![1) Zwiebelchen in Clustern von etwa 50 Gramm. Siehe auch [1] echte Perlzwiebel Allium ampeloprasum](/images/thumb/images/phocagallery/Nutzgarten/Zwiebelanbau/70-allium-ampeloprasum-perllauch-fill-320x230.jpg)
8.9.2023, Fachbeitrag von Thomas Jacob
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Ich bin mir ziemlich sicher, dass kein anderes Gemüse für seine Entwicklung den Begriff Metamorphose so maßgeblich verdient wie die Perlzwiebel (Perllauch). Und es gibt wohl auch kaum ein anderes Gemüse, dessen botanische Einordnung einem solchen Wirrwarr unterlegen ist, wie das bei der Perlzwiebel geschehen ist. Genau genommen ist sie eine Spielart des Ackerlauchs, aus dem nicht nur die Perlzwiebel, sondern auch der Porree und sogar viele Arten des Knoblauchs gezüchtet wurden, was die Gemüse eng miteinander verwandt sein lässt. Bevor wir uns mit der botanischen Zuordnung befassen, sei erst einmal kurz erklärt, was mit dem Begriff Perlzwiebel überhaupt gemeint ist.
Im alten Brockhaus-Lexikon von 1908 [2] ist sie wiefolgt beschrieben: Perlzwiebel, Perllauch, kleine, zarte weiße Zwiebel, die ausdauernd ist und sich durch Brutzwiebelchen vermehrt. Man erntet sie im Juli bis August und benutzt sie zum Einmachen oder zur Würze.
Über die Verwendung schreibt Th. Rümpler in seinem Buch “Illustrierte Gemüse- und Obstgärtnerei" von 1879 [3] noch etwas ausführlicher (hier auch gleich mit Kulturanleitung): Man setzt sie im September mit einem allseitigen Abstand von acht Zentimeter 2,5 Zentimeter tief in das Land, sie geben darauf im Frühjahr Blätter zur Suppenwürze [schmeckt wie Schnittlauch] und im August ihre weißen, glatten Zwiebelchen, die getrocknet und von denen die größeren für die Küche, insbesondere zum Einmachen [Pickles] und die kleineren zur Fortpflanzung verwendet werden.
Warum die Perlzwiebel selten geworden ist
Die Perlzwiebel kam ursprünglich im Selbstversorgunggarten zum Einsatz. Wie eine Steckzwiebel angebaut entwickelt sich jedoch kein großes Exemplar, sondern es bilden sich viele kleine Zwiebelchen, sogenannte Brutzwiebeln, die von einer dünnen, weichen Haut und nicht wie ihre großen Schwester von vielen derben Häuten umhüllt sind. Unmittelbar nach der Ernte eingekocht fand die Perlzwiebel in Mixed-Pickles Verwendung. Viele von uns werden jetzt die kleinen weißen Zwiebelchen vor Augen haben, die es, meist sauer eingelegt, im Supermarkt zu kaufen gibt.
Allerdings wird man heute diese Pickels nur noch in den seltensten Fällen selber einmachen, weil kaum jemand diese Mini-Zwiebeln im Garten selber kultiviert. Im Handel sind die kleinen Zwiebelchen nur im verarbeiteten Zustand zu bekommen. Der Grund herfür ist, dass die Pickles heutigentags nicht mehr aus der echten Perzwiebel sondern aus einer klein gezüchteten Küchenzwiebel (Allium cepa) – der sogenannten Silberzwiebel – gewonnen werden. Die Silberzwiebel-Sorten sind in Größe und Qualität sehr konstant und einfach mittels Aussaat für Gartenbaubetriebe einfach zu kultivieren. Durch diese Vorzüge ist es möglich geworden, die Perlzwiebeln (Silberzwiebeln) heute im großen Maßstab mechanisiert anzubauen, wie auch mechanisiert und automatisiert industriell weiter zu verarbeiten. [4]
Das ist bereits eine der angesprochenen Metamorphosen, welche die Perlzwiebel durchgemacht hat, denn deren ursprüngliche Form gehört einer ganz anderen Art an. Und diese wird nicht durch Samen vermehrt, sondern ausschließlich durch Brutzwiebeln, wobei zu bemerken ist, dass diese Brutzwiebeln, und damit diese alte Gemüseart, heutzutage kaum noch erhältlich ist [5].
<Ein Büschel Perlziwebeln mit Laub
Die Nähe zum Knoblauch und zum klassischen Porree
Interessant ist es, dass wir in den obigen Kurzbeschreibungen bemerken, dass sie mit ihrem Lauchblattwerk oder auch als Zwiebelchen zum Würzen verwendet wurden. Der Grund hierfür ist aber der, dass dieses Lauchgewächs eigentlich eine Art Knoblauch ist. Es ist aber nicht die bei uns im Laden übliche Knoblauchart (Allium sativum), sondern Allium ampeloprasum, der Ackerlauch, der auch Ackerknoblauch, Sommer-Knoblauch oder Sommer-Porree genannt wird und in bestimmten Sorten als sogenannter Elefanten-Knoblauch heute noch am ehesten bekannt ist. Ich verwende von den verschiedenen Namen des Allium ampeloprasum erst einmal die Namensvariante Sommer-Porree weil dieser Begriff am ehesten Zielführend ist, diese Gemüseart zu verstehen.
Dieser Ackerlauch (Sommer-Porree) wiederum, ist eine eigene Porree-Variante [6], die optisch von dem heute handelsüblichen Porree (Lauch, Winter-Porree, Allium porrum) kaum zu unterscheiden ist. Allein die letztgenannte Spielart ist für den Handel als eine dickfleischigere und haltbare Sorten gezüchtet worden, als der zuvor genannte Sommer-Porree. Beide Arten bilden übrigens auch Blüten aus und das in kugelrunden Lauch-Blütenständen, der Ende Oktober ausreift. Wird dieser im zeitigen Frühjahr gesät, es wachsen schmalblättrige Jungpflanzen heran, welche dann im Frühsommer verpflanzt werden und je nach Sorte ab Mitte August zu ernten sind. Die Spätsorten sind so frosthart, dass sie draußen auf dem Beet stehen bleiben können und überwintern, wo sie spätestens nach dem Auftauen des Bodens im zeitigen Frühjahr in die Küche zum Verbrauch kommen.
Die Neigung Brutzwiebeln auszubilden
Der Sommer-Porree besitzt im Gegensatz zum Winterporree jedoch die Eigenart, dass er auch kleine Brutzwiebelchen ausbildet. Das wiederum ist eine Wesensart von manchen Zwiebelgewächsen, dass sie neben der hauptsächlichen Möglichkeit, sich über Samen generativ zu vermehren, auch die Eigenschaft besitzen, sich durch Brutzwiebelchen zu vermehren. Wenn ihm nun aus irgendeinem Grunde die Vermehrung durch Samen verwehrt ist, dann forciert besonders der Sommer-Porree die Möglichkeit, dies durch verstärkte Brutzwiebelbildung zu bewirken. Das funktioniert folgendermaßen:
Von Natur aus ist der der Sommer-Porree ein zweijährige Pflanze. Das heißt, dass er im Ersten Jahr aus Samen hervorwächst und Wurzeln, wie Blätter bildet. Zudem bildet der Sommer-Porree zum Jahresende hin eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Zwiebel aus, welche nach der Vegetationsperiode im Boden verbleibend überwintert. Im Frühjahr treibt dann die Staude, bzw. die Zwiebel neue Blätter und einen Blütenstängel. Wird dieser Blütentrieb abgeschnitten, konzentriert sich die Pflanze dann nicht mehr auf die Blüten- und Samenbildung nur noch auf die Produktion von Brutzwiebelchen.
Eine weitere Transformation sei dabei aber auch noch erwähnt und das ist eine geschmackliche. Der Ackerlauch (Sommer-Porree), der in der Regel eine Zwiebel [7] mit Knoblauchgeschmack ausbildet, gibt dieses Knoblaucharoma nur in abgemilderter Form an die Perlzwiebeln weiter. Diese werden nämlich mit ihrer ständigen Weitervermehrung milder, so zumindest berichten alte Quellen. (Vor gut 100/150 Jahren war in der Küche ein eher milder Knoblauchgeschmack begehrt und die Perlzwiebel dem Knoblauch vorgezogen.)
Die Bildung von Luftzwiebeln
Das Umschlagen von Wachstum und Eigenarten des Sommer-Porrees – der sich in unserer Beschreibung zuerst zum Sommer-Knoblauch und von diesem zum Perllauch wandelte, geht aber noch so weit, dass die durch die Brutzwiebelchen vermehrten Perllauche an Stelle von Blütenständen mitunter eine Art Luftzwiebeln entstehen lassen, wie wir sie von der Ägyptischen Zwiebel (Luftzwiebel) her kennen. An dieser Stelle sei an die eingangs erwähnten Metamorphosen erinnert, welche mich veranlassen einen weiteren Namen für Allium ampeloprasum zu kreieren und das ist "Wandel-Knoblauch”).
Unter diesem grünen Haaschopf bilden sich Luftzwiebeln aus
Abgesehen davon, dass diese Metamorphosen insofern sich weiter fortsetzen können, und die Perlzwiebeln, bzw. der Perllauch manchmal wider echte Samenstände sprießen lässt oder auch mehr an Knoblauch erinnernde, größere Zwiebelzehen wachsen lässt, so haben wir mit der Bildung dieser Brutzwiebeln, dann auch schon die Perlzwiebel erschöpfend beschrieben.
Botanische Einordnung (Taxonomie)
Nachdem es sich als unbedingt nötig erachtete, die Perlzwiebel (Allium ampeloprasum) in all ihren Formausbildungen genau zu beschreiben, ist es nun aber doch auch noch nötig, die botanische Systematik zu nennen. Was die deutsche Namensgebungen der Art betrifft, so fasse ich es noch einmal so zusammen: Die Perlzwiebel, bzw. der Perllauch ist eine Brutzwiebel bildende Varietät des Ackerlauchs Allium ampeloprasum (das griechische ampelóprasum heißt übersetzt so viel, wie: "im Weinberg wachsend"). In der Vergangenheit wurde dann allerdings noch einmal zwischen einer relativ konstanten Variante (A. ampeloprasum subsp. ampeloprasum) und einer stärker veränderlichen Form unterschieden: A. ampeloprasum subsp. sectivum (Syn. A. porrum var. sectivum). Diesen Umstand möchte ich hier nur erwähnen, da er in der Fachliteratur quasi mit der Lupe gesucht werden muss. Grundlegend wird die Art folgendermaßen botanisch eingerodet:
Die Pflanzenart Ackerlauch (A. ampeloprasum) gehört der Pflanzengattung Lauch (Allium) an, welche sich in den Tribus (Unter-Unter-Familie) der Allieae* fügt. Die Allieae gehören der Unterfamilie der Lauchgewächse (Allioideae) an und diese wiederum in die Pflanzenfamilie der Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae). Die Amaryllidaceae gehören zur Ordnung Spargelartige (Asparagales).
*Die Zwiebeln dieser Unterfamilie enthalten keine Stärke. Sie enthält nur eine Gattung, den Lauch.
Verhältnis zu Lauch und Knoblauch
Um die Verwandschaft zu den anderen Lauch-Gruppen aufzuzeigen stelle ich diese hier noch einmal zusammen, wobei es zu den einzelnen subspecies (Unterarten) und varietas (Varietäten) zur Zeit noch keine oder keine einheitlichen botanischen Namensgebungen besitzen. Diese Fehlstellen habe ich mit [...] ersetzt.
- Allium ampeloprasum – Ackerlauch (der Ur-Lauch, ein Zwiebelgewächs)
- A. ampeloprasum var. kurrat – Kurrat oder Ägyptischer Lauch – es ist vermutlich eine Art Porree, der verpflanzt und gut gedüngt, und von dem dann das Blattwerk mehrfach kurz über dem Erboden zur Ernte geschnitten wird.
- A. ampeloprasum subsp.[8] porrum (Syn. A. porrum L.) – Porree – die Zwiebelbildung ist fortgezüchtet
- A. ampeloprasum subsp. ampeloprasum – Sommer-Porree – die alte Vorläufer-Variante des Porree
- A. ampeloprasum subsp. ampeloprasum var. [...] Perllauch – Brutzwiebel bildende Varietät des Ackerlauchs oder Sommer-Porree
- A. ampeloprasum subsp. sectivum (Syn. A. porrum var. sectivum) echte Perlzwiebel
- A. ampeloprasum subsp. ampeloprasum var. [...] Elefanten-Knoblauch (Eine vermutlich aus dem Perllauch gezüchtete Riesensorte-Sorte)
- A. ampeloprasum subsp. var. holmense (A. a. var. holmense Mill.) – Sommer-Knoblauch, in über viele Jahrhunderte entstandene Sorten-Varianten, welche vom Echten Knoblauch (Allium sativum)kaum zu unterscheiden sind.
Weitere Zuchtformen des Ackerlauchs
Bereits erwähnt wurde, dass es noch Zuchtformen gibt, welche darauf abzielen, große Knoblauchzwiebeln auszubilden, die in der Regel auch größer ausfallen, als die vom echten Knoblauch (Allium sativum). Dieser erstgenannte Riesen-Perlzwiebel-Knoblauch, der als Elefantenknoblauch im Handel erhältlich ist, kommt allerdings nicht an das feinere Aroma des echten Knoblauchs heran. Das mag aber nicht der Grund dafür sein, dass dieser weniger edle Knoblauch bei uns vom Markt verdrängt wurde. Es ist wohl eher so, dass selten Sorten des Elefantenknoblauchs (wie auch der Perlzwiebl) angeboten werden, weil die gesteckten Perlzwiebeln oder Knoblauchzwiebeln nicht hundertprozentig Sortenfest sind und so kann sich ein Elefantenknoblauch plötzlich zur Perlzwiebel wandeln und die Perlzwiebel vielleicht auch wieder zum Porree. Diese fehlende Garantie in der Sortenechtheit mag dann wohl auch der Grund dafür sein, dass wir dieses schöne alte Lauchgemüse heute kaum noch im Gemüseangebot oder Kleingarten finden.
Literatur, Quellen und Bemerkungen:
[1] Die Abgebildeten Zwiebelchen sind eine Varianter des gewöhnlichen A. ampeloprasum.
[2] Brockhaus' Konversations-Lexikon, Leipzig 1908, 14. Auflage, Zwölfter Band, Seite 1022.
[3] Rümpler, Th.; Illustrierte Gemüse- und Obstgärtnerei; Berlin, 1879; Seite 217.
[4] Die Silberzwiebel (also die unechte Perlzwiebel) wird durch Aussaat vermehrt. Die alte, echte Perlzwiebel wird ausschließlich als Steckzwiebel vermehrt.
[5] Im vorliegenden Text ist zwar beschrieben, wie die Perlzwiebel aus Sommer-Porree nachgezüchtet werden kann, doch bereits in den Jahren 1874 bis 1879 darüber einen wissenschaftlichen Streit, ob diese Nachzüchtungen und die damals noch bestehende Echte Perlzwiebel (heue ausgestorben?) unterschiedliche Arten sein könnten.
[6] Rein botanisch gesehen, ist Allium porrum eine Artvariante von A. ampeloprasum und müsste A. ampeloprasum var. porrum genannt werden, was aber so nicht üblich ist. Allerdings kommt es derzeit (2023), aus dieser ungenauer Bezeichnung heraus, im Gartenbau oft zu unnötigen Verwechslungen.
[7] Beim Porree ist diese Zwiebel lediglich weggezüchtet.
[8] In der botanischen Taxonomie steht subsp. für subspecies, was auf Deutsch Unterart bedeutet.
— Weitere Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Perlzwiebel
https://de.wikipedia.org/wiki/Lauch_(Gattung)
https://de.wikipedia.org/wiki/Lauchgewächse