Ein Gedanke, der mich schon lange fasziniert, ist die Idee der Gartenstadt. Ich will im Speziellen gar nicht so sehr auf die Geschichtsdaten eingehen. Nur so viel: Die Idee der Gartenstadt war ursprünglich ein 1898 entworfenes (viel kopiertes) Wohn- und Lebensmodell des Briten Ebenezer Howard, als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse in den stark gewachsenen Großstädten der westlichen Welt jener Zeit.
Vor allem bildete es aber ein Alternativmodell gegenüber dem spekulativen kapitalistischen Wohnungsmarkt. Wohnen sollte frei von Spekulation und Gewinnstreben sein und als genossenschaftliches Eigentum sowie per Erbpacht zur Verfügung stehen. Es gründeten sich also Baugenossenschaften und schufen besagte Gartenstädte. [T. Jacob 2013]
Gartenstadt – was war sie wirklich?
Die Vorstellung, dass eine Gartenstadt aber allein das grüne Gegenstück zur trost- und baumlosen Mietskasernensiedlung von Wohnungsgenossenschaften darstellte, ist auch nicht ganz korrekt. Die vollständige Idee war, dass das Wohneigentum in diesen alternativen Siedlungen mit Selbstversorgergärten kombiniert werden sollte. Der Hauptgedanke der Gartenstadt war der der Autonomie und Autarkie der einfachen Menschen in ihren Grundbedürfnissen des Wohnens und in eigener Grundversorgung an Nahrung.
Wenn ich hier in der Vergangenheitsform schreibe, mache ich dies, weil unsere Gesellschaft heute den eben beschriebene Ursprungsgedanken aus dem kollektiven Bewusstsein gestrichen hat. Und nicht nur das. Autarkie und Autonomie des modernen Menschen in der modernen Gesellschaft ist nicht gewollt, weder von den Menschen selber, noch von den Profiteuren dieser Mentalität. Das ist die bittere Wahrheit. Wenn du einer von denen bist, der diese alten Werte der Unabhängigkeit durch Selbstversorgung anstrebst, dann gehörst du zu einem minimalen Prozentsatz der Bevölkerung.
Das von Spekulation, Gewinnstreben sowie von Zinsgeschäften und Abgaben freie Wohnen anzustreben, ist dagegen ein völliger Aberwitz, denn wie würdest du folgendes Beispiel bewerten?
Wohnen – wer profitiert davon? Wie preiswert wäre das spekulationsfreie Wohnen?
Beispiel (auf 2013 bezogen): Eine Familie mag sich ein Eigenheim erwerben, das vor einem Jahr gebaut wurde: Kosten nur 220.000€ + 40.000€ fürs Grundstück. Wenn sie das getan hat, dann hat sie beim Kauf, die in der Bauzeit angefallenen Mehrwertsteuern für das Haus logischerweise mit aufzubringen = 35.126 € (Haus netto 184.874 €). Die Familie zahlt dann extra noch eine Grunderwerbssteuer von 3,5 % = 9.100 €* – also, wenn sie Glück hat und in Bayern oder Sachsen wohnt. Woanders liegt die Grunderwerbssteuer schon mal bei 5 %, das sind dann 13.000 € für den Fiskus.
Mal angenommen, die Familie hat für das Land 40.000 € Erspartes und kauft das Haus über ein Darlehen mit 3,5 % Zinsen, dann nimmt sie schon mal anteilig ein Darlehen für die vorhin erwähnte Mehrwertsteuer (ca 35.126 €) mit auf. Sie muss also einen Kredit aufnehmen, um Steuern zu bezahlen. Und dann kassiert irgendwo eine Gruppe von Menschen, ohne eine physische Leistung zu erbringen, deine gesamten Zinszahlung von 7.700 € pro Jahr, für die du arbeiten gehen und wiederum vom versteuerten Lohn an die Bank zahlen musstest.
Ich erinnere nebenher daran, wie viele Steuern jeglicher Art die Familie zahlen musste, für diejenige Arbeitsleistung (z.B. Mineralölsteuer für die Fahrt zur Arbeit) um die Summe an 40.000 € Eigenkapital aufzubringen. Rechne es dir grob selber aus.
Dann kommt noch die Kommune und verlangt ein jährliche Grundsteuer, sage wir von 1.000 €. Das ist moderat. Aber dann rechne ich als "Abgaben zu meinen Wohnkosten" noch die Unterhaltungskosten hinzu: Wasser, Abwasser, Schornsteinfeger, Heizkosten und Heizungswartung. Lass es 300 € pro Monat sein, dann ist der Zinsanteil in diesen Produkten wenigstens 25 % und der Anteil aller Steuern wenigstens auch 25 % (zusammen 1.800 €).
Da ich gerade den Zinsanteil in Produkten (in der Produktionskette) erwähnt habe, so sind sich, nach meinem Wissen, die Wirtschaftswissenschaftler darin einig, dass dieser Zinsanteil wenigstens 25 – 30 % beträgt. Betrachten wir mal nur den Nettopreis des Wohnhauses von 184.874 € und rechnen mit nur 25 % Zinsanteil, dann geht auf dem ersten Blick unbemerkt wieder 46.218€ an Zinsgläubiger.
Grob zusammenaddiert sind das mindestens 100.000 € im ersten Jahr. Und dann sagt man ja umgangssprachlich "wird das Haus 2x an die Bank abbezahlt". Das wären demnach 300.000 € wenn man die eigentlichen Nettokosten für das Haus herausrechnet. Die laufenden, erwähnten jährlichen versteckten Zinsen und Taxierungen von ca. 2.800€ sind da noch Bagatellabgaben. Doch in 30 Jahren summiert dies sich auf 84.000 €.
100.000 € + 300.000 € + 84.000 € = 484.000 € nur Abgaben in 30 Jahren.
Diese ganze Rechnerei ist so absurd, dass sie unrealistisch erscheint. Doch das ist sie nicht. Und solch einen Hauserwerb mit 3,5 % Zinsen würden wir zudem noch als "frei von Spekulation und Ausbeutung" sehen. Mein pessimistischer Ausblick: Momentan bleibt die Idee der Gartenstadt wohl immer noch eine Utopie, obwohl die Menschen schon mal nah dran waren, diese Idee zu verwirklichen.
Bilder und Autor: Thomas Jacob, 1. Juli 2013,
* Wer Grundstück mit Haus kauft, zahlt auf Haus- und Grundstückspreis die Grunderwerbssteuer. Wer nur das Land kauft und später das Haus baut, zahlt nur für das Grundstück seinen Tribut, so meine Recherchen. Der Selbstbau eines Hauses wird also in vielen Fällen fiskalisch billiger sein, als der Kauf von Boden und Immobilie.