In barocken Parkanlagen finden wir recht oft Plastiken, bei denen ein Attribut der jeweiligen in Stein gehauenen Protagonisten die Maske ist. Der Grund hierfür ist, dass in dieser Zeit die Schauspielkunst an Beliebtheit sehr gewann und die Prunkgärten der Adeligen teilweise wie Theaterbühnen angelegt wurden. In diesen Gärten gab es dann für die skulpturale Ausstattung gewisse ungeschriebene Regeln, was die Themen derselben betraf. Neben den vier Jahreszeiten, verschiedener griechischer Mythen war das auch die Schauspielerei, welche die Maske symbolisiert. Auch heute noch ist die stilisierte Darstellung einer lachenden und weinenden Larve quasi das Berufssymbol der Schauspieler und wir finden es als Autoaufkleber, wie auch als Grabmalsymbol auf den Friedhöfen.
Verschiedene Funktionen
Masken (Larven, Schemen) gehören zu den ältesten Ritualgegenständen der Menschheit und man kennt sie wohl in allen Kulturen. Sie sind ein universales Phänomen. Masken haben viele Bedeutungen, die im Detail doch recht unterschiedlich sind: Die erste Bedeutung ist die des Verbergens oder des rituellen Schutzes. Ein weiterer Wert der Maske seit Urzeiten ist der, dass sich der Träger mit der Verdeckung identifiziert, sei dies nun ein Totemtier oder irgend eine andere Person. Gleichzeitig geschieht bei diesem Vorgang eine rituelle Transformation von der einen Wesenheit in diese neue hinein.
Die dritte Möglichkeit der Verwendung ist das Spiel mit der Illusion, so wie eingangs bereits erwähnt, sei es nun im ernsten Sinne die Schauspielerei oder im närrischen Spiel die Verkleidung und Vermummung zum Karnevalsfest oder zu den verschiedensten Volksbräuchen. In ursprünglichen, naturverbunden Kulturen (primitive Kulturen) ist das Tragen von Masken sehr oft mit Tanzriten verbunden und ebenso mit der Kostümierung (Vermummung) der Kultteilnehmer. Merkwürdigerweise finden sich hier nicht nur lückenlose Parallelitäten – zeitlich gesehen – vom rituellen Jagdtanz der Steinzeitmenschen bis zum Maskenball unserer Hochzivilisation. Die Ganze Thematik von Illusion und Transformation (Gott und Person, sowie Mensch und Person) scheint ein kulturelles Menschheitsphänomen zu sein, welches auch die modernste, durch wissenschaftliches Denken geprägte Gesellschaft immer wieder unterminiert. Letzterer Gedanke soll aber keine Wertung sein.
Umwandlung
Sogenannte Transformationsmasken kennen vielerlei ursprüngliche Völker. Der Träger verwandelt sich unter dieser Bedeckung in die Wesenheit, welche die Lave darstellt. Ein schönes Beispiel hierfür sind die abgebildeten recht merkwürdigen Brett- bzw. Schmetterlingsmasken der Bobo (Afrika, Burkina Faso). Interessant dabei ist, dass der Schmetterling selber ein Symbol der Transformation ist.
Ganz anders stellt sich die Situation auf den Aleuten-Inseln dar. Hier bringt der Träger eine grimmigen Totenmaske mit den, an dem Ritual teilnehmenden Stammesgefährten, eine Begegnung mit dem Tod nahe und wandelte ihre ursprüngliche Furcht vor dem Tode um in einem Prozess der Verwandlung. Dieser Gestaltswandel, welcher durch die Vermummung hervorgerufen wird, ist bei den verschiedenen Kulturen äußerst vielfältig. Bei den afrikanischen Stämmen verleihen oftmals die Masken dem Träger eine der Maske innewohnenden Kraft. Tier und Vogelmasken können aber auch die Wiederherstellung der paradiesischen Gemeinschaft mit Tieren und Vögeln darstellen. Transformationsmasken sind das klassische Handwerkszeug der Schamanen, der Wandlungskünsler und von ihnen gibt es die ältesten menschlichen Abbildungen auf steinzeitlichen Felsbildern, welche gut 30.000 Jahre alt sind.
Ritueller Schutz
In ursprünglichen, naturverbunden Kulturen (primitive Kulturen) kann die Maske ein Schutz gegen dunkle Mächte sein, also Dämonen und böse Geister abwehren. Eine vergleichbare Funktion haben auch rituell Schilde, welche beim Tanz zusammen mit der Vermummung benutzt werden. Die Kultmaske kann in diesem Denken schwarze Magie abwehren und wird im Zusammenhang mit den Tanzritualen oder Übergangsritualen gebraucht. Eine anderer Form dieser Abwehr mag auch die Körperbemalung im Allgemeinen und die Gesichtsbemalung im Besonderen sein, wie wir sie bei vielen ursprünglich lebenden indigenen Völkern finden.
Fratzen
In vielen archaischen Bräuchen, wie Initiationsriten, spielt das tragen von grimmigen Vermummungen dazu bei, die Neophyten zu verängstigen. Doch viele der grimmig dreinschauenden Larven haben auch die Aufgabe durch Erschrecken böse Geister fernzuhalten. Das Unheil abwehrendes magisches Schreckbild, kennen wir auch vom griechische Mythos des Medusenhauptes (Gorgonenhaupt), welches Athene als Schreckbild auf ihrem Schild trägt. Bei ihr findet sich (siehe oben) die Verbindung von Maske und Schild. Da die Gorgonenmasken auch Bestandteil des antiken griechischen Theaters sind, schließt sich der Kreis dieses Uhrzeitkultes zugleich im klassischen griechischen Theater.
Doch diese Abwehr-Fratzen (Gorgoneions), die wir als Masken interpretieren können, finden sich überall in den alten Kulturen am Mittelmeer. Es sind Abbildungen und Halbplastiken auf Amuletten, Waffen, Schiffen, Sarkophagen, Gebäuden, Fassaden und dergleichen. Maskenhafte dämonische Fratzengesichter mit dem Zweck Dämonen fernzuhalten finden sich in der Architektur selbst noch an den Kirchenbauten des Mittelalters und als Pendant bei den australischen Aborigines, wo Masken als Teil ihrer Hüttenarchitektur die gleiche Funktion ausüben. Ursprung in allen diesen Ausformungen ist ein archaischer Maskierungskult. Diese Archetypen reichen bis zu den figürlichen Darstellungen von koboldartigen und mit maskenhaft, fratzenartig verzogenen Gesichtern (oft auch die Zunge herausstreckend) an altägyptischen Architekturen – dort als Bes-Gottheit (vermutlich aus dem Sudan stammend) – bei den Griechen sind es die erwähnten Gorgonen, welche bereits die seefahrenden Phönizier kannten und an ihren Schiffen befestigten. Von denen stammen wohl auch unsere modernen Galionsfiguren ab.
Illusion (Theater)
Die Theaterkunst ist in ihrer klassischen Form untrennbar mit der Maske verbunden. Wir kennen die sogenannten Noh-Masken vom japanischen Drama (Noh), bestehend aus einem Zusammenspiel von Wort, Musik und Tanz. Ganz ähnlich verhält es sich in der abendländischen Kultur, wo das Drama als älteste theatdralische Kunstform bei den Dionysien der Griechen vorgetragen wurde. Die klassischen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides haben allesamt ihren Ursprung in diesen Kultfeierlichkeiten. Bei diesen Aufführungen symbolisierte die Maske entweder die todbringende Macht der Gorgonen (siehe oben), welche nicht selten den Protagonisten zu Stein erstarren ließen oder sie verkörpern das tragisch-komische eines Charakters. Bei den Römern wurde die Theaterkunst der Griechen weiterentwickelt und diente neben den öffentlichen Spielen zur Unterhaltung des Volkes. Die Gesichtsmasken wurden im Theater später, vor allem in der Neuzeit, durch das Schminken der Gesichter ersetzt, wobei auch diese Form der Körperbemalung, wie oben bereits erwähnt, archaische Ursprünge aufweist und zusammen mit der Tätowierung zu einer der ältesten Kunstformen der Menschen gehört. Die Theatermaske waren in der Antike begrifflich die "persona", aus der sich später auch der moderne Begriff der Person herleitete. Dieser Merkwürdigkeit ist unten noch einmal besonders Rechnung getragen.
Wortherkunft: Maske, Larve, Scheme
Maske, Larve, Maske, Scheme und Persona (Person) sind vier Begrifflichkeiten, welche auf verschiedene Weise das auf dieser Seite thematisierte Kulturgut bezeichnen. Das Wort Maske stammt aus dem Arabischen mas-chara (sinngemäß Scherz-Maske, Maskerade). Es wurde in Italien übernommen und kam erst im 16. Jahrhundert über die Alpen in den bairischen und schwäbisch-alemannischen Sprachraum und von dort in die deutsche Umgangssprache. Älter ist das Wort Larve. Wir finden es im mittelhochdeutschen, aber auch in etlichen der angrenzenden Sprachen. Das Wort ist dem klösterlichen Latein entlehnt (larva), welches die Linguisten über abgewandelte Wörter mit Gespenst oder Geist übersetzten.
Älter und ortsungebundener ist die Scheme, also die Larve, wie sie mancherorts noch in Österreich oder der Deutschschweiz eine hölzerne Maske benennt. In der althochdeutschen Sprache heißt sie scema und ist wortverwandt mit dem Begriff für Schatten (scheme, schim, schime = Schatten, Schattenbild). Hier schließt sie die geistige Verwandtschaft zu den schemenhaften Geistern und zur lateinischen Larve.
Persona und Person
Die persona ist die antike Theatermaske, wobei der Begriff aus dem Lateinischen stammt und seinen Ursprung vermutlich in der etruskischen Kultur und Sprache hat. [3] Der römische Begriff persona hatte jedoch zweierlei Bedeutungen. Die erste war die schauspielerische Rolle, die gespielt wird – die zweite steht für das vor Augen stehende dargestellte Wesen im Theater. Das lateinische personare übersetzen wir mit "hindurchtönen" (durch die Maske) und ist unterlegt mit der zuerst genannten schauspielerischen Rolle. Das später im Mittelhochdeutsch übernommene "Persone" betitelte im 13. Jahrhundert auf naive Weise die zweitgenannte Variante. Neben diesen profanen Begriff (Person) der sich in der deutschen Umgangssprache herausgebildet hat, gibt es aber auch noch eine zweite begriffliche Linie, welche religions-philosophischer, philosophischer und juristischer Natur ist.
Das Aufleben als philosophisches Termini erfuhr die persona (Theatermaske) in den theologischen Streitereien der entstehenden römischen Kirche um das Wesen Gottes. Der christliche Gott war ein Eingottglaube, doch offenbarte sich das göttliche Wesen in den heiligen Schriften offensichtlich sehr verschieden als Gott-Vater, oder Sohn (Jesus) oder Heiliger Geist. Um dies zu erklären griffen die frühkirchlichen Theologen auch zum Bild der persona. Zum Beispiel entwickelte Tertullian (er lebte ca. von 150 bis 220) eine Metapher in der Gestalt, dass sich der eine Gott den Menschen gegenüber substantiell in drei Personen offenbarte, also "hindurchtönend" durch jene allegorische Schauspieler-Maske und zwar in jeweiliger Rolle auffächert und zwar als Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist. Dabei kam dem Theologen wohl auch zugute, dass der umgangssprachliche Begriff der Person zweideutig war und damit verschiedene theologische Strömungen mitnehmen konnte je nachdem wie sie den Begriff persona auslegten. Solch ein theologisches Gedankenexperiment mag damals gewagt gewesen sein, da in der frühen Kirche viele Christen das Theater als heidnisches Unterhaltungs-Spektakel ablehnten, doch es gab noch eine andere sprachliche Assoziation. Damals kannten die römischen Rechtsgelehrten den juristischen Begriff der persona, zunächst im Sinne des Rollenspielers aus dem Theater (siehe oben), und dann in diesem Sinne, in weiterer Verquickung im juristischen Gedankengebäude. Die persona bezeichnete einen Menschen (homo) innerhalb der römischen Rechtsordnung unabhängig von seinem Status (Freiheisstatus). Werden theologische Spekulation nun noch von solchen juristischen Begriffsideen her ausgeweitet, so konnte Tertullian mit seinem Dreifaltigkeitsbegriff von drei göttlichen Personen ein sehr weites Spektrum von Glaubensauffassungen abdecken und einen großen Teil der theologischen Streitereien jener Zeit deckeln.
Mit diesem Ausflug in die antike Welt und der bildsprachlichen Wirkung der Theatermaske werfen wir noch eine Blick in die Jetztzeit und begeben uns in die juristischen Termini. Von der klassischen Zeit der Römer her, über kleinere Wandlungen im Mittelalter, lesen wir heute noch vom Wesen einer sogenannten natürlichen Person: "Eine natürliche Person ist der Mensch in seiner Rolle als Rechtssubjekt, d.h. als Träger von Rechten und Pflichten." (wikipedia 6/18) Und da ist sie wieder, die Theatermaske und die Schauspielerrolle – archaische Bilder in modernster juristischer Denkungsart. Dazu gibt es heutigentags neben den sogenannten natürlichen, noch zahlreiche "juristische Personen" auf der Bühne des Welttheaters. Haben wir es hier mit juristischer Gelehrsamkeit zu tun oder ist das auch nur eine Spielart einer primitiven Kultur, deren Protagonisten geschnitzte hölzerne Larven tragen, sich mit Perücken und Talaren verkleiden – und auf den Brettern, die die Welt bedeuten – erscheinen?
Allegorie und Symbol für die Wahrheit
Seit der Zeit der Renaissance bis in das 19. Jahrhundert hinein ist die Larve im Zusammenhang mit der Demaskierung ein beliebtes Kunstmotiv geworden. Doch wird sie auch seit dem frühen 17. Jahrhundert im positiven Sinne eine Allegorie für die künstlerische Imitation und Simulation und besonders für bildtäuschende Kraft der Malerei. Auch die Philosophen griffen gern auf das Bild der Maske zurück. So vertrat Heidecker entsprechend dem Masken-Modell die Auffassung, dass die Wahrheit in der Grundsituation für den Menschen immer erst verdeckt und zweischichtig ist. Erst durch die Wegnahme dieser Maskierung kommt die Wahrheit zu Vorschein. So muss die Wahrheit (Aleteia) "dem Seieenden immer erst abgerungen werden. Das Seiende wird der Verborgenheit entrissen." [4]
Zuletzt hat sich heute auch noch die Psychologie der Persona als Terminus bemächtigt. So nutzt der Mensch Theatermasken und spielt durch die Gesellschaft implementiert, die eine oder andere Rolle. Und sein Ich-Bewußtsein fächert sich in diesen Rollen und Masken auf.
Quellen/Literatur
[1] Plastik im Barockgarten Heidenau-Großsedlitz
[2] Das Bildmaterial der Holzschnitzkunst stammt aus dem Daetz-Zentrum Lichtenstein, dem Kompetenz- und Bildungszentrum für internationale Holzbildhauerkunst.
[3] Eine weitere Wortherleitung von Persona ist die vom etruskischen "Phersu". Dies sind Wandmalereien zweier etruskischer Gräber und bezeichnen dort abgebildete Maskierte Menschen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Phers)
[4] Heidecker, Martin; Sein und Zeit; Tübingen 1977, S. 222.
Petrat, Nils; Wer gehört wirklich zur katholischen Kirche?: Kirchenzugehörigkeit zwischen Kanonistik und Dogmatik; Paterborn 2018
Weihe, Richard; Die Paradoxie der Maske: Geschichte einer Form; München 2004