Stabtomaten werden heute in der Regel mit einem Trieb gezogen, den man an einem etwa 1,2 Meter hohen, fest eingesteckten Stab anbindet. Bei dieser Art der Kultur werden alle sich bildende Seitentriebe ausgschnitten. Diese Anbaumethode ist aber nur ein von mehreren Möglichkeiten, denn schon immer hat man die Tomaten auch mit zwei oder drei Trieben gezogen, besonders dort, wo die Kultur in Form eins Spaliers erfolgen konnte. Diese Form war ursprünglich in den Hausgärten die vorgezogene Art der Kultivierung, da man diese Paradeiser, oder Liebesäpfel, wie man sie auch nannte, auch als Ziergemüse gesehen wurde. Befindet sich solche ein Spalier an einer Südwand, dann hat diese Lage natürlich auch noch den Vorteil, dass dort die Pflanzen während Regenperioden trocken bleiben und nicht so schnell die gefürchtete Kraut- und Braunfäule erleiden, wie auf dem offen gelegenen Beet.
Warum mehrtriebig ziehen?
Tomatenpflanzen sind von Natur aus mehrtriebig und buschig wachsende Pflanzen und so gibt es auch ein breites Sortenspektrum an sogenannten Buschtomaten. Einige dieser Formen bilden recht stabile, bis 1,2 Meter hohe und breite Büsche aus. Diese stehen den wilden Formen recht nahe. Viele der großfrüchtigen und ertragreichen Edelsorten wachsen mehr in Bodennähe, aber auch buschartig. Letztere kultiviert man auf einem flachen Erddamm, den die Pflanzen dann überspinnen. Letztere Sorten sind in der Regel die, welche im größeren Maßstabe in südlichen Ländern landwirtschaftlich auf Feldern angebaut werden.
In Gewächshäusern, in kleineren Gartenbaubetrieben und im Kleingarten werden die sogenannten Stabtomaten meist aus Platzgründen an Stäben oder Schnüren gezogen. Auch dort, wo das Klima für den Tomatenanbau eigentlich schon zu kühl und zu nass ist, bringen die Pflanzen an Stäben oder Spalieren noch recht gute Erträge.
Nun könnte man zwar ohne weiteres eine Tomate, die an einem Stab gepflanzt ist, zweitriebig ziehen, und wir könnten diese Triebe an dem einen Stab befestigen, doch dann steht dort das Laub zu dicht. Die zu dicht stehenden Blätter der Pflanzen verhindern jedoch das rasche Abtrocknen derselben nach dem Regen, was wiederum der Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans, Pilz) starken Vorschub leistet. Einzig aus diesem Grunde wird am Pfahl nur ein einziger Trieb nach oben gezogen und angebunden. Trotzdem haben die Pflanzen von Natur aus eine unbändiges Verlangen kräftige Nebentriebe zu bilden. Das ist vor allem Anfang Juni der Fall und bei den Stabtomaten müssen wir dann ständig diese Seitentriebe ausschneiden (geizen). Es stellt sich nun aber die Frage, ob die Pflanzen nicht stark darunter leiden, dass sich sich im Juni nicht so entfalten können, wie sie gern möchten. Bekannt ist die Tatsache, dass die verschiedenen Gartengewächse durch solche Situationen sogenannten Pflanzenstress bekommen können und dass dieser wiederum die Tomaten anfällig für den Phytophthora-Befall anfällig machen können. Das ist die Theorie.
Wie es der Autor macht – zwei Triebe anbinden
Der Autor hat dieses Problem im Zusammenhang mit einer weiteren Problematik folgendermaßen gelöst.
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Beim Anbau mit zwei Trieben, sind die Abstände der Pflanzen untereinander im Freiland 100 Zentimeter und als Spaliertomate an der Wand 60 bis 70 Zentimeter.
Die Vorteile
Der Hauptvorteil bei der oben beschriebenen Anbaumethode ist der, dass man weniger Pflanzen braucht. Zwar werden im Selbstversorgungsanbau die nötigen Jungpflanzen selber gezogen und verursachen keine direkten Kosten, doch der Platz für die Aussaat und die getopften Jungpflanzen ist oft begrenzt. So ist es entspannter, wenn man weniger pflanzt und dafür nur die allerbesten und kräftigsten Jungpflanzen wählen kann. Ein zweiter Vorteil ist der, dass die Pflanzabstände groß sind. Das ist eine wichtige Grundlage, wenn man den Mischkulturanbau praktizieren möchte. Zur Mischkultur eigenen sich Schnittsellerie, Dill und vor allem Lauchzwiebeln. Pflanzen wir die Stabtomaten enger, so bringt der ganze Vorteil der Mischkultur gar nichts. Das ist übrigens auch bei vielen anderen Kulturen der Fall. [TJ.11.3] I
[1] Rümpler, Theodor; Illustrierte Gemüse- und Obstgärtnerei (Bearbeitete Auflage); Verlag von Wiegand , Hempel & Parey; Berlin 1879 – die Bilder zeigen die damaligen Zuchtziele für den Nutzgarten. Links ist ein "steifstängliger" Liebesapfel abgebildet, der vermutlich eine Zwergform ist und als Tomatenstämmchen gezogen wird. Rechts ist ein typisches kleines Spalier zu sehen, an welches eine früher "Zwerg-Liebsapfel" mit vier Trieben zu sehen ist. Natürlich kannte man damals auch schon die eintriebigen Stabtomaten als gängige Kultur. Die abgebildeten Zwergfomen leben heutzutage als "Balkontomaten" wieder auf, für welche diese Ideen (Stämmchen und Spalier) durchaus eine Anbaumöglichkeit darstellen.
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[2] Die alte samenfeste und freie Sorte 'Black Plum'.