In der Bildersprache der Menschheit ist die Symbolik der Schlange ein Archetyp, also ein kollektives Grundmuster in sehr vielen Kulturen, wobei die Bedeutung als Symbol oder Metapher unterschiedlich sein kann. In der abendländische Kultur wird die Schlange oft mit einer negativen Bildsprache verknüpft, doch diese dunkle Seite ist nur ein Teilaspekt dieser Thematik. Eine der bekanntesten Geschichten der Bibel ist der Sündenfall. Dort wird die Urmutter Eva wird durch die Schlange verführt, von den Früchten eines verbotenen Baumes zu essen. Eva verlockt dann wiederum Adam zum verbotenen Biss in die Frucht, wodurch Unheil und Tod auf die Erde kam. Doch in der gleichen Bibel gibt es auch positive Schlangenbilder (unten aufgezeigt), was die Ambivalenz dieses Archetyps aufzeigt.
Verschiedene Aspekte
Im Alltag unserer abendländischen Kultur finden sich jedoch auch die deutlich positive Schlangensymbolik. Im Berufszeichen der Ärzte und Apotheker findet sich zum Beispiel der Äskulapstab, also die gewundenen Schlange an einem Stock oder auch das Bild zweier sich hochwindenden Schlangen am Hermesstab, dem Berufszeichen der Ärzte, Gelehrten und Händler.
Beide Themen hat der Autor gesondert behandelt und man folge bitte dem entsprechenden Link. Gesondert ist auch das aus dem alten Ägypten stammende Motiv der Natter, welche sich selber in den Schwanz beißt. Dies ist der sogenannte Ouroboros, der "Selbstverzehrer"Selbstverzehrer". Er symbolisiert ewig wiederkehrende Zyklen im Kosmos, welchen in ihrem Anfang gleichzeitig auch das Ende innewohnen haben. Simpler erklärt sind es die Kreisläufe der Natur von Leben und Sterben.
Die Symbolik im Paradies und Sündenfall
In der bereits erwähnten Urgeschichte der Bibel wird das Serpentens-Reptil im einfachsten Falle als Teufel gedeutet, der das erste Menschenpaar vom Schöpfergott abwendet. Für manche Ausleger ist die Schlange aber auch nur ein bloßes Fabelwesen – für andere wiederum eine Metapher für kühles, berechnendes Kopfdenken ohne das Herz ins Spiel zu bringen. Der Autor sieht das sich schlängelnde Tier eher im Zusammenhang mit einer naiven vorgeschichtlichen Weltsicht, wo die Schlange die Materie oder das Totenreich symbolisiert. Diese weltgebunden Aspekte des Tiers sind sehr alt und findet sich bereit bei den alten Ägyptern.
Katze, Schlange, Lebensbaum
Auf einer ägyptischen Wandmalerei, welche auf die Zeit um 1350 v. Chr. datiert wird (Bild), ist eine Katze (Kater) abgebildet, welche mit einem Messer eine Schlange bekämpft. Tierstil der eurasischen Steppenvölker beschrieben hat. Wenn die Darstellungen kämpfender Tiere mit jenen Mächten der Materiewelten recht verbreitet war, so ist das Bild des kämpfenden Menschen mit einer Schlange eher selten (abgesehen von Drachentötern), doch im alten Griechenland vorhanden.
Bei dem Kater handelt es sich um ein solares Symbol (Sonnensymbolik), also um ein solares Wesen göttlicher Ordnung (Gott Re), welches im Kampf gegen die Bösartigkeit und Vernichtung verkörpert – dahinter der Baum des Lebens [1]. In diesem Falle wird des Wesen des Symboltieres dualistisch interpretiert im Kampf zwischen Tag und Nach, Finsternis und Leben, wie zwischen Gut und Böse. Diese archaische Philosophie findet sich in vielen ähnlichen Bildmotiven der Völker in völlig gleicher Wesensart: Es ist der Adler, der die Schlange in seinen Krallen hält, oder als Hirsch, der die Schlange zertritt. Hirsch oder Adler symbolisieren immer das Licht – die Schlange dann aber das Nicht-Manifestierte, das der Erde zugehörende (chthonisch), das Reich der Finsternis, oder das Totenreich. In diesem Fall wird Schlange (Mondsymbol) und Sonnen-Tier zu einem Bild des dualistischen Denken = Kampf von Licht und Finsternis, Kampf von Gut und Böse usw. Ein weiteres Licht-Tier im gleichen Kontext (Tierkampf) ist der Löwe oder Tiger, welchen der Autor im Zusammenhang mit demLaokoongruppe und Python
Der Mythos vom griechischen Priester Laokoon, der durch eine Python zu Tode kam, ist uns besonders bildhaft vor Augen und zwar durch eine der wohl weltberühmtesten Plastiken der Antike überhaupt.
Es ist die sogenannte Laokoongruppe. Das Bildhauerwerk wurde 1506 wiederentdeckt [2] und steht heute in den Vatikanischen Museen und zeigt den Priester Laokoon mit seinen beiden Söhne, der sehr lebendig dargestellt, im Kampf mit einer Würgeschlange steht. Die Python dieser Plastik versinnbildlicht die unheilvolle Macht der Finsternis und des Totenreiches und des mystischen weiblichen Erd-Prinips. Die Python des Gott Apollon, dessen Priester Laokoon in Troja war (der Stadt des Sonnengottes Apollon!), tötete ihn und dessen Söhne, da er den Zugang des hölzernen Pferdes in die Stadt ermöglichte. Die Python (geboren von der Erd-Göttin Gaia) ist zudem in dem Sinne ein Attribut des Lichtgottes Apollon, da dieser quasi als Drachentöter und Urtyp des Erzengels Michael (Drachentöter) darstellt. Apollon tötete den unheilvollen Pythondrachen der Finsternis und gründete in der Nähe von Delphi das berühmte antike Orakelheiligtum (Gründung als Sühne für den getöteten Drachen), in dem die Priesterinnen (Pythia) die Zukunft weissagten. Ursprünglich war das Orakel von Delphi wohl ein Heiligtum der Göttin Gaia. Der Kult in Delphi wurde bei den Griechen bis in das 5. Jahrhundert vor Chr. "Pytho" genannt. Später sprach man nur noch vom Apollonkult in Delphi. So zeigen Geschichte und Mythologie einen Paradigmenwechsel innerhalb des Delphi-Kultes. Die chthonische Macht wird durch ein solares Symbol unterworfen. Im übrigen ist die Python ein Schlange des afrikanischen Kontinents, was die Herkunft dieser griechischen Mythen aus ferneren Zeiten und Orten beweist.Die Schlange in der Bibel
Der Sündenfall und die Schlange (Proto-Evangelium)
Der Autor hat bewusst, die nun folgenden Thesen zur biblischen Geschichte von Schlange und Sündenfall an das Ende der Seite gestellt, damit die vorgenannten Aspekte zugleich weiterführend im Hintergrund stehen. Die Rahmenhandlung Sündenfallgeschichte ist also die, dass Eva wird durch eine Schlange verführt von den Früchten des verbotenen Baumes zu essen und Adam wird wiederum durch die Eva zum verbotenen Biss in die Frucht gelockt.
Interessant sind nun aber die Folgen dieses Handelns. Zitat aus der Bibel (Gen. 3. 14): "Da sprach Gott zu der Schlange: Weil du das getan hast, seiest du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinen Nachkommen und ihrem Nachkommen; der (Christus) soll dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in die Ferse stechen." Dies sind die Fluchworte Gottes über die Schlange, nach dem Sündenfall. Doch verheißt der darauf folgende bedeutsame Vers 15 Heilung. Schon die Kirchenväter betrachteten diesen Vers als Proto-Evangelium, also Erst-Evangelium – die erste frohe Botschaft vom Sieg Jesus Christus über die Macht des Satan. In diesem Sinne übersetzte Martin Luther den Bibeltext, wie er oben stehend nachzulesen ist. Wörtlich heißt es in dem hebräischen Urtext: "Feindschaft setze ich zwischen dich und das Weib zwischen deinen Samen und ihren Samen Er wird dir den Kopf zermalmen Du wirst ihm die Ferse zermalmen".
In neuerer Zeit änderte sich in der Theologie die Deutung bezüglich der Gestalt der Schlange und man sieht in ihr nicht mehr so sehr die Verkörperung des Satans. Wenn sie überhaupt die Stelle einer bösen Macht vertritt, so soll dies der Baal-Kult der Kanaaniter sein, bei welchem das Schlangensymbol nachgewiesen wurde. Die alte Bezeichnung "Protoevangelium" wurde deshalb von der modernen Theologie fallen gelassen, besonders aber auf Grund von ausführlichen Textanalysen, nach denen der bildhafte Erzählstiel auch wirklich die Schlange nur als Tier in den Sündenfall einflocht und im Stiele einer uns allen bekannten Tierfabel (die Schlange, das klügste unter den Tieren) die Natur der Sünde zu verdeutlichen. Die natürliche Feindschaft zwischen Mensch und Schlange findet in dieser "Sage" ihre einfache Erklärung. Somit übersetzte man den 15. Vers wiefolgt: "Sie werden euch den Kopf zertreten, und ihr werdet sie in die Ferse beißen." (Übersetzung: Die Gute Nachricht AT) Dieser Text ist im eigentlichen kein Widerspruch zur Lutherischen Übersetzung, denn "deine Nachkommen" und "ihre Nachkommen" können im hebräischen Text sowohl als Individuum, als auch als Kollektiv gedeutet werden – der Übergang dazu war im Denken der damaligen Zeit fließend. Damit hat die Theologie zunächst erst einmal das Protoevangelium aus der Bibel ausradiert, doch das war vielleicht zu voreilig.
Betrachten wir die meditative Bildgeschichte Moses auf eine etwas andere Art. Unser Augenmerk soll dabei zuerst auf die Aufzählung der Tiere im Schöpfungsbericht gerichtet sein. Die Tiere werden hier im Vorbericht in drei Kategorien aufgezählt. Da gibt es die Tiere in der Luft, auf der Erde und unter der Erde (Gewürm): "Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, dass uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht." Schon von Zeichnungen aus der Steinzeit ist bekannt, dass die früheren Menschen derartige Tierkategorien kannten. Oft zeichnete man Vögel, Landsäugetiere bzw. Schlangen und Fische, welche ganz profan Himmel, Erde und Unterwelt verkörpern. Es waren also primitive Darstellungen des Kosmos, wie man sie heute auch der biblischen Urgeschichte zuschreibt. Nur geht es in den Bibelberichten des (in die ägyptischen und althebräischen Mysterien eingeweihten) Moses sicher nicht um den Kosmos der materiellen Welt, sondern um den Kosmos der inneren Lebenswelt des Menschen! Die Tiere stellen die guten und schlechten Neigungen des Menschen dar, welche der Mensch als Gotteskind erkennen und beherrschen soll. Den Kategorien Himmel, Erde und Unterwelt entspricht der innere dreigegliederte Aufbau des Menschen: Geist, Seele und Leib. Mit diesem Idealbild der "Krone der Schöpfung" schließt der so genannten 1. Schöpfungsbericht der Bibel. Der Schreiber dieser alten Texte ggeht nach diesem Vorbericht dann aber wieder auf die vorhin genannten Tierkategorien ein: "Und Gott der Herr machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen." Nun bitte genau lesen: die Tierkategorie der Unterwelt fehlt hier! Die Schlange zählte ursprünglich zu den "Tieren des Feldes", denn sie wurde zuvor erst "verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde". Als solches muss man sich sie natürlich mit Beinen vorstellen. Erst nach dem Sündenfall muss sie auf dem Bauche kriechen und verkörpert nun die entstandene Unterwelt, den Tod und die Materie. In bildhafter Weise wird hier dem Zuhörer gesagt, dass Gott "Himmel und Erde" schuf: und zwar schuf er den Menschen zuerst als ein Wesen aus Geist und Seelenleib. Das Totenreich, bzw. die Materie ist am Anfang nicht Plan der göttlichen Schöpfung. Weiter geht die Geschichte aber so, dass der Wunsch im Menschen wuchs, von seinem Schöpfer autonom zu werden. Der geistige Kern im Menschen, etwa das Gewissen (der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse) sollte nach Gottes Plan zunächst nicht unter der Herrschaft des menschlichen Kopfverstandes stehen – doch Eva und Adam wollten selber bestimmen, was für sie gut und nicht förderlich ist (so wie jeder heute). So kam es zum Fall der geistigen Macht im Menschen und – Eva wurde mit Adam aus dem Paradies-Garten vertrieben. Sie wurden zu materiellen und sterblichen Menschen dieser Erde. Das ist die Entstehung des Kosmos aus der geistigen Sicht des Hebräers Moses.
Hier zum Schluss noch einmal das Proto-Evangelium zum nachlesen: (Gen. 3. 14): "Da sprach Gott zu der Schlange: Weil du das getan hast, seiest du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinen Nachkommen und ihrem Nachkommen; der (Christus) soll dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in die Ferse stechen." Worte Jesu: "Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Sehet, ich habe euch Vollmacht gegeben zu treten auf Schlangen und Skorpione, und über alle Gewalt des Feindes, und nichts wird euch schaden." Luk. 10/ 18+19.
Eherne Schlange
Wiederum in der Bibel stoßen wir auf ein seltsam anmutendes Motiv, die sogenannte Eherne Schlange. Folgendes lesen wir im Bibeltext: "Die Hebräer brachen auf [nach ihrer Flucht aus Ägypten] von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise. Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Moses und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne (metallene) Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben." (Text nach 4. Buch des Mose, Kapitel 21, Verse 4 bis 9). Die Erklärung des Autors hierfür ist die, dass in dieser Geschichte die Giftnattern am Boden nun mit der aufrechten, ehernen Schlange von Gott einen dualistischen Gegenpol bekommen – etwa, wenn man mit der Schlange am Boden einerseits die Erkenntnisfähigkeit meint, die man sich ausschließlich durch die fünf Sinne aneignet (Materialismus-Glaube), so ist mit dem zur Transzendenz gerichteten Gegenpol (nach oben) der Glaube an Gott und die Erkenntnisfähigkeit des Herzens gemeint: Also – die Moral der Geschichte: das Volk Israel war damals in der Wüste (und vorher in Ägypten) rein materialistisch gesinnt und vom Kopfverstand geprägt – das war ihr Tod. In diesem Sinne ist diese Metapher sehr eng mit der Symbolik der sich nach oben windenden Schlange zu verstehen, wie wir sie vom oben erwähnten Äskulap- und Hermesstab kennen, als Aufstreben vom Niederen zum Höheren, vom Materiellen zum Geistigen. Dieser Prozess ist aber mehr, als ein Erkenntnisprozess, sondern ein Heilungsprozess (Äskukalpsab), wenn sich die Menschen mit dem Herzen ihme Schöpfer zuwenden.
Trotz der oben gegebenen Erläuterungen, darf nicht verschwiegen werden, dass dieses tragbare Schlangenstandarte bis in die Zeit des berühmten König David (König von Israel) vermutlich mit heidnischen Aschera-Kultsäulen und auf einer Anhöhe stand. Der Nachfolgekönig Hiskia zerstörte jedoch die phönizischen Kultstätten samt der mosaischen Ehernen Schlange. So wird es im 2. Buch der Könige Kapitel 20, Vers 4 explizit beschrieben: "[...] und [Hiskia] zerstieß die eherne Schlange, die Mose gemacht hatte; denn bis zu der Zeit hatten ihr die Kinder Israel Rauchopfer gebracht."
- [1] Bohms, Ingrid; Säugetiere in der ägyptischen Literatur; Kapitel Der "Große Kater", Seite 148; Berlin 2013
- [2] Wiedergefunden wurde eine marmorne antike Kopie aus dem 1. Jahrh. n. Chr.; das Original, vermutlich eine Bronzeplastik aus Pergamon, stammt ungefähr aus dem Jahr 200 v. Chr.
- Bild: Der Sündenfall, von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872 )
- Bild: Eherne Schlange, Carl Gottfried Pfannenschmide