre Cousine Elisabeth zu besuchen und bei ihrer Niederkunft zu helfen [...] Maria zieht mit ihrem Mann Josef hochschwanger zur Volkszählung nach Bethlehem und nach der Geburt Christi asylsuchend nach Ägypten. Von da kehrt sie heim nach Nazareth.
Wir sehen also Maria als eine Pilgerin, und wenn Maria auch als die Mutter der Kirche gesehen wird, so ist sie für diese vor allem als Pilgerin ein Vorbild, denn die Kirche selber ist eine Gemeinschaft von Pilgern und immer auf dem Weg. Die Kirche selber ist nicht der Zweck unserer irdischen Wanderschaft, sondern der Weg.
Die Auserwählte
Maria ist die "Auserwählte Gottes" für seinen "Heilsplan". Es sind keine zufälligen Ereignisse, die zur Geburt des Christkindes geführt haben, sondern es ist der Plan Gottes, der das Weltall, die Erde und den Menschen erschaffen hat.
Somit ist Maria auch ein Symbol dafür, dass sich der Schöpfergott den Menschen zuwendet, und dass dies auch nicht planlos vor sich geht: Heute hört man oft zwei Anklagen gegen Gott: 1. "Wie kann Gott das viele Leid auf der Welt zulassen" und 2. "Ich kümmere mich nicht um Gott, denn er kümmert sich ja auch nicht um mich." Das stimmt doch? oder nicht? Warum Viele von uns das Gefühl haben, Gott kümmere sich nicht um sie, steht in der Bibel gleich am Anfang: Gott schuf den Menschen als ein freies Wesen mit dem Ziel, dass sich dieser durch seinen freien Willen zu Gott hinwendet und gottähnlich wird (vom Geschöpf zur Gotteskindschaft). Doch bereits das erste Menschenpaar bestand seine Lebens-Freiheitsprobe nicht. Adam und seine Frau wollten einfach nicht Gott zugewandt leben. Ihre Entscheidungen wollten sie autonom treffen. So ist das auch heute noch bei den meisten Menschen. Und dadurch leben wir auch nicht in einem Paradies. Und Gott lässt Leid zu, weil es nicht seine sondern unsere Entscheidung dafür ist. So einfach ist das.
Maria und Eva, Jesuskind mit Apfel
Der Apfel in der Hand des Jesuskindes (s. Altarbild unten, großes Bild Mitte) dient als Symbol für den Sündenfall Adam und Evas. Maria steht im engen Zusammenhang mit diesem sogenannten Sündenfall. In den ersten Kapiteln der Bibel findet sich nämlich eine jahrtausendalte Prophezeiung über Maria und Jesus:
Da sprach Gott zu der Schlange [die das Paar verführte]: Weil du das getan hast, seiest du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe [Maria] und zwischen deinen Nachkommen und ihrem [Maria] Nachkommen; der [Christus] soll dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in die Ferse stechen. (Gen. 3. 14)
Mehr Infos zur Thematik: der Sündenfall und das sogenannte Protoevangelium.
Gottes erster Heilsplan, der mit Adam beginnen sollte, endete mit dem Verlust des Paradieses. Nicht aber der neue Heilsplan. Er beginnt diesmal nicht mit einen Mann, sondern mit einer jungen Frau: "Der Hl. Irenäus sagt, dass sie 'in ihrem Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist'. Deshalb sagen nicht wenige der alten Väter gern, 'dass der Knoten des Ungehorsams der Eva gelöst worden sei durch den Gehorsam Marias; und was die Jungfrau Eva durch den Unglauben gebunden hat, das habe die Jungfrau Maria durch den Glauben gelöst', im Vergleich mit Eva nennen sie Maria, die Mutter der Lebendigen und öfter betonen sie: 'Der Tod kam durch Eva, das Leben durch Maria'." (Lumen Gentium 56, Konstitution des 2. vatikanischen Konzil).
Das mag zwar alles recht theologisch klingen, doch die bedeutungslos erscheinende Jungfrau Maria, ein jüdisches Mädchen, wird durch ihre Hinwendung zu Gott zu einer Schlüsselfigur des menschen-zugewandten Handeln Gottes. Das neue Denken, die neue Religion, die (schon) Maria hier bewirkt, ist die vertrauensvolle Zuwendung hin zu einem Vater-Gott und der Glaube an einen guten Gott. Denn genau genommen hat alle Religion seit dem Sündefall Gott nur als Schöpfer, als streng richtenden König oder als blind wirkendes Fatum gesehen. In Jesus offenbart sich dann das Gottwesen selbst als barmherziger Gott der Welt.
Marias Leben war von Kindheit an, über ihre Schwangerschaft, Geburt des Kindes in ärmlichen Verhältnissen und anschließende Flucht, bis zur Hinrichtung ihres Sohnes nicht auf der Sonnenseite, wie man heute sagen würde. Und doch beschreibt uns die Bibel Maria als Menschen, der auch im Leid das gute Wirken des einen Gottes sieht. Maria ist letztlich also ein Symbol für den guten Gott, dem sich der Mensch anvertrauen soll. Und das ist sicher auch das Geheimnis dieser sogenannten Marienverehrung, die heute sicher nichts an Popularität verloren hat. Von der Hl. Jungfrau können wir also eine Lebenshaltung lernen: wir sollen im Herzen Pilger sei,. Reisende. Richtig sogar, nur Fremde hier in dieser Welt-Materie. Und wir sollen mit der rechten Lebenshaltung die Welt sehen, und darüber hinaus die Offenbahrung Gottes in Jesus auf uns wirken lassen.
Weitere Mariensymbole
Vorbild für Stille und Kontemplation
Hier der Blick in das Innere einer russisch-orthodoxen Kirche. Die Kirche ist ein Holzbau. Die Einfachheit der Ikone mit Maria bewirkt eine seltsam feierliche Stimmung. Wie der Autor beobachtete, ist das Gedächtnis an Maria neben Pilgerschaft immer mit viel innerer Einkehr, Meditation und Ruhe verbunden.
Maria ist auch ein Vorbild als Gegenpol desjenigen, was ich als hektischen Aktivismus beschreiben möchte. Unbestritten hat Maria in ihrem Erdenleben viel Gutes bewirkt, und doch blieb ihr Handeln häufig ungesehen und unbeachtet. Ist das ein Makel der Bibel? Heute zeichnen sich unsere christlichen Gemeinden nicht selten durch zwei Untugenden aus: aktionistisches Handeln und das Bestreben, die Ergebnisse jenes Aktivismus abrechenbar zu machen, also das Tun auf Erfolg zu kontrollieren. Wie war das im Leben der Maria? Ruhig war ihr Leben keinesfalls. Sie konnte ihre "Erfolge" nicht planen und kontrollieren. Das Gegenteil war der Fall. Doch Maria war in jeder Situation ihres Lebens die Handelnde, und sie hat damit sicher sehr viel bewirkt. Auch dies ist mehr eine Lebenshaltung, und ich würde sie als kontemplatives Handeln bezeichnen, ein Begriff, wie er wohl auch im tibetischen Buddhismus verwendet wird.
Wie ist dieses kontemplative Handeln zu verstehen? Ich drücke es mal ganz pragmatisch aus. Durch unsere ständigen, hektischen und immer zielgerichteten Aktivitäten entsteht in allen unseren Lebensbereichen ein gewisser Tunnelblick, also ein sehr eingeengter Gesichtskreis. In dieser Lebenshaltung übersehen wir so manche Chance in unserem Leben. Im Berufsleben ist es vielleicht der Traumjob. Oder es kann der Traumpartner sein. Oder was ist es bei dir? Regelmäßige Meditation und Kontemplation hilf, dem Zwang und der Unfreiheit jener Hast im Leben zu begegnen. Von Maria heißt es: "Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen [...]".
Pieta
Die Pieta, die Schmerzensmutter (Mater Dolorosa) mit dem getöteten Christus ist ein Motiv der bildenden Kunst, das etwa im 11. Jahrhundert entstand. Als Bestandteil des Kreuzweges betrachtet ist diese die vorletzte, die 13. Station.
Nach dem Tod Jesu am Kreuz "bat Josef von Arimathäa, der ein Jünger Jesu war, doch heimlich, aus Furcht vor den Juden, den Pilatus, dass er den Leichnam Jesu abnehmen dürfe. Und Pilatus erlaubte es. Da kam er und nahm den Leichnam Jesu ab" ["und wird Maria in den Schoß gelegt", so die Legende].
Maria die Schmerzensmutter
Ein oft verwendetes Motiv in der Malerei ist Maria, die Mutter Jesu mit Maria Magdalena,0 dargestellt unter dem Kreuz Christi, als Metapher unterschiedlicher religiöser Erfahrungen. Beide symbolisieren in der der christlichen Kunst zwei Formen der menschlichen Religiosität. Da ist zum Einen die nach Innen gerichtete (spirituelle, mystische) esoterische Religion und die auf das Äußere sehende Religiosität der exoterischen Religion.
In der oben gezeigten Abbildung kniet Maria Magdalena links vor dem gekreuzigten Christus. Sie liebte Jesus in seiner Äußerlichkeit und schaut auf die erschreckende Kreuzigungsszene. Die Jungfrau Maria lehnt an der Schulter des Jesus-Jüngers Johannes und hat die Augen geschlossen. Sie erfasst das Innere der Szene wohl als Einzige, denn auch Johannes schaut zum Kreuz hinauf.
Tod der Maria (Kunstmotiv)
Sehr selten in der christlichen Kunst ist die Darstellung vom Sterben der Mutter Jesu. Der Autor hat eine solche Szene auf dem hochmittelalterlichen Flügelaltar (um 1443) der St. Marienkirche in Gera-Untermhaus entdeckt. Die hier vorgestellte Fotografie ist etwas dunkel, doch man erkennt das Wesentliche. In der Kirche war es stockdunkel, und mit Blitzlicht macht der Autor in Kirchen keine Bilder, denn das gehört sich nicht. Und auch das Foto selber wäre wertlos, da grelles Licht Kirchen und Altäre in falschem Licht zeigt. Ein entsprechendes Lichtexperiment ist hier vorgestellt.
Auf dem rechten Flügel des Altarbildes ist unten folgendes zu sehen: in der Bildmitte liegt die entschlafene Mutter Gottes. Um Maria haben sich die Apostel versammelt. Im Vordergrund rechts ist der Heilige Franziskus dargestellt und verrät damit die Zugehörigkeit des Malers zum Franziskanerorden. Auf einem in der Kirche aufgefundenen Infoblatt (2006) ist zu dieser Szene und zum gesamten Altar zu lesen: " Von hier aus ergäbe sich auch eine mögliche Deutung des ganzen Altarwerkes: Ob es eine zentrale Aussage sein soll, dass der Geist der dienenden Magd des Herrn, der in krassem Gegensatz steht zur grausamen Gewalt des Herodes (Bildszene darüber), nach ihrem Tod in den Aposteln (vgl. dieselben Heiligenscheine!) und in der Kirche weiterlebt, nun besonders wirksam ist in den den Armen dienenden Brüdern des heiligen Franziskus – im Gegensatz zum Machtstreben der mittelalterlichen Kirchenfürsten, und das diesem Geist des Dienens für alle Zeiten die Krone verheißen ist, mit der die biblische Magd des Herrn nun gekrönt ist?" Maria symbolisiert schon immer die "Mutter Kirche", und wie es uns der Maler des Altarbildes verständlich machen will, ist Maria ein Symbol für die wahre innere Kirche, und das ist die dienende Gemeinde. Das ist die Zukunft der Kirche (der Kirchen) und vielleicht auch die Zukunft der wahren Religiosität überhaupt.
Die Himmelskönigin
Weiterhin finden sich in der sakralen Kunst Mariendarstellungen, auf denen uns die Madonna als Himmelskönigin gezeigt wird. Ihre Attribute sind der Sternenkranz (in Verbindung mit dem Regenbogen; Beitragsbild ganz oben, Mitte), die Krone, das Zepter oder, wie auf dem Altarbild unten, Maria auf der Mondsichel. Genannt wird solch ein Kunstmotiv Mondsichelmadonna. Hintergrund der Verehrung Marias als Himmelskönigin ist ein Text in der Bibel. Es handelt sich um einen Text aus der Offenbahrung des Apostels Johannes, welcher auch derjenige Jünger ist, welcher den christlichen Legenden nach die Witwe Maria materiell unterstützte (ein Rentensystem gab es damals noch nicht):
Die Mondsichelmadonna
"Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt. Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind fräße. Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron. Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde tausendzweihundertundsechzig Tage." (Luther-Text, 1912)
Nun wird es im wahrsten Sinne des Wortes mystisch, doch die Schriften der Bibel sind es häufig. Und in diesem Falle beschreibt der Text auch keinen äußeren Vorgang (nichts exoterisches), sondern einen inneren Prozess im Menschen. Und er nutzt dabei die wohl wichtigste Symbolik oder geistige Entsprechung der Maria: die Geburt des göttlichen Geistes in der menschlichen Seele. Oder wie es Angelus Silesius (1624-1677) formulierte: "Wäre Christus tausend Mal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärest ewiglich verloren." Nach dem biblischen Text oben heißt das: die der materiellen Erde angehörige Seele (Frau, Mondsymbol) gebiert den göttlichen Lebens-Geist der Liebe (Kind, Sonnenstrahlen) im Herzen des Christen, der dann mit seiner Weisheit (die der Gottesliebe entspringt) den "neuen Menschen" mit eisernem Zepter regiert (im positiven Sinn). Der Drache ist Symbol der Materie. Die Entrückung des Kindes zu Gott und die Zuflucht der Frau in der Wüste sind Symbole für den Konflikt des Geistigen mit der Materie, solange der Mensch noch im Zeitlichen lebt. So einfach ist das zu verstehen.
Der Sohn im Bild der Bibel wäre nach dieser Textbetrachtung allerdings nicht der Christus, sondern der "wiedergeborene" Christ, oder wie Angelus Silesius es sagt: "der Christus in uns". Diese esoterische Religions-Symbolik (siehe auch im Text ganz oben) erklärt uns auch die Problematik des Gott-Vaters. Jeder kenn die Klagen der Feministengemeinde, die beständig fragt: "Warum beten wir nicht 'Mutter unser im Himmel'?" Die Antwort darauf lautet: diese Frage zeigt ein typisch exoterisches Religionsverständnis. Die Schreiber der Bibel verwendeten Bilder und Entsprechungen, um das Innere der menschlichen Seele und deren Verhältnis zum Transzendenten zu beschreiben. In diesen Bildern ist das Nichtmaterielle, das Göttliche männlich und das Stoffliche weiblich (wie auch im Kern unserer Sprache: Mater, Materie). Geistiges und Materielles verbindet sich miteinander und gebiert eine neue Qualität: den Sohn. Es ist keine Tochter, weil der "Sohn" vom Wesen her Geist ist, also eine nicht an die Materie gebundene Form der Energie (mal modern ausgedrückt). Das ist übrigens eine interessante Betrachtungsweise. Die menschliche Seele macht quasi den Initiationsweg der Maria durch, auf dem Wege zur christlichen Wiedergeburt. Dann wäre Maria, die Himmelskönigin ein Bild der "verklärten" Seele im Himmel (in der Welt, die Bestand hat).
Geschichte der Marienverehrung
"Eine der ältesten Mariendarstellungen mit Kind der christlichen Kirche fand sich in Fayum in Ägypten. Geritzt in Kalkstein aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts." So hatte der Autor das beigefügte Bild ursprünglich unterschrieben, doch das ist nicht ganz korrekt. Dr. Wilhelm Neuss beschreibt in seinem Buch: Die Kunst der Alten Christen frühchristliche Katakombenkunst aus dem 2. Jahrhundert mit zahlreichen Mariendarstellungen (eigentlich lang bekannt). Bei Wikipedia war einmal folgendes zu lesen: > Als das Christentum 391 n. Chr. im Römischen Reich zur Staatsreligion ernannt wurde, begann eine Verehrung der Märtyrer und auch Marias. Vierzig Jahre später wird Maria durch das Konzil von Ephesus zur "Theotokos" (Gottesgebärerin) bzw. "Dei Genetrix" (Gottes-Mutter) ernannt. Nach diesem Konzil entsteht eine neue, unbiblische Verehrung Marias, die der Verehrung der "Himmelskönigin" (Jeremia 44.17) aus dem Alten Testament ähnelt. Im fünften und sechsten Jahrhundert versucht man, versteckte Hinweise auf Maria in der Bibel zu finden, und ein Jahrhundert später entstehen die ersten Marienfeste und Mariengebete, wie das "Ave Maria". (Quelle: nach Wikipedia, Stand 11. Dezember 2007)** Das ist natürlich ein nicht-neutraler Wikipedia-Eintrag, aber er zeigt, dass dies schon ein etwas heikles Thema ist. Das sollten wir nicht leugnen. Interessant ist schon mal der Konflikt des Propheten Jeremia (Wirkungszeit ca. 627 bis 587 v. Chr. ) mit den religiösen Praktiken der Jerusalemer Frauen jener Zeit, die durchaus selbstbewusst argumentieren: "Da antworteten alle Männer, die wussten, dass ihre Frauen anderen Göttern opferten, und alle Frauen, die dabeistanden, eine große Schar, sowie alle Leute, die in Ägypten und in Patros wohnten, dem Jeremia: Was das Wort betrifft, das du im Namen des Herrn zu uns gesprochen hast, so hören wir nicht auf dich. Vielmehr werden wir alles, was wir gelobt haben, gewissenhaft ausführen: Wir werden der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen, wie wir, unsere Väter, unsere Könige und unsere Großen in den Städten Judas und in den Straßen Jerusalems es getan haben. Damals hatten wir Brot genug; es ging uns gut und wir litten keine Not. Seit wir aber aufgehört haben, der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darzubringen, fehlt es uns an allem und wir kommen durch Schwert und Hunger um. Die Frauen aber sagten: Geschieht es etwa ohne Wissen und Willen unserer Männer, dass wir der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen, dass wir für sie Opferkuchen bereiten, die ihr Bild wiedergeben, und Trankopfer spenden? [...] usw." (Jeremia 44.15 bis 19 nach der Einheitsübersetzung). Diese alten Religionspraktiken entsprechen natürlich (wie schon oben beschrieben) einem sehr exotherischen Verständnis, welches sich jedoch in der Folge der Jahrhunderte durch die neue griechische und ägyptische Religiosität änderte:
(1926)Isis mit Kind
Die ältesten Mariendarstellungen (siehe Bild oben) entstanden vielleicht auch in Anlehnung an die damals alltäglichen Isis-Bildnisse, Isis mit Sohn Horus. Die ägyptische Isis-Gottheit wurde auch als Gottesmutter verehrt. Es muss beachtet werden, dass die antiken Religionen (mit dem integrierten Iris-Kult) zur Zeit des jungen Christentum mehr philosophisch ausgeformt waren, und in diesem Kontext muss man auch diese "Anlehnung" sehen. Religionsgeschichtlich belegt ist, dass sich in der hellenistischen Kultur der Spätantike eine Religiosität entwickelte, die fast gar nichts mehr mit dem zu tun hat, was wir uns so unter dem traditionellen Götterkult der Babylonier, Griechen oder Römer vorstellen. Der traditionelle antike Götterkult war zwar der offizielle Staatskult im Römischen Reich, und in den Tempeln wurde seit Alters her auf ein und dieselbe Art geopfert, doch hat sich parallel zu dieser exoterischen Religionsausübung eine lebensnahe, esoterisch-philosophische Religiosität geformt, die nicht selten sogar ein monotheistisches Gottesbild vertrat. Dabei verwarf man die alten griechisch-ägyptischen Göttermythen durchaus nicht, sondern achtete die alten Legenden als Kulturgut und legte sie allegorisch aus. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom philosophischen Monotheismus (Glaube an nur einen Gott), deren bekannteste Vertreter die Platoniker darstellen. Die Pythagoräer sind hier ebenfalls zu nennen, sowie dieStoiker. Fazit: Da nun die frühe Marienverehrung in dem (zum Synkretismus neigenden) frühen Christentum Ägyptens mit zuerst nachweislich ist, so hat man hier (in durchaus legitimer Weise) das alte Denken einfach mit neuem Inhalt gefüllt. Man hat quasi dem antiken Kult der Himmelskönigin die Verehrung der heiligen Maria entgegengesetzt. Diese Praktik der
Religionsumformung kennen wir auch aus der Christianisierung Nordeuropas, wo die alten Gottheiten zum Teil von den Missionaren einfach im christlichen Sinne neu erklärt wurden. Das war so selbstverständlich, das wir noch heute Ostern zum Auferstehungsfest sagen. Solang es eine Kultur des modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) gibt, scheint die besondere Verehrung der Mutterschaft einfach da zu sein. Die altsteinzeitliche Reliefarbeit im Bild rechts zeigt eine schwangere Frau mit Mondsichel-Symbol (Bisonhorn). Das Alter der Kunstarbeit beträgt über 20.000 Jahre! Sie ist im gewissen Sinne auch eine Mondsichelmadonna.* gekürzt, nach Viktor Roeloffs, Ein Papst als Pilger am Niederrein, Kleve 1987BOSS-Verlag ISBN 3-9222384-05-6
** Interessant auch die Wikipedia-Beiträge, welche beständiger Metamorphose unterliegen. Hier der Abriss vom 23. Juni 2008, schon etwas deutlicher modifiziert, als oben: Von Anfang an gab es eine besondere Verehrung der Mutter Jesu, Maria. Das zeigt sich in den Apokryphen der frühchristlichen Zeit, die wegen abweichender Lehren oft im Sinne des Gnostizismus ganz bewusst von der christlichen Kirche nicht in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen worden waren, aber weiterhin überliefert wurden und ihre Wirksamkeit entfalteten; die römisch-katholische Kirche wie die Ostkirchen bezogen die apokryphen Texte zu Maria in ihre Marienlehren mit ein (hier insbesondere das Protevangelium des Jakobus). Als das Christentum 391 n. Chr. im Römischen Reich zur Staatsreligion ernannt wurde, begann eine Verehrung der Märtyrer und auch Marias. Vierzig Jahre später wird Maria durch das Konzil von Ephesus als „Gottesgebärerin“ (gr. Theotokos bzw. lat. Dei Genetrix) bezeichnet und dogmatisiert; dabei ging es ursprünglich weniger um die Frage, wer Maria ist, sondern vielmehr um die Frage, ob Jesus von Nazareth Gott sei. Der Begriff „Gottesgebärerin“ oder „Gottesmutter“ sollte klarstellen, dass Jesus „nicht nur wahrer Mensch, sondern auch wahrer Gott“ wäre/sei. Nach diesem Konzil entstand eine neue Verehrung Marias, die – wie Kritiker behaupten – der Verehrung der „Himmelskönigin“ aus dem Alten Testament ähnelt.