Sphinx am Wasser zwei gespiegelte Fotos1) Gespiegelte Bilder wirken immer sehr verschieden. Warum ist das so?
1) Gespiegelte Bilder wirken immer sehr verschieden. Warum ist das so?

Die menschliche Wahrnehmung ist beeinflussbar und kann getäuscht werden. Diesen Umstand nutzen nicht nur Werbefirmen, sondern auch Politiker und die Medien reichlich und mit immer mehr und mit ständig verbesserten Methoden, und das vermutlich nur zum Eigennutz. Die Gartenkunst ist auch nicht ganz frei von dieser Wahrnehmungsbeeinflussung. Allerdings verfolgt sie sie im positiven Sinne. Es wird niemand damit geschädigt. Übernommen wurde sie aus der Malerei, als derjenigen Kunstsparte, welche dem Wesen nach am engsten mit der Gartengestaltung verbunden ist. Es ist die Begabung des Malers, den Betrachter mit seiner zweidimensionalen, unbeweglichen Bilderwelt so zu täuschen, dass er diese als reale Welt, als einen künstlichen Kosmos oder als Kunstlandschaft wahrnimmt.

Gärten sind ohnehin eine Kunstlandschaft und eine Illusion – sie sind keine Natur, sondern idealisierte Natur. Ein guter Gartendesigner ist immer auch ein guter Illusionist. Wie man optische Wahrnehmungsmöglichkeiten gestalterisch umsetzen kann, werden unten aufgezeigt. Sie ähneln alle den Regeln der Wahrnehmungslehre, welche grundlegend in der Malerei und Graphik gelehrt werden. Zuvor aber noch der Hinweis, dass ich zu diesem Thema bereits ganz konkrete Tipps auf dieser Internetseite gegeben habe. So beispielsweise, wie man kleine Gärten optisch vergrößern kann, indem man eine ganze Palette illusionistischer Tricks zu Anwendung bringt. Am praktischen Beispiel habe ich besonders romantische Projekte wie die geheimnisvollen Feen-Gärten beschrieben. Hier folgen nun weitere Möglichkeiten:

Ungleiche Seiten

Links und rechts

Merkwürdigerweise ist für den Menschen die Unterscheidung von oben und unten wichtiger als rechts und links. Wahrscheinlich verwechseln viele aus diesem Grunde die rechte und linke Seite, aber keiner oben und unten. Auch kann man ein Ungleichgewicht bei der Seiten-Wahrnehmung feststellen, was manche Forscher auf die Dominanz der linken Großhirnrinde zurückführen, wo sich die Gehirnzentren für Sprechen, Schreiben und Lesen befinden.

Spiegelbid2) Der Betrachter hat das Gefühl, dass die rechte Treppe aufwärts geht und die linke abwärts.

Wenn auch das linke Sehzentrum dominant sein sollte, so meint die moderne Hirnforschung, müsste man Dinge auf der rechten Seite schärfer wahrnehmen als auf der linken. Doch das tut der Mensch nicht. Um diesen Mangel auszugleichen, richtet er die Aufmerksamkeit spontan nach links. Daraus wiederum folgt, dass Dinge, welche sich links im Raum befinden, anders gewichtet werden als solche, die sich rechts befinden. Daraus folgt die Tendenz, dass die spontane Aufmerksamkeit der linken Seite gilt, von der aus man die rechte Bildstruktur beobachtet. So wird, was rechts ins Blickfeld gerät, deutlicher wahrgenommen. Es erscheint dem Betrachter häufig größer und schwerer. Andererseits scheint die linke Seite dynamischer, während die Dinge auf der rechten Seite unbeweglicher aussehen und ruhen. Dementsprechend bauen Kunstmaler eine Bildkomposition auf. Motive, welche Ruhe ausstrahlen sollen, befinden sich nach diesem Prinzip rechts. Soll Bewegung verstärkt werden, werden sie links positioniert. Die Wichtigkeit dieser Kompostitionsregeln zeigen sind in der Praxis, wenn man beispielsweise ein Foto spiegelt. Wer Fotos betrachtet, die die Realität spiegelverkehrt abbilden, wird erstaunt sein, wie fremd sie einem vorkommen. Was in der Bildkomposition schon so eine erstaunliche Wirkung hat, kann auch in der Gartengestaltung interessante Effekte hervorrufen, wie das Beispiel im Bild 2) zeigt. Man sieht in ein und demselben Motiv, je nach Lage sowohl einen Abhang als auch einen Aufstieg.

Oben oder unten - die Horizontlinie

In der vertikalen Wahrnehmung von Objekten gibt es eine weitere Unterscheidung, und zwar ob Gegenstände (z.B. Plastiken) unterhalb oder oberhalb der Augenhöhe stehen. Diese imaginäre Linie, welche sich genau auf Augenhöhe eines Betrachters befindet, wird Horizontlinie genannt. Mit der Kenntnis über die Wirkung dieser Horizontlinie können wir in der Gartengestaltung eindrucksvolle Effekte erzielen. Wer sich näher damit befassen möchte, verfolge dazu den gekennzeichneten Link. Schon immer haben Garten- und Parkgestalter mit dem Spiegelungseffekt des Wassers gespielt, das auch eine Art Horizontlinie bildet. Am eindrucksvollsten zeigt sich das an einer Bogenbrücke, die sich über eine ruhende Wasserfläche spannt. Auch auf diese Weise entsteht eine Form der Symmetrie.

Die Waagerechte und das Liegende

Waagerechte, das heißt horizontale Strukturen werden in der Landschaft als ruhend und weniger bedrohlich wahrgenommen. Will man beispielsweise einen Zaun optisch zurücknehmen, so baut man ihn als Schranke mit liegenden Stangen oder Brettern. Auch Hecken werden eher als liegende Streifen wahrgenommen und strahlen Ruhe aus. Möchte der Planer Bänke unauffällig in einem Park platzieren, so wählt er möglichst flache Modelle ohne Lehne. Die minimalistische Bank im Foto habe ich in einem japanischen Garten fotografiert. Sie hat natürlich Stil, doch nicht immer können wir das Optimale künstlerische umsetzen, denn das Klientel, welches Parkbänke benutzt, wird ganz sicher bequemere Varianten vorziehen.
Eine interessante Anwendung der hier behandelten Gestaltungsregeln kann in der Friedhofsgestaltung zur Anwendung kommen. Das Bild 3), welches vom Herrnhuter Gottesacker stammt, zeigt anschaulich, wie waagerechte Grabsteine (sogenannte Liegesteine) dem Friedhof seinen landschaftlichen Charakter erhalten. Die Grabmale stören in keiner Weise das Landschaftsbild.

Herrnhuter Gottesacker Efeugräber Liegesteine und Rasen3) Eine ruhige Optik, welche doch eine gewisse Spannung aufweist.

Die Grabmale müssen aber absolut waagerecht gelagert werden. Sobald, was mancherorts Sitte ist, die Steine schräg liegen (siehe "Das Schräge"), oder gar pultförmige Grabplatten zum Einsatz kommen, entsteht eine entsetzliche optische Unruhe. Ähnliche Effekte habe ich schon in der Gartengestaltung gesehen. Besonders tragisch ist es, wenn ein gelungenes Motiv kopiert wird. Wird dann eine winzige Veränderung vorgenommen, können unvorhergesehene und vielleicht sogar unbeabsichtigte Scheußlichkeiten entstehen.

Die Senkrechte

Vom menschlichen Auge werden vertikale, das heißt senkrechte Linien eindrucksvoller wahrgenommen, als horizontale. Die Stele, ein aufrecht stehendes, schmales Objekt, wirkt gegenüber der horizontalen Bodenfläche dominant und aus diesem Grund zeichenhaft und bedeutsam. Mit vertikalen Objekten wie beispielsweise Stelen, Bildstöcken, Obelisken, Plastiken, auch Springbrunnen mit ihrer senkrechten Wasserfontäne können Punkte in der Landschaft betont werden.
Auch ein Zaun kann durch Ausnutzung der menschlichen Wahrnehmung unterschiedlich wirken. Er kann transparent oder eine eindrucksvolle Barriere sein. Ist der Zaun horizontal angeordnet, das heißt wie eine Schranke aufgebaut, so gliedert er den Raum, doch er grenzt ihn nicht ein (siehe oben). Ist der Zaun vertikal strukturiert, wie es beispielsweise ein Staketen- oder Palisadenzaun verdeutlicht, so wirkt er als Grenze oder Bollwerk. Trotz dieses Achtungszeichens einer vertikalen Linie (man beachte sie auch im Ausrufezeichen!), soll sie nicht als bedrohlich wahrgenommen werden, sondern lediglich Aufmerksamkeit erregen. Wobei dieses Empfinden immer auch vom Standort beeinflusst wird. Geborgenheit empfinde ich innerhalb eines Refugiums, Abwehr und schlimmstenfalls Ausgrenzung außerhalb. 

Vertikaler Garten

Sogenannte "vertikale Gärten" sind nicht nur eine Anlageidee von Künstlern (wie z.B. Patrick Blanc), sondern auch gut umsetzbare Konzepte immer da, wo der Gartenraum maximal ausgenutzt werden soll. Begrünte Wände, Spaliere und auch die Ausnutzung abgesenkter Bereiche wie Hohlwege sind entsprechende Möglichkeiten.

Rechter Winkel und Viereck

Vereinen wir Horizontale und Vertikale, entsteht ein Viereck. Das Viereck und mit ihm den rechten Winkel finden wir in Garten und Landschaft in vielerlei Weise, vieles davon fast wie zufällig. Wenn wir zum Beispiel aus dem Fenster nach draußen schauen, entsteht eine Rahmenwirkung. Fähige Architekten schaffen auf diese Weise malerische Bildeffekte. Gleiches können gut platziere Türen und Tore bewirken. Moderne kubische Häuser oder entsprechende Kleinarchitekturen wie Garten- oder Gerätehäuser mit Flachdach wirken hingegen in der Landschaft neutral und unauffällig. Auch ein Zaun, dessen Struktur die Waagerechte und die Senkrechte vereint, hat wertfreie Optik und wirkt nie aufdringlich.

Das Schräge

Wie im Text bereits erwähnt, wirken horizontale Linien nicht bedrohlich. Doch nicht ohne Absicht bemerkte ich bereits, das schräge Linien optische Unruhe erzeugen. Das kann bis zum Unwohlsein führen und ist kulturübergreifend wohl im Menschen (archteypisches Symbol) verinnerlicht. Das Achtungsschild hat aus diesem Grund eine dreieckige Form, im Feng-Shui-System hängt der Chinese gekreuzte Flöten auf, um Dieben den Eintritt in den Laden zu verwehren, und unsere Altvorderen stellten einen Besen schräg in die offene Tür, um Zigeuner vom Hause fern zu halten. So kann ein Scherengitterzaun (sogenannter Jägerzaun) mit seinen im Rautenmuster angeordneten Latten seine Funktion als Einfriedung erfüllen und zusätzlich signalisieren, dass hier eine abwehrende Grenzbarriere steht.
Bevor man sich unter diesen Gesichtspunkten für einen Jägerzaun entscheidet, sollte jedoch geprüft werden, ob er auch in die Umgebung passt. Der Stil sollte auch der umgebenden Architektur entsprechen. Häufig begegnet uns solch ein Stilbruch bei modernen Architekturen mit schiefen Elementen. Als einzelnes Gebäude mag es interessant wirken, eingebettet in vorhandene Bauwerke ist es einfach nur scheußlich. Lediglich das Spitzdach oder die Zeltform ist anders zu betrachten, da hier das Abwehrende als schützend empfunden wird.

Symmetrie - spannungsreiche Ruhe

Die Symmetrie ist keine Erfindung des Menschen. Wir finden Symmetrie in den Blättern der Bäume oder im Spiegelbild einer ruhenden Wasserfläche. Die menschliche Form wird um so schöner empfunden, je symmetrischer der Körper gebaut ist. Symmetrie ist das Gleichgewicht der Formen, die im Spannungsfeld der unterschiedlichen Wichtung des menschlichen Auges stehen (siehe oben "links und rechs"). Das findet seinen Ausdruck in symmetrischen Anlagen, wie wir sie aus der Renaissance oder aus dem Barock kennen, und ganz besonders, wenn die Gesamtkomposition von Architektur und Landschaft zusätzliche Effekte schafft. Der Betrachter einer solchen Anlage sucht unbewusst immer die Symmetrieachse. Diese kann man gezielt kennzeichnen, wenn man das Auge beispielsweise mit einer Plastik auf diesen Punkt lenkt. Nebenbei bemerkt, solches Lenken des Blickes ermöglicht auch das Ablenken von unvorteilhaften Garten- oder Parkarealen.
Was dem flüchtigen Betrachter eines Barockgartens vielleicht als langweilig erscheint, war ursprünglich anders gedacht. Solche Gärten entfalteten ihre Gesamtkomposition erst in der Benutzung. Das farbenprächtige Gewimmel der Besucher eines Festes setzte Kontrapunkte zu der Gleichförmigkeit der Anlage und brachte ihre Schönheit erst dadurch zum Ausdruck. Wer den Besuch eines Barockgartens an einem trüben Herbsttag ohne andere Besucher und bestenfalls zu einer Veranstaltung mit buntem Menschengewimmel vergleicht, wird diese These bestätigen. 

Spiegelung einer Parklandschaft auf der Wasserfläche4) Sich spiegelnde Parklandschaft.

Die Spiegelbildlichkeit wird in der Gartengestaltung aber nicht nur in der Horizontalen entwickelt, wie wir sie von den eben beschriebenen geometrisch gegliederten Gärten her kennen, sondern auch über die Vertikale, wie es bei spiegelnden Wasserflächen im Zusammenspiel mit Brücken und Uferbepflanzungen der Fall ist. Beispielsweise verdoppeln blühende Rhododendren und Azaleen am Ufer eines stillen Gewässers optisch ihre Blütenpracht.

Die Wirkung von Formen –  Transparenz und Körperlichkeit 

A) Konkave Formen sehen aus wie ein Loch. In der Natur wirken sie transparent, wie beispielsweise Gräser oder Gehölze mit aufgelockertem Habitus (mit konkavem Schwung). Sie stören nicht die räumliche Gliederung des Gartens. 

Formen Konkav Viereck Konvex5) Formen werden unterschiedlich wahrgenommen.

B)  Das Rechteck könnte ein Steinklotz (körperhaft und undurchdringlich) oder auch ein Fenster (transparent) bzw. ein Gartentor (sowohl transparent als auch undurchdringlich/ Barriere) sein.  Albert Baumann lehrte hierzu:

Das Rechteck als Grundriss, das in Millionenzahl zum Gestalten unserer Aufenthaltsräume verwendet wurde, ist für uns Menschen die Flächenform des Verweilens und der Ruhe, der Kreis und das Oval die der Bewegung.

C) Konvexe Formen sehen wir als Körper. Sie ziehen die Blicke an, und sie wecken und fordern unsere Aufmerksamkeit.

Verschiedene Formen: Gras, Zaun, Buchsbaumkugel6) So kann Formenspiel in der Gartengestaltung aussehen.

Im Bild 6) sehen wir die oben erwähnten Grundformen noch einmal in der Praxis aufgezeigt. Die Gräser wirken wie transparente Gardinen vor einem Fenster. Wachsen sie im Raum des Gartens, stehen sie optisch nie im Wege, die Raumwirkung wird nicht gestört. Der Zaun wirkt optisch neutral und lässt den Blick ungehindert hindurch. Die Buchsbaumkugel hingegen ist ein Aufmerksamkeitsmagnet.