echte Perlzwiebel Allium ampeloprasum1) Zwiebelchen in Clustern von etwa 50 Gramm. Siehe auch [1]
1) Zwiebelchen in Clustern von etwa 50 Gramm. Siehe auch [1]

23.11.2023, Fachbeitrag von Thomas Jacob, Arbeitstitel: "Die verborgenen Facetten eines Pflanzen-Chamäleons"

Ich bin mir ziemlich sicher, dass kein anderes Gemüse den Begriff "Metamorphose" so maßgeblich verdient wie der Perllauch (Allium ampeloprasum ampeloprasum Pearl-Onion Group), der auch unter dem Namen Perlzwiebel bekannt ist. Bevor wir in das Hauptthema des Beitrags einsteigen, sei aber noch der Hinweis gegeben, dass die Perlzwiebel (neben dem Perllauch) vermutlich eine eigene Species darstellt, die in der Regel den botanischen Namen Allium porrum var. sectivum LUEDER trägt oder auch Allium ampeloprasum subsp. sectivum. Beide Varianten dürfen nicht in einen Topf geworfen werden.
Und nun begeben wir uns auf einen kurzen Tauchgang in die erstaunlichen Transformationen dieser Wunderpflanze, denn der Perllauch ist eines der merkwürdigsten Gartengewächse überhaupt!

Genau genommen ist der Perllauch nur eine Spielart des Lauchs, der auch Sommerporree genannt wird. Bezeichnet werden damit Varianten des Porregemüses, welche dem Ur-Lauch, dem sogenannten Ackerlauch, näher stehen, als der klassische Porree (Winterporree). Erstere neigen dazu, kleine Brutzwiebelchen auszubilden. Der Winterporree wiederum tut das nicht, da ihm diese Anlage offensichtlich weggezüchtet worden ist. Aus diesem Grunde gehen seine biologischen Kräfte stärker in das Wachstum der Blätter über. Damit ist dieser etwas ertragreicher und auch winterhärter als der Sommerporree.

Botanisches Beschreibung und Zuordnung

Beschreibung

Der Perllauch bildet schmale, flache, lineare Blätter, die einen intensiven bläulichgrünen Farbton aufweisen. Sie wachsen in einem Scheinstängel mit einem flach-ovalem Querschnitt. Dieser entsteht durch die Verlängerung der Blattscheiden. Junge Blätter schmecken wie Schnittlauch und können wie dieser Verwendung finden.
Zur Vermehrung bildet der Perllauch unter der Erde kleine Brutzwiebeln, die unterschiedlich groß ausgeprägt sind. Die Größten von ihnen werden etwa so groß wie eine Haselnuss und als Perlzwiebeln bezeichnet. Diese kommen roh oder gekocht für die unterschiedlichsten Gerichte zum Einsatz. Ihr Geschmack ähnelt dem der Küchenzwiebel.
Der Perllauch kann auch einen Samenstängel ausbilden, was er aber nur in Ausnahmefällen tut. Geschieht das, wächst dieser bis zu 80 Zentimeter hoch und bildet einen kugelförmigen Blütenstand, der aus vielen, kleinen, sternförmigen Blüten besteht, die weiß oder leicht rosa gefärbt sind. Kommen die Samen zur Reife, sind sie keimfähig und können wieder ausgesät verwendet werden.

Taxonomie

Botanisch gesehen gehört der Ackerlauch zur Ordnung der Spargelartigen (Asparagales), aus denen die Pflanzenfamilie der Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae) hervorgeht. Aus dieser entspringt dann die Unterfamilie der Lauchgewächse (Allioideae). Über die Unter-Unterfamilien (Tribus) der Allieae führt uns die Taxonomie zur Gattung Lauch (Allium) und letztlich dann zu der Pflanzenart Ackerlauch (Allium Ampeloprasum). Von dieser Urform stammen folgende Kultur-Varianten ab:

  1. Winterporree (Porree)
  2. Sommerporree (Lauch)
  3. Kurrat (Ägyptischer Lauch), ein Schnitt-Porree mit zarten Blättern
  4. Perllauch
  5. Knoblauch

Und noch einmal die Übersicht mit botanischen Namen:

  • Allium ampeloprasum ampeloprasum Porrum Group
  • Allium ampeloprasum ampeloprasum Leek Group
  • Allium ampeloprasum ampeloprasum Kurrat Group
  • Allium ampeloprasum ampeloprasum Pearl-Onion Group
  • Allium ampeloprasum ampeloprasum Great-Headed Garlic Group

Um den Perllauch als Gartengemüse zu beschreiben, ist es tatsächlich besser, diese einfache Übersicht mit meinen bevorzugten deutschen Namen zu wählen, da die Botaniker bis dato keine eindeutige Namensgebung für den Perrlauch gefunden haben. Perllauch und Perlzwiebel werden von ihnen einfach als Allium ampeloprasum ampeloprasum Pearl-Onion Group bezeichnet, also einfach einer Perlzwiebel-Gruppe zugeordent.

Die Perllauch-Kultur. Wie entstehen die Brutzwiebeln am Lauch?

Der Sommer-Porree, der in seiner Urform einmal ein Zwiebelgewächs war, besitzt im Gegensatz zum Winter-Porree immer noch die Eigenschaft, kleine Brutzwiebelchen auszubilden. Das ist übrigens eine Wesensart von vielen Zwiebelgewächsen. Sie haben, neben der hauptsächlichen Möglichkeit, sich generativ über Samen zu vermehren, auch die Möglichkeit, Brutzwiebelchen zu bilden. Wenn ihm nun aus irgendeinem Grunde die Vermehrung durch Samen verwehrt ist, dann forciert der Sommer-Porree diese Vermehrungsweise. Das funktioniert folgendermaßen:
Von Natur aus ist der Sommer-Porree ein zweijährige Pflanze. Das heißt, dass er im ersten Jahr aus Samen hervorwächst und sowohl Wurzeln als auch Blätter bildet. Diese sind, im Gegensatz zum sogenannte Winter-Porree zwar nicht besonders winterhart, doch das Gewächs überwintert trotzdem und treibt im Frühjahr neue Blätter und zusätzlich einen Blütenstängel. Wird der Blütentrieb abgeschnitten, kann die Pflanze keine Samenbildung mehr betreiben. Da sie jedoch für ihr Weiterkommen eine Ausweichmöglichkeit besitzt, bildet sie an ihrer Basis Nebenzwiebeln, die sogenannten Brutzwiebeln. Wir bemerken das daran, dass wiederum die Zwiebelchen, in ihrer Vielzahl grasbüschelartig, niedriges Laub ausbilden.
Etwa um den 1. Juli sind die neugebildeten Zwiebeln ausgereift und die Laubbüschel beginnen zu welken. Nun können sie geerntet  werden und in der Küche Verwendung finden. Die größeren von ihnen sind für den Verzehr bestimmt, die kleineren werden zum weiteren Anbau verwendet. Bis September stecken wir sie im Pflanz- und Reihenabstand von zwei Zentimetern auf ein gut vorbereitetes Beet. Da die Zwiebelchen sofort austreiben, bilden sie einen wunderschönen frischen Lauch aus, der als "Herbst-Schnittlauch" in unsere Küche kommt. Nicht zu verwechseln mit Winterschnittlauch, der aus den Laubbüscheln der echten Perlzwiebel gewonnen wird.

Im Frühjahr beginnt dann das Spiel von vorn, nur ist das Wachstum der aus Brutzwiebeln gewonnenenen Pflanzen um einiges schwächer, als die der starkwüchsigen Ursprungsform (Sommer-Porree). Aber sie bilden massenhaft Brutzwiebeln aus, die wie bereits beschrieben wiederum zum Verzehr oder zum Anbau geeignet sind.

Geschmackliche Besonderheiten und Verwendung in der Küche

Eine weitere Transformation sollte auch nicht unerwähnt bleiben und das ist die geschmackliche. Der Ur-Ackerlauch ist eine Zwiebelpflanze, die eine kleine Zwiebel mit leichtem Knoblauchgeschmack ausbildet. Neben der Zucht zum Porree wurde aber seit mehreren tausend Jahren die Auslese in Richtung Knoblauch betrieben, bei welcher die Hauptzwiebel immer größer wurde, und das bis hin zum sogenannten Elefanten-Knoblauch (elephant garlic). Diese Knoblauchzwiebeln besitzen natürlich ihren einen kräftigen Knoblauchgeschmack. Hingegen finden wir bei den Zwiebeln des Perllauchs ein milderes Aroma, welches tatsächlich mehr an das einer Küchenzwiebel erinnert, als an Knoblauch.
Der milde Zwiebelgeschmack war wohl auch ein Hauptgrund dafür, dass der Perllauch vor gut 100/150 Jahren in der Küche als eine Art Geschmacksverstärker Verwendung fand. Damals war in der bürgerlichen Küche das derbe Aroma des Knoblauchs verpönt und so wurden Fleischspeisen und Suppen mit der Perlzwiebel gewürzt. Mit der Erfindung der Fleischextrakte und des Maggi-Würfels (um 1900) geriet dann die Perlzwiebel in jener Verwendungsart mehr und mehr in Vergessenheit oder wurde nur noch las Pickles-Gemüse sauer eingemacht. Letztlich wurden aber auch die Perlzwiebeln für diese Pickles von neueren Züchtungen verdrängt und zwar von kleingezüchteten Küchenzwiebeln, den sogenannten Silberzwiebel-Sorten. Diese lassen sich heutzutage mit industriellen Gartebaumethoden gewinnen, sowie industriell verwerten. Das ist der Grund dafür, warum heute Perllauch und Perlzwiebel im Hausgarten nur noch selten zu finden sind.

Die Bildung von Luftzwiebeln

Am Ende möchte ich noch eine weitere Eigentümlichkeit der Perlzwiebel nennen und das ist die Fähigkeit sogenannte Luftzwiebeln auszubilden. Diese weitere Möglichkeit der Wandlung zu einer weiteren vegetativen Form der Vermehrung kommt nicht allzuoft vor. Ist sie jedoch einmal entstanden, dann kann mit diesen oberirdisch gebieten Brutzwiebelchen (man bezeichnet sie auch als Brutkörper, Brutknospen, Bulbillen) wieder die gleiche "Haarschopfvariante" gezogen werden. Diese Form ähnelt tatsächlich derjenigen der Ägyptischen Zwiebel (Luftzwiebel).
Diese vielen aufgezeigten Metamorphosen des Lauchs – es sind sicher nicht alle – haben mich auch schon bewogen einen eigenen Namen für Allium ampeloprasum zu kreieren und das ist "Wandel-Knoblauch”.

3) Unter diesem grünen Haarschopf bilden sich Luftzwiebeln aus.

Diese Metamorphosen können sich insofern weiter fortsetzen, in dem der Perllauch manchmal eben auch wieder echte Samenstände hervorsprießen lässt, welche dann wiederum die verschiedensten Entwicklungspotionen offen halten.
Übrigens nahmen noch zum Ende des 19. Jahrhundert Wissenschaftler diese Wandlugseigenschaften des Ackerlauchs als Beispiel für die Entstehung neuer Pflanzenarten. Darüber schrieb auch der heute im alternative Gartenbau gut bekannte Chemiker Julius Hensel (1833–1903), der als Erfinder der Gesteinsmehl-Düngung gilt. Die Ausführungen zur Wandlung der Arten finden wir in seiner viel verlegten, lesenswerten Schrift "Das Leben: seine Grundlagen und die Mittel zu seiner Erhaltung", Leipzig 1890, im Kapitel "Ueber Verwandlungen" Seite 13 ff. (Google-Books: https://books.google.de/books?id=SD-uczf0a7oC).

[TJ.8.5] . ©Bildrechte und Text: Thomas Jacob, 23.11.2023 (korrigierte Version vom 8.9.2023)


Literatur und Quellen:
Alle nötigen Quellen finden sich in meiner 22seitigen Quellen-Publikation (PDF):
Jacob, Thomas; "Die Erzeugung der Perlzwiebel. Fachbeiträge der Jahre 1874 bis 1894. Quellenpublikation und Arbeitspapier von Thomas Jacob."; Dohna, 14.11.2023

https://web.archive.org/web/20230508060114/
https://de.wikipedia.org/wiki/Perlzwiebel

https://web.archive.org/web/20230617112340/
https://de.wikipedia.org/wiki/Lauch_(Gattung)

https://web.archive.org/web/20231004001356/
https://de.wikipedia.org/wiki/Lauchgew%C3%A4chse