Als der legendäre König Salomo vor 3000 Jahren von Hiram Zedern- und Zypressenholz für seinen Tempelbau aus dem Libanon anforderte, war das zur Zeit der Antike schon das Ende einer vom Menschen gemachten ökologischen Katastrophe, die bereits in der vorderasiatischen Bronzezeit ihren Anfang genommen hatte. Schon damals holzte man im Mittelmeerraum für Bau- und Brennholz und für den Schiffsbau bewaldete Gebirgszüge großflächig ab.
Die Beweidung mit Schaf- und Rinderherden tat das Übrige. Eine regelrechte Überweidung lies kein neues Baumwachstum zu, Schößlinge und junges Holz wurden von den Herden über hunderte von Jahren vernichtet. So es entstanden lichte, hainartige Wälder aus übriggebliebenen, uralten Bäumen.
In den steinernen Tempelbauten der Bewohner dieser Landstriche, besonders aber in den Tempelbauten der Griechen und Ägypter finden sich anfangs noch Holzbautechniken, die von den Steinmetzen auf den Steinbau übertragen wurden. Das waren besonders die Säulenhallen. Doch nicht nur die Technik, sondern auch die Philosophie des Holzes hatte man beibehalten. Doch es war nicht die Form des einzelne Baumes, der die Architektur beeinflusste. Die Säulentempel waren im eigentlichen Sinn zu Stein gewordene heilige Haine.
Im 1. Buch der Könige (Bibel), Kapitel 7 ist der Bau des Libanon-Waldhauses beschrieben, das König Salomo parallel zum Tempelbau errichten ließ:
An seinen Königshäusern baute Salomo dreizehn Jahre, bis er sie ganz vollendet hatte. So baute er das Libanon-Waldhaus, hundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch. Auf drei Reihen von Zedernsäulen legte er eine Decke von Zedernbalken und deckte auch mit Zedernholz die Gemächer über den Säulen; und es waren fünfundvierzig Säulen, je fünfzehn in einer Reihe. Und Gebälk lag in drei Reihen, und Fenster waren einander gegenüber dreimal. Und alle Türen und Fenster waren viereckig.
1. Buch der Könige, Kapitel 7
Der Text beschreibt weiter den Bau der Paläste. Gleichzeitig baute man schon mit Stein, der das Holz ersetzte. Wobei die Säulen zum Teil noch hölzerne Stämme waren, also ein Stück gebauter Hain, ein Stück gebauter Libanon-Wald.
Auch die ägyptischen Tempelhallen glichen einem heiligen Hain. Ihre Decken zeigten das Blaue des Himmels, Sterne und schwebende Geier. Ihre Säulen waren meist als Pflanzen geformt, als Papyrus, Lotos oder Palme. Es gabt einfache und gebündelte Säulen. Sie standen auf einer niedrigen Basis, hatten vielfach einen starken eingezogenen, von Deckblättern umhüllten Fuß und zum Teil einen ausgebauchten Schaft. Den Säulenkopf bildeten geöffnete Blüten oder Knospen, Dolden oder eine Reihe von Palmblättern. Im Säulensaal von Karnak, wo heute noch Reste dieser einst prächtigen Bauten zu finden sind, tragen 16 Reihen von mächtigen Säulen das Dach. Sie lassen nur wenig Raum zwischen sich. Alle sind reich mit bunten Reliefs und Hieroglyphen geschmückt. Die zwei mittleren Reihen sind 21 m, die übrigen 13 m hoch. Die 3 erhöhten Mittelschiffe erhalten durch Gitterfenster gedämpftes Licht. In diesen Räumen kamen sich die Menschen wohl zwergenhaft klein vor. Ein Maximum an Aufwand aber auch ein Maximum an Eindruck.
Die Griechen führten diese Bauweise in ihren wesentlich einfacheren Tempeln auf ein anderes Maß zurück. Ein Optimum an Nutzbringung und ein Optimum an Schönheit. Wo mögen sie ihre Anregungen für dieses Denken gefunden haben? Interessant ist, das den Griechen eine entwickelte Gartenkunst fremd war (anders in Rom!). Ihre Tempel und Paläste bauten sie frei in die Landschaft.
Auch der oben schon erwähnte König Salomo besaß keine besonderen Gartenanlagen. In der Lichtung des Libanonwaldes, in die er sein Wohnhaus bauen ließ, hätte sich ein Garten gegen den uralten Zedernwald wohl erbärmlich ausgenommen. Ähnlich finden wir es bei den Hellenen. Sie brauchten keine Kunst- und Ziergärten, denn sie besaßen diese schon. Ich meine damit ihre Obstplantagen. Und von den vielen Obstarten pflanzten sie auch den edelsten und nutzbringendsten Baum, den Ölbaum. Karl Foerster beschrieb ihn mit folgenden Worten:
Welch merkwürdige Mischung von morbidem Stammwerk mit tropisch kraftvollem Silberlaubgeäst ist doch der Ölbaum. Er weckt keine Liebe auf den ersten Blick, aber lerne ihn erst mal vierzehn Tage kennen! Nie ist er schöner als im Mondlicht. Er ist ein wahrer Mondscheinbaum. Auf Wind und Regen antwortet er mit Silberschauern...
Vielleicht hat man mit der Schönheit eines uralten Ölbaumhaines im Irdischen eine Grenze erkannt eine durch höchsten Nutzen und Zeitlosigkeit gesteigerte Schönheit. (Beispiel: Streuobstwiesen)
Äquivalent sehe ich in der antiken Architektur mit ihrem Maßhalten im Gegensatz zur ägyptischen Architektur eine Grenze, wo Schönheit und Nützlichkeit gleichgewichtig ineinanderwirken. Dieses Maßhalten in der Architektur der Griechen und später auch in der der Römer sehe ich persönlich den bedeutungsvollsten Aspekt dieser alten Baukunst aus Stein.