Ouroboros klassizistisches GrabmalKlassizistisches Grabmal mit markanter Symbolik
Klassizistisches Grabmal mit markanter Symbolik

Auf alten Friedhöfen, wo wir noch die schönen symbolisierten Grabsteine aus der Zeit des Barock, der Romantik und des Klassizismus finden, kommt es nicht selten vor, dass wir eine merkwürdige Schlangendarstellung auf diesen Grabmalen finden. Eines dieser Bildhauerarbeiten ist der sogenannte Urobosos oder Ouroboros. Es ist dies eine Schlange, welche sich in den Schwanz beißt. Der der Autor hat die vorliegende, schöne Aufnahme auf dem historischen Kirchhof in Görlitz [1] gemacht, einem Platz, an dem übrigens auch der Mystiker und Rosenkreuzer Jakob Böhme begraben liegt. Es steht nun aber die Frage im Raum, was die Bedeutung dieser sehr speziellen Schlangensymbolik ist. Dieser Thematik wollen wir hier nachgehen.

Der Urobosos, meist in Kreisform stilisiert, gehört zur Symbolik der Schlange, welche der Autor im allgemeinen hier beschrieben hat. Wenden wir uns nun, dieser sich selber in den Schwanz beißenden Schlange, im besonderen zu, so scheint es eine leicht erklärbare Deutung zu geben.

Nikolaifriedhof GörlitzHistorischer Kirchhof in Görlitz an der Nikolaikirche

Die Grabmalsymbolik der Romantik geht im wesentlichen auf die Symbolsprache der römischen und griechischen Antike zurück. Das war damals moderne, wie auch die Philosophie der klassischen Antike.

Bedeutung bei den Griechen

Bereits bei den philosophisch interessierten Griechen kannte man den Οὐροβόρος, den "Schwanzverzehrenden", den Selbstverzehrer, was sinngemäß der Begriff Ouroboros bedeutet. In Verbindung mit der Kreissymbolik haben wir eine klare Bildsprache vor uns, welche Zyklen und Kreisläufe bezeichnet. Als Kreis dargestellt, weisen diese Zyklen aber auch auf die Einheit dieses mikro- und makrokosmischen Systems hin.

Ouroboros und PalmzweigeOuroboros mit Palm- und Akazienzweig, Görlitz

Die Natter bildet einen Ring und damit auch Zeichen für die scheinbar endlos laufende Zeit. Sie ist quasi die primitive Darstellung eines Teiles der Raum-Zeit-Dimension, also der Darstellung der Zeitdimension der Materiewelt. Die modernen kosmischen Weltbilder werden ebenso interpretiert. Es sind sphärische oder gesellschaftliche Zyklen, welche immer wiederkehren und in ihrem Anfang bereits das Ende in sich angelegt haben – sich also selbst verzehren. Zu diesem Aspekt gibt es eine hochinteressante Parallele zur Zeitsymbolik und zur Mythologie um Chronos, den Gott der Zeit und die sehr ähnliche römische Gottheit Saturn, welche für das sagenhafte Goldene Zeitalter (Saturnia regna) steht. Saturn steht aber auch für denjenigen, der nach dem entsprechenden Mythos seine eigenen Kinder frisst, also auch in gewisser Art selbst-verzehrend ist.

Ouroboros liegendes GrabmalDas Symbol umschließt die Inschrift, liegendes Grabmal, Görlitz

Die sich in den Schwanz beißende Schlange, der Ouroboros, ist also eine Metapher für stetige zeitliche Kreisläufe, deren Anfang bereits das Ende bedingt. Letztlich ist jeder Naturkreislauf so zu beobachten. Aus dem Weizenkorn wächst ein Halm, dann ein Ähre, reift aus, stirbt und der Zyklus beginnt von vorn – in der Natur, Pflanzen und Tierwelt bereits seit Millionen von Jahren. In diesem Sinne ist auch die Grabmalsymbolik zu verstehen.

Ägypten, Babylon und Normannen

Der kreisförmige Ouroboros als ältestes bekanntes Symbol findet sich auf einem Schrein, der zur Grabausstattung des Tutanchamun (Pharao von 1332 bis 1323 v. Chr.) gehört. In dem besagten Abbild ist die Schlange in einer leichten Wellenform dargestellt, was uns zu einer weitergehenden Deutung führt. Diese Wellenform erinnert an die zerstörende Macht des Wassers, bzw. an das mythische Urmeer (Chaos) alter Menschheitsmythen.

Oroboros Ägypten

Dieses Urmeer verkörpert ursprünglich das Symbol des Urobosos, also die Urgewässer, welche den Erdkreis umschließen. In dieser Eigenschaft ist die Schlange, welche woanders auch als geflügelte Schlange, Drache oder ähnliche Ungetüm mythologisch dargestellt wird, ein Archetyp, also ein Ursymbol der Menschheit. In der nordischen Mythologie ist dies die weltumspannende Midgardschlange. Bei den Babyloniern ist es die Göttin Tiamat (gehörnte Schlange), um drei Beispiele hierfür zu nennen. Dieses Fabelwesen steht immer für die Materie, Erde und Unterwelt. Die Verbindung der Schlangen mit diesem mythischen Urmeer und Urwesen ist der Tatsache geschuldet, dass man die Schlangen kriechend auf und in der Erde, aber auch schwimmend im Wasser findet. Diese Geschöpfe sind durch ihre fehlenden Gliedmaßen an diesen Lebensraum gefesselt. Einzig der Versuch dieser Reptilien, sich an Bäumen und an den Ästen des Gesträuches in eine andere Lebenssphäre und -dimension zu bewegen ist eine Metapher für sich und derart Bildgewaltig, dass der in anderen Zusammenhängen erwähnte Äskulap- und Hermesstab, sowie auch die weiter unten beschrieben Eherne Schlange nur diesen Teilaspekt der Schlangensymbolik herausgreift und uns vor Augen Stellt, was der Mensch ist. Dieser Teilaspekt stellt das Streben des sterblichen Menschen zu geistigen Dimensionen, so wie es auch das lateinische "per aspera ad astra, wörtlich" weist – "vom Staub zu den Sternen". [TJ.9.10] Zählpixel I


[1] Es ist dies in Görlitz, der an der Großen Wallstraße gelegene städtische Nikolaifkirchhof direkt an der Nikolaikirche