Klingt im Wind ein Wiegenlied ... es ist ein kurzes Sommergedicht von Theodor Storm, welches die Tage im Monat Juli beschreibt. Entstanden sind die Verse im Jahr 1860 und erschien erstmals 1889 in Storms Werk "Gedichte" im Verlag der Gebrüder Paetel.
∼ Juli. ∼
Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm herniedersieht;
Seine Ähren senkt das Korn;
Rote Beere schwillt am Dorn;
Schwer von Regen ist die Flur -
Junge Frau, was sinnst du nur?
Theodor Storm (1860)
Kurze Interpretation der Dichterverse
Zunächst beschreibt Theodor Storm einen heißen Julitag. Die gesenkten Ähren auf den Kornfeldern sind ein Sinnbild für die Reife der Natur, aber auch der Reife des Lebens - des Lebens, welches auf seine Bestimmung zugeht. Dabei könnte man eigentlich meinen, wenn der Titel es nicht anders festlegen würde, dass der Dichter einen Spätsommer- oder Herbsttag beschreibt. Doch das Jahr ist noch auf seinem Höhepunkt. Es ist noch keine Herbststimmung, obwohl es sicher jedem schon einmal so gegangen ist, dass bei einer Fahrt über Land etwas erschrocken festgestellt wird, dass die Weizenernte schon voll im Gange ist. Diese vermeintlichen spätsommerlichen Bilder leerer Stoppelfelder, lösen nicht selten einen merkwürdigen Stimmungskontrast aus. Ich denke, mit diesen Gefühlen spielt der Dichter.
Natürlich zeigen schon die ersten Worte des kurzen Gedichtes, dass es in dem Reim nicht nur um Natur geht: "Klingt im Wind ein Wiegenlied."
Desgleichen auch die letzte Zeile: "Junge Frau, was sinnst du nur?". Da braucht man gar nicht lange drumherum zu reden. Es geht um die Entscheidung ein Kind zu bekommen. Theodor Storm (1844 – 1852) hatte einige Kinder mit seiner Gefährtin Constanze Esmarch, mit der er seit 1846 verheiratet war. Am 20. Mai 1865 starb sie bei der Geburt ihres siebten Kindes.
Bekannt ist aber auch, dass Storm eine Geliebte hatte und zwar die elf Jahre jüngere Dorothea Jensen, die fast zeitgleich mit der Heirat der Constanze in sein Leben trat. Galten ihr die Verse? Wie dem aus sei, das Sommergedicht ist auch eine Art Liebesgedicht mit leicht erotischen Anklängen.
Ähnlich
Ein ähnliches, aber herbstliches Gedicht von Johannes Schlaf (1862-1941 ebenda), der ein deutscher Dramatiker und Erzähler war und dem deutschen Naturalismus zugehörig gilt, findet sich in meiner poetischen Sammlung. [ZP.GJ.2.13]