griechisches KreuzDie Symbolik auf einem Grabstein mit geschlagenen Starhelnstrukturen auf der Steinoberfläche
Die Symbolik auf einem Grabstein mit geschlagenen Starhelnstrukturen auf der Steinoberfläche

Das Kreuz aus waagerechtem und senkrechter Linie gezogen, ist in seiner Ursprünglichkeit ein universelles positives Symbol: Horizontale und Vertikale Linie schneiden sich und ergeben einen Schnittpunkt. In dieser Form ist es ein einfaches Ornament, dem man aber auch einen geistigen Hintergrund zuordnen kann. Die vertikale Linie ist die himmlisch-göttliche, auch als spirituelle und aktiv-männliche gesehen, während die horizontale die erdgebundene und passiv-weibliche ist. Das Kreuz ist in diesem Sinne ein Symbol der Vereinigung – von Himmel und Erde, männlich und weiblich, oder anderen dualistischen Gegensatzpaaren.

Die Urformen

Die Sinndeutung des Kreuzes hat im Laufe der menschlichen Kultur ganz sicher mehrere Wandlungen vollzogen. Das Zeichen kennt man bereits von Ritzzeichnungen der Steinzeitmenschen zum Beispiel auf Knochen, wo es im Zusammenhang mit einfachen Kerben primitive Ziffern verkörpert. Einfache Kerben stehen für die Eins und die Kreuzkerbe war wohl bereits eine abstrakte Darstellung der Zahl Vier.

Kreuz Bronze gute ProportionenLateinisches Kreuz in guten Proportionen der Balken (Erklärung siehe unten)

Das Kreuz und die 4 verband man sicher kulturgeschichtlich schon bald mit Vierergruppen, wie die 4 Jahreszeiten, oder die 4 Himmelsrichtungen. Tatsächlich hat man durch die Auswertung von steinzeitlichen Felszeichnungen zwei "Traditionen" unterscheiden können: Die erste Gruppe zeichnete Tiere der Luft (Vögel), des Festlandes (Landtiere) und der "Unterwelt" (Fische, Schlangen) meist in Gruppen von 3 oder dem Vielfachen von Drei. Die andere Tradition hatte die 4 zur Grundlage und beschränkte sich auf das Zeichnen von Landtieren der Ebene. Man kann nun davon ausgehen, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Weltansichten zu tun haben. Die eine Tradition sieht ein vertikales 3-geteiltes Weltbild: Himmel – Erde – Unterwelt (Vögel – Landtiere – Schlangen) und die andere Gruppe legt das Gewicht auf eine horizontale Weltschau: Tiere der Ebene – und Zahl 4. Damit wurde die Vier und ihre symbolische Darstellung als Kreuz ähnlich dem Quadrat zu einem Weltsymbol.

alte Siegel in Kreuzform GlyptikTonsiegel zum Teil ornamental, 6. und Anfang 4. Jahrtausend v. Chr. vorderer Orient [3]

Doch das Kreuz bietet mehr Interpretationsmöglichkeiten, als das Quadrat, denn einerseits ist das Kreuz ein Weltsymbol (die vier Enden der Welt) – andererseits ist es ein "Schnittpunkt" – also ein Zentrum: Einheit der unendlichen Ausdehnung der Himmelsrichtungen. Die Zahlensymbolik der 4 weist in diese Richtung, welche die Entfaltung der göttlichen Einheit (Schnittpunkt) darstellt, indem sich aus der körperlosen 1 die 4 als sichtbare Wesenheit entfaltet.

Radkreuz

Mit der Beschäftigung mit den 4 Himmelsrichtungen, also mit dem Lauf und Stand der Sonne kam es in der Folge zu einer Verbindung des gleichschenkligen Kreuzes mit der Sonnenscheibe: also mit dem Kreis. Der Kreis in der Verbindung mit den beiden gekreuzten Balken überwindet die statischen vier Weltenden und wird so zum Weltenkreis. Bei den Indianern Nordamerikas finden wir das Radkreuz als heiliges Medizinrad.

Radkreuz und Tatzenkreuz nordamerikanische IndianerRadkreuz und Tatzenkreuz (unten) als Felsmalerei nordamerikanischer Indianer [3]

Der Aspekt des Kreises hat aber noch eine andere Seite. Durch die Verbindung mit dem Kreuz hat dieses seinen horizontalen Bezug zu den weiten Ebenen der unsteten Hirtenvölker verloren und wurde in vielen sesshaften Kulturen zum Sonnensymbol. Der Kreis/Halbkreis, der sich durch den Auf- und Untergang der Sonne abbildet, gibt der horizontalen Weltsicht nun den vertikalen Aspekt hinzu. Dieser kann die jenseitige Welt und das geistige Prinzip hinter der Materie versinnbildlichen. Aus Kreuz und Kreis entstand das "Sonnenrad" und durch die weitere Abstrahierung des Rades die verschiedensten Formen der Swastika (Hakenkreuze). Diese und auch die Rad- und Weihekreuze der Kirchenbauten sind bekanntermaßen Glückssymbole und Segenszeichen und zu dieser Thematik erfahren wir im folgenden Kapitel mehr.

Christentum

Heute ist das lateinische Kreuz eines der Hauptsymbole des Christentums, doch das war nicht immer so. Das Kreuz als Hinrichtungspfahl der Römer wurde im Zusammenhang mit Jesus als Kreuzigungszene erst im 4. Jahrhundert abgebildet. Aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. kennt man lediglich ein geritztes römisches Spottbild. Mehr dazu ist auf der Themenseite "christliche Symbole" zu finden. Allerdings hat sich in der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche (koptische Christen) eine dekorative Kreuzform etabliert, welche in vielfältigen stilistischen Formen aus der Tradition der oben beschrieben Welt-Symbolik entstammt und ist zunächst ein Zeichen der vier Weltgegenden oder der vier Enden der Erde darstellt. Diese Kreuzform gilt als Segenszeichen und hat vielleicht sogar eine archetypische Verbindung zum Tau-Kreuz als ein Segnungssymbol, womit ein Tendenz sichtbar wird, dass die hier behandelte Symbolik (auch die Swastika) Heil und Segen ausdrückte. Interessant ist die Tatsache, dass wir in romanischen und gotischen Kichengebäuden das Radkreuz (Kreis und Tatzenkreuz) häufig als Weihezeichen an den Wänden finden. Allerdings besteht bei diesen in der Regel ein kleiner Unterschied zu echten Radkreuzen, wie sie beispielsweise oben in den indianischen Felsbildern zu sehen sind. Bei dem Weihezeichen der Kirchen sind die Balken ist das Tatzenkreuz nicht mit dem Rad verbunden. Trotzdem können wir sagen, dass sich diese alte Segens- und Weihesymbolik bis hier hin über hunderte von Menschengenerationen fortgepflanzt. Diese, einen Ort weihenden Billdzeichen, sind aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie etwa wie das Pentagramm Böses und böse Geister abwehren sollen – die Rad- und Weihekreuze sollen das Gute und Göttliche anziehen.

Weihekreuz Tatzenkreuz Marienkirche GreifswaldZum christlichen (lateinischen) Kreuz [1], ohne oder mit Christusdarstellung (dann Kruzifix) ist festzustellen, dass die Darstellung des alten römischen Marterholzes die theologische Lehre versinnbildlicht, dass Jesus von Nazareth, der an einem solchen Holz starb am dritten Tage nach seiner Hinrichtung von den Toten Auferstand und seinen Körper in seine göttliche Natur verwandelte, dies als Opfer für die Menschen tat. Diese Symbolik hat mit der universellen Kreuz-Symbolik nur indirekt eine Verbindung und zwar, als dass dieses Opfer den Menschen Heil und Segen verspricht. Durchaus erwähnenswert ist, dass auch das älteste christliche Symbol, das Christusmonogramm (X und P in Ligatur) im Wesen ein altes umgedeutetes Heilszeichen ist und nur sehr entfernt entfernt ein Marterholz andeutet. In machen Ausführungen ähnelt es sogar einem altägyptischen Henkelkreuz (Anch-Symbol, Nilschlüssel) welches das Weiterleben des Menschen in der Totenwelt versinnbildlicht. All diese Zeichen sind also Positivsymbole und in diesem Sinne mögen sie bis heute auch als Grabzeichen Eingang gefunden haben:

Grabmalsymbol und Grabkreuz

Christliche Kreuze, wie auch die alte universale Symbolik finden sich und eignen für die Gestaltung individueller Grabmäler. Der oben im Text gegebene Hintergrund und Sinn dieser alten Bildsprache, lässt uns ein Grabmal in ganz neuem Lichte erscheinen. In dieser Betrachtungsweise ist es ein Denkmal und positives Segenszeichen zugleich. Es ist wiederum eine Merkwürdigkeit und Tatsache zugleich, dass die ältesten Grabsteine in Europa die Irischen- bzw. Keltenkreuze sind und sie sind ganz sicher derartige Segenszeichen gewesen. Bei diesen Steht der Kreis im Kreuz als Zeichen für Sonne, Licht und Geistfunken im Menschenherzen. Tatsächlich hat solch ein nordischer Friedhof, gefüllt mit diesen Keltenkreuzen nie diesen düsteren Charakter, wie ein solcher mit den bei uns üblichen lateinischen Kreuzesdarstellungen. Solche optischen Aspekte sollten wir bei der Wahl eines Grabdenkmals durchaus mit in Betracht ziehen.

Die Proportionen beachten!

Jugendstilaltar Spiralen und KruzifixDa am Ende dieses Beitrages die Optik angerissen wurde, so sei es dem Autor gestattet, etwas zu den Proportionen dieses Zeichens zu schreiben. Ein Fehler in den Proportionen der Darstellungen wird immer wieder gemacht, indem die drei oberen Kreuzbalken in gleicher Länge abgesbildet werden. Das ist jedoch aus künstlerischer Sicht ein Fehler. Horizontale Linien und vertikale Linien besitzen jeweils eine unterschiedliche optische Gewichtung, was auch in der Gartengestaltung beachtung finden muss. Horizontale Linien wirken länger, als vertikale Linien mit gleichem Maß. In Bezug auf ein plastisches oder abgebildetes Kreuz, hat man bei falscher Umsetzung den Eindruck, dass der obere Kreuzbalken etwas länger ist, wie die beiden Enden des Querbalken. Aus diesem Grunde haben die alten Künstler immer den oberen Balkenabschnitt aus rein optischen Gründen leicht eingekürzt. Im Bild des Jugendstilaltars mit Kruzifix ist das gut zu erkennen. Der geniale Künstler vermochte es hier, das Kruzifix mit dem Dekor aus goldenen, aus Mosaiksteinchen gelegten Spiralmotiven optisch so darzustellen, dass dessen Düsternis für das Auge zum Hoffnungszeichen für das Herz wird.


Hinweise/Quellen:

  • [1] Das griechische Kreuz ist die Form Kreuz mit den gleichschenkligen Balken, daneben steht in der christlichen Tradition das bekannte lateinische Kreuz. Bei diesem steht der Querbalken im goldenen Schnitt des senkrechten Balkens.
  • [2] Bildquelle: Brentjes, Buchard; Alte Siegelkunst des vorderen Orients; Leipzig 1983 – erste Graphik Tonstempel aus Çatalhöyük 6. Jaht. v.Chr. (Jungsteinzeit); zweite bis vierte Stempelabbildung aus Susa, Stempel aus Kupfer/Stein Anfang 4. Jaht. v. Chr.
  • [3] Bildquelle: Tokarew, S.A.; Die Religion in der Geschichte der Völker; Berlin 1987 – Felszeichnungen der indigenen Stämme in Südkalifornien.