Um das Wesen und das Gestaltungsprinzip eines chinesischen Gartens zu verstehen, ist es wohl das Vorteilhafteste, wenn du einen solchen Garten direkt besuchst. Dazu brauchst du nicht bis nach China zu reisen, denn hier bei uns gibt es eine ganz Reihe dieser Gärten, die sich durchaus sehen lassen können und zwar in Berlin Marzahn, Bochum, Mannheim, München, Frankfurt am Main und Zürich.
Chinesische Gärten wirken vor allem durch ihre baulichen Elemente wie Pavillons, Brücken, überdachte Wege, Plätze, Mauern, die man in chinesischen Gartenanlagen reichlich vorfindet. Allerdings mag diese Ansicht nicht jeder teilen, denn man hat eher den Eindruck, dass solch eine Anlage durch ihre Natürlichkeit und Romantik nachgebildeter Felsen und Seen wirkt. Beides stimmt. Das Geniale dabei ist, dass all die Nachbildungen der Naturlandschaften so erscheinen, weil diesen eigentlichen Pseudolandschaften (um einen Kontrast zu erzeugen) die Architektur-Elemente als Umrahmung entgegengestellt sind. Man braucht sich nur einmal vorzustellen, wenn man sich in solch einem Garten befindet, wie die Anlage ohne alle Baulichkeiten aussehen würde.
In der Zeit der europäischen Landschaftsgärten des 19. Jahrhundert hat man dies getan. Man hat zuweilen versucht, die chinesischen Gärten zu kopieren und die Natur im kleineren Maßstäbe nachzubilden - mit kläglichem Erfolg. Miniatur-Landschaften wirken immer kitschig. Das hat man auch bald bemerkt und in die Landschaftsgärten Gebäude eingefügt. Wir kennen sicher alle diese Parkanlagen mit Tempeln, Grotten und Teehäusern und selbst mit Pagoden. Aber auch das hat nichts genützt.
Die chinesischen Gärten leben von den Kunstlandschaften. Aber diese werden, wie beim Gemälde, von einem Rahmen architektonischer Gestaltungselemente umgeben. Und das ist das wichtigste Geheimnis und das Gestaltungsprinzip dieser fernöstlichen Gestaltungskunst. Es kommen natürlich noch Feinheiten hinzu, z.B.dass die Uferzonen der Teiche gern schroff mit Fels gestaltet werden und ohne Bewuchs sind. Wir neigen eher dazu, einen Gartenteich naturnah, mit bepflanzter Uferzone, anzulegen usw. Doch im Fall eines chinesischen Gartens ist das natürlich Unsinn. Denn in der Regel sind Teiche in der Größe, wie wir sie im Garten anlegen, niemals Teiche, die so bestand haben würden, denn ein Gewässer bedarf einer Mindestgröße.
Das, was wir im Garten als Teich bezeichnen, sind eigentlich Tümpel. Anders machen es die Chinesen. Ihre Teichanlagen sind ehrlicher und wollen keine exakten Nachbildungen der Natur sein - und am Ende täuschen sie einen Natursee viel exakter vor als unsere vermeintlichen Gartenteiche. Ähnlich verhält sich dies mit den Felslandschaften und mit der Gehölzbepflanzung.Wenn wir unter diesen Gesichtspunkten einen chinesischen Garten betrachten und beim Besuch einmal auf diese Zusammenhänge achten, dann wird uns dies die Anlage schon zum größten Teil erschließen.
Bezeichnungen der Architekturen im Chinesischen Garten
- Ting = Pavillon (Halle),
- Xie = Pavillon oder Haus auf einer Terrasse,
- Lang = Gang (Laubengang),
- Qiao = Brücke,
- Fang = Boot,
- Tang = Halle,
- Lou = mehrgeschossiges Gebäude,
- Ge = hochstehendes, mehrgeschossiges Gebäude.
Literatur & Quellen:
- Yun, Quiao: Alte chinesische Gartenkunst, Leipzig 1986.
- Gothein, Marie-Louise: Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band, Jena 1926.