Vanitas ist ein lateinisches Wort und heißt übersetzt so viel wie "leerer Schein" oder "Nichtigkeit". Beim Prediger Salomo (in der Bibel) hat das Wort seine ursprüngliche Bedeutung im hebräischen Wort הֶבֶל (häväl) [1], was so viel wie "Windhauch" und im Textzusammenhang sinngemäß "Flüchtiggkeit" bedeutet, beziehungsweise predigt uns der Schreiber des alttestamentlichen Buches Kohelet die entsprechende Philosophie zur Thematik wie folgt: "Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? [...] Eine Generation geht, eine andere kommt. [...] Es gibt nichts Neues unter der Sonne." [2]
Um den Sinn der sogenannten Vanitas-Symbole zu erfassen, muss man tatsächlich einmal das biblische Buch des Kohelet (nach Luther "Prediger Salomo") wenigstens in Stücken gelesen haben. Der Prediger Salomo nimmt in dieser Bibelschrift epikureische Philosophie vorweg und hat bereits skeptische und agnostische Züge.
Das Philosophieren über die Sinnlosigkeit des Lebens, nachdem am Ende ohnehin alles irgendwie dahin ist, lässt Kohelet zum Schluss kommen, dass der Mensch das Leben genießen soll, soweit es ihm möglich ist, da er nicht weiß, was nach dem Tode kommen wird. Genau genommen beschreibt der Prediger eine ganz normale seelische Regung des Menschen, die Angst vor den Tode und vor dem Ungewissen – die, wenn sie ausgesprochen und benannt ist, einen Teil ihrer Düsternis verliert. In diesem Sinne können wir die Bedeutung der Vanitas-Symbolik verstehen, welche im Mittelalter, in der Renaissance und besonders in der Barockzeit verwendet wurden. Heute hat dieses "Mement mori" (Denk an den Tod!) in dieser Intensität kaum noch eine Bedeutung.
Das hier abgebildete Beispiel eines Grabmals, welches auf der einer BuGa-Grabausstellung (2006) vorgestellt wurde (siehe auch Beitragsbild oben), ist eine künstlerische Arbeit speziell für die Bundesgartenschau und im Alltag in vergleichbarer Form wohl selten zu finden. Dabei waren düstere und furchteinflößende Darstellungen von Gerippenmenschen, Totenköpfen, Schlangen und dergleichen auf Grabdenkmälern der Barockzeit absolut nichts außergewöhnliches.
Einzig die Freimaurer haben einige dieser Vanitas-Symbole in ihrem lebendigen Brauchtum bis heute erhalten. Allerdings ist zu bemerken, dass sich die "modernen" Freimaurer, welche 1717 in London ihre erste (nicht mehr am Bau arbeitende operative) Loge gründeten, sich in der Blüte barocker Symbolik befunden und aus dem Zeitgeist etliche Sinnzeichen übernommen, welche man gern als freimaurerisch definiert, die es aber nicht sind. Das typischste Beispiel hierfür ist sicher das Dreieck mit dem Auge, aber auch der typische Totenschädel mit Kerze und Stundenglas in der "dunklen Kammer" gehören dazu. Die Besonderheit der düsteren Vergänglichkeits-Symbolik jener Barockzeit ist unten näher geschildert, doch zunächst soll unser Augenmerk auf die Zeit der römischen Antike gelenkt werden.
Geschichte
Vergänglichkeitsdarstellungen kennt man bereits aus der Antike. In Pompeji (1. Jahrhundert n. Chr.) fanden Archäologen ein wunderschönes Bodenmosaik mit schwarzen und weißen Mosaiksteinen gesetzt, welches frontal einen Knochenmenschen zeigt. Dieser hält in beiden Händen je einen Weinkrug. Die Symbolik ist klar und gemäß dem Leitsatz "Carpe diem" (Genieße den Tag), welchen der römische Dichter Horaz gemäß der epikureischen Philosophie prägte:
Nein, Leukonoe, nicht forsche, denn nicht ist es zu wissen gut, Welch ein Ende für dich, welches für mich unser Geschick bestimmt. Nicht chaldäischem Spruch* horche! Denn viel besser, wir nehmen es, – Wie's trifft, Jupiter mag manchen uns noch gönnen der Winter, mag Den, der eben die Fluth peitscht andes tyrrhenischen Meeres Strand, Uns zum letzten gesetzt haben. Sei klug! Mische dir Wein! Vollbring Weit aussehenden Plan schnell! Es entflieht, während wir reden, flieht Schnell das Leben. Den Tag nutze! verspar wenig dem künftigen. *Weissagende Juden in Rom. [4]
In jeder Zeit war es hier und da auch üblich auf Gelagen bronzene Miniatur-Skelette als Geschenk an die Gäste zu verteilen und sie im Sinne des augenblicklichen Genusses an der Festlichkeit teilzunehmen. [5]
Mittelalter – Totentanz
Im Mittelalter (Beginn des 14. Jahrhunderts) hat sich ein besonderes Kunstmotiv entwickelt, welches man als Totentanz bezeichnet. Es hat sich beinahe zeitgleich mit der ersten großen Pestepedemie in Europa verbreitet. Es sind dies bildliche Darstellungen des Todes, der tanzend als Knochenmensch (meist mit Sense/Sensenmann, auch mehrere tanzende Gerippe) abgebildet ist und einen Zug von Personen hinter sich herführt. In diesem Umzug finden sich Zeitgenossen aus allen Schichten der Gesellschaft vom Bettler, Bauern und Händler bis zum König und Bischof.
Diese Totentänze decken ein anderes Spektrum der Vanitas-Symbolik ab. Es ist die Mahnung, dass im Tode alle Menschen gleich sind und dass sich in diesem Sinne auch im Leben niemand zu sehr über die Mitmenschen erheben sollte, da am Ende die Standesunterschiede auch nur eine Nichtigkeit sind. Das Kunstmotiv hat sich seit dem 14. Jahrhundert durch alle Kunstepochen bis in unserer moderne Zeit hinein erhalten. Eine Motivabwandlung ist "Der Tod und das Mädchen", welches seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Kunstgattungen zu finden ist.
Zum Bild oben: Beispiel eines modernen Totentanzes, welcher in Eppingen (Baden-Württemberg) neben der ehemaligen Katharinenkapelle zu finden ist. Den gemalten Fries, welcher 2002 entstand, schuf Friedbert Andernach (1926-2013), der für einige Jahre in Eppingen lebte.
Renaisancce
Auch nach dem Mittelalter zur Zeit der Renaisancce gab es in Mitteleuopa zwischen den Jahren 1500 und 1600 an die 30 Pestjahre und auch die Hecxenverfolgungen, welche mehr eine Begleiterscheinung der Renaisancce waren und nicht des Mittelalters, legten einen düsteren Schatten auf die Menschen jener Zeit. So verwundert es nicht, dass Symbole, welche an Tod und Sterben erinnern, zu finden sind. Es sind dies recht oft Darstellungen von Knaben im Zusammenspiel mit Totenkopf und Sanduhr. Es kann auch nur ein Totenkopf sein, aber auch die Kombination von Totenkopf und Schlange oder Gerippe und Schlange. Das Relief, was oben abgebildet ist "Frau bei der Betrachtung eines Totenschädels" ist die Zierde an einem Renaisancce-Bürgerhaus in Danzig (Gdańsk). In diesem Motiv sehen wir Eine Frau mit Totenschädel in der Hand (diesen betrachtend), einen Giftpilz und die Paradies-Schlange. Ein typisches Vanita-Symbol ist die verlöschende Kerze, welche man in der Malerei auf entsprechenden Malereinen findet. Eine Variation dieses Kerzen-Motives findet sich im Schloss Cormantin (Frankreich), wo in der Flamme der Kerze eine Fliege verbrennt.
Weitere Motive, wie Gerippe oder Knaben, welche Seifenblasen pusten, komplettieren des Memento mori und gehen fließend in das entsprechende Bildprogramm des Barock ein.
Barock
Den Barock assoziiert man auf die Zeit zwischen 1575 bis 1770 und trotz der augenscheinlich in Kunst und Gärten zu findenden barocken Lebenslust, war diese Zeitperiode immer noch von Pest und Tod heimgesucht. Von 1618 bis 1648 wütete in Deutschland der Dreißigjährige Krieg und brachte Tod und Verderben über die Menschen.
So wird es sicher niemanden verwundern, dass nun in der Kunst, und vor allem in der Sepulkralkunst, die Vanitas-Symbolik noch häufiger zu finden ist, als in den Jahrhunderten zuvor. Auf alten Friedhöfen oder auf Grabmalen in den Kirchen finden sich entsprechende Beispiele zuhauf. Knochenmenschen, durch welche sich Schlangen winden, Knaben mit Totenschädeln, Stundenuhren sind gänginge Motive. In den Vanitas-Stillleben, welche wir vor allem aus den Niederlanden des 17. Jahrhunderts kennen, finden sich zahlreiche Symbole, welche in dem Kontext in dem sie stehen, zu Vergänglichkeitssymbolen werden, wie geschnittene Tulpen, umgekippte Gläser, leere Schneckengehäuse, überreifes Obst, Spiegel und dergleichen. Zu nennen sind auch Bücher und Musikinstrumente, welche in diesem Zusammenhang auf das nutzlose Wissen und eitle Wissenschaften hinweisen, wie auf Künste und den Zeitvertreib.
Die Hauptsymbole
Am Ende möchte sollen die wichtigsten Vanitas-Symbole noch einmal aufgelistet sein. Zum Teil ist deren Thematik auf den verlinkten Seiten weitergeführt.
- Totentanz
- Totenschädel
- Sanduhr
- Knabe mit Totenschädel
- Knochenmann
- Schlange im Zusammenhang mit Knochen, Schädel usw.
- Seifenblasen
- Verlöschende Kerze
Moderne Zeit
Natürlich sind diese Vanitas-Motive auch nach der Barockzeit bis heute Thema der bildenden Künste und im Volksbrauchtum (Gothic-Kultur) geblieben. Die hier vor allem auch die Gartenkultur ein hauptsächlicher Betrachtungsgegenstand ist, so sei an die Gartengestaltung der Romantiker erinnert, in deren Parkanlagen Ruinendarstellungen eine ähnliche Funktion erfüllen. Im Schlosspark Machern (dem Link folgend ausführlich beschrieben), welcher symbolträchtig ausgestattet ist finden sich Ruinenanlagen, wie auch ein "altes Rittergrab", welches als Memento mori aufzufassen ist.
Das Beitragsfoto mit einem Grabmal unserer Tage, eingangs dieser Seite, ist ein Beispiel für die Sepulkralkunst und natürlich bleiben auch die Friedhöfe Plätze, an denen der Vanitas-Gedanke neue Ausdrucksformen finden wird.
Zuletzt sei auch noch an das Japanische Kirschblütenfest (Hanami) erinnert, welches in dem fernöstlichen Land eine hohe Bedeutung hat. Es ist das Fest der vergänglichen Schönheit und hat einen großen Teil an Vanitas-Gedankengut in sich. Wer sich ein Stück dieser japanischen Kultur in seinen Garten holen möchte, der kann sich hier auf diesen Seiten zahlreiche Anregungen dafür holen und auch die Sortenlisten der geeigneten Japanischen Zierkirschen für ein derartiges Projekt.
Erläuterungen und Quellen
- [1] das hebräische Wort הֶבֶל (häväl), was mit "Windhauch" zu übersetzen ist, wurde später in der lateinischen Bibel mit vanitas übersetzt; Martin Luther übersetzte es
- mit Eitel: "Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel."
- [2] Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe© 2016 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart
- [3] Inschrift auf dem Grabmal aus Muschelkalk und Totenkopfmotiv: Mors est quies viatoris finis est omnis laboris (Mors est quies viatoris); Übersetzung: Der Tod ist die Ruhe des Wanderers, (er ist das Ende aller Mühsal). Lateinisches Sprichwort. Bundesgartenschau 2006.
- [4] übersetzt von Dr. Karl georg Neumann, 1845
- [5] https://www.the-romans.co.uk/novel.htm