Etwa seit 2008 beschäftige ich mich mit dem Thema Nutzgärten und das besonders unter dem Aspekt der Eigenversorgung. Dazu gibt es bereits auch vielerlei Literatur, seien es nun Fachbeiträge oder Erfahrungsberichte und diese sowohl über herkömmlichen Gartenbau als auch über alternative Anbaumethoden. Ungefähr ab 2010 wurde dabei ein Thema immer öfter Gegenstand der Betrachtung. Es handelt sich um den Waldgarten im Sinne eines Nutzgartenkonzepts, um in einem weitgehend natürlichen Ökosystem, pflanzliche Lebensmittel zu produzieren. Bis vor etwa einem halben Jahr betrachtete ich diesen Entwurf eher skeptisch und habe erst Ende 2021 eine eigene effiziente Form gefunden, diese Prinzipien praktisch umzusetzen. Dabei habe ich jedoch die klassische Form der Permakultur-Waldgärtnerei, wie sie in Folge beschrieben ist, individuell abgeändert. Das ist auch nötig, weil vorgefertigte Konzepte häufig die Erwartungen nicht erfüllen.
Das klassische Konzept
Bevor ich die eigenen Erfahrungen näher beschreibe, möchte ich zunächst auf das klassische Konzept des Permakultur-Waldgartens eingehen. Die Idee dabei ist, vor allem die vertikal gegliederte Raumordnung des Waldes zu nutzen, etwa die Baumkronenschicht oben, die Strauchschicht in der Mitte und die Krautschicht am Boden. Man produziert Gemüse und andere essbare Pflanzen also nicht klassisch auf dem flachen Land, sondern in vertikal gegliederten Räumen. So wird die Baumkronenschicht in der Regel beispielsweise durch hochstämmige Obst- und Nussbäume definiert, die Strauchschicht bilden Beerensträucher und die Krautschicht Gemüse und Kräuter und da vor allem mehrjährige Sorten. Weiter unten auf dieser Seite habe ich diese Dreiteilung noch einmal differenzierter dargestellt, wobei die Einteilung in bis zu sieben solcher Schichten bzw. Zonen möglich ist.
Ursprung in der Permakultur
Die ursprünglichen Ideen zu diesem Programm finden sich, soweit ich recherchieren konnte, bereits bei Joseph Russell Smith (1874-1966), einem Förderer der frühen Permakultur (Kreislaufwirtschaft) [1]. Der Impuls von Smith wurde recht schnell in Japan von Toyohiko Kagawa (1888-1960) aufgenommen, der, religiös geprägt, eine Art Verbrauchergenossenschaft ins Leben rief und seine Projekte nicht nur theoretisch vertrat, sondern auch in die Praxis umsetzte und auf ihre Alltagstauglichkeit prüfte. In seinem ökologischen Anbaukonzept sind extensiv bewirtschaftete "Waldgärten", bestehend aus Walnussbäumen, ein Teil der funktionierenden Kreislaufwirtschaft, wobei die Nüsse beispielsweise auch als Schweinefutter genutzt werden sollen. Diese Idee des Waldgärtnerns fand immer mehr Anhänger und Nachahmer. Zu erwähnen ist der Japaner Fukuoka Masanobu, der mit seiner sehr speziellen "Nichts-Tun-Landwirtschaft" weltweit Aufmerksamkeit erregte und wiederum sehr viele Freunde der Permakultur inspirierte.
Weitere Pioniere der Waldgärtnerei
Doch nicht nur in Japan breitete sich die Idee von Toyohiko Kagawa aus, sondern fand Verfechter beispielsweise auch in Europa. So führt eine Linie über die Publikationen des James Sholto Dougla zu dem englischen Waldgärtner-Pionier und Veganer Robert Adrian de Jauralde Hart (1913 – 2000). Dieser gestaltete aus einem gut 500 Quadratmeter großen Obstgarten, der zu einer umfangreichen Farm gehörte, einen Muster-Waldgarten. In seiner Anlage differenzierte er die nutzbare Zone in folgende Schichten:
- Baumkronen-Schicht – (ursprünglich aus den hochstämmigen Obstbäumen bestehend)
- Niederbaumschicht – Anpflanzung von Haselnussbüschen und kleineren Obstgehölzen
- Strauchschicht – Pflanzung von Beerenobststräuchern
- Kräuterschicht – mehrjähriges Gemüse und Kräuter
- Bodendeckerschicht – essbare Wildpflanzen, die sich horizontal ausbreiten
- Wurzelschicht – Pflanzen, deren Wurzeln und Knollen Verwendung finden
- eine vertikale Schicht aus Reben und Kletterpflanzen
Besonders das publizistische Wirken Robert Harts brachte das Thema Waldgarten (Forest Farming, Food Forest) auch in den deutschsprachigen Raum, wo es, eingangs bereits erwähnt, spätestens seit 2010 eine stetig wachsende Jüngerschaft findet, die vordergründig allerdings ihre überwiegend vegetarische oder vegane Philosophie umsetzen möchte.
Agroforstwirtschaft
In all den genannten Zusammenhängen gibt es auch die Bestrebung, den Baumbestand mit einer landwirtschaftlichen Nutzung (Agroforstsystem) zu kombinieren, was jedoch den gärtnerischen Bereich verlässt. Die Agroforstwirtschaft ist ein eigener Bereich. Diesen hier ebenfalls darzustellen, würde dazu führen, die vielen Basisinformationen miteinander zu vermengen, weswegen ich die beiden Bereiche der Permakultur scharf trenne.
Aquakultur gehört dazu
Weniger im Fokus, doch meiner Meinung nach explizit auch zum Waldgartenbetrieb gehörig, ist die Teichwirtschaft (Aquakultur), auf deren Wichtigkeit besonders der österreichische Permakultur-Bergbauer Sepp Holzer aufmerksam macht. Zum einen kann ein bewirtschafteter Teich mehr Ertrag an Kalorien- und Eiweiß-Produktion pro Quadratmeter Fläche erbringen, als die klassische Tierproduktion [2] und würde damit die Waldgartenwirtschaft sehr effizient machen. Zum anderen verbessert ein Teich die Ökologie und das Kleinklima der Umgebung. Des Weiteren erhöht die Spielgelwirkung der Wasseroberfläche die Lichtausbeute der Umgebung. Deshalb ist es sinnvoll, wenn Klima und die vorhandenen Bedingungen es zulassen, auf einem Teil des Ödlandes ein Nutzgewässer anzulegen, und sei es nur für eine extensive Fischwirtschaft.
Ödland kann genutzt werden
Sehen wir die Idee des Waldgartens im Gesamtkonzept der Welternährung, kann sie durchaus zur Nutzung von Flächen dienen, die ungeeignet für den landwirtschaftlichen Gebrauch sind. Ödland oder für die Bewirtschaftung ungünstige Flächen wie Hanggelände laden förmlich dazu ein, als Waldgarten genutzt zu werden. Doch die besten Böden, ob nun bei uns im Garten oder in der Landwirtschaft allgemein, sollten logischerweise dem klassischen Anbau von Nutzpflanzen vorbehalten bleiben und nicht für eine Waldwirtschaft genutzt werden, wie auch immer sie geartet sei. Denn gutes Gartenland in einen Waldgarten umzuwandeln, wie es manchmal bei der Umsetzung missverstanden wird, ist meiner Meinung nach Verschwendung wertvoller Ressourcen.
Ein weiterer zusätzlicher Faktor für die Wahl geeigneter Flächen ist das möglichst dauerhafte Wohnen in unmittelbarer Nähe. Das gilt aber für jeden Garten prinzipiell. Je näher Wohnen und Gartennutzung miteinander verflochten sind, umso ökonomischer wird unser Vorhaben sein. Also sollten wir uns zuvor überlegen, was wir von unserem Projekt erwarten. Soll es lediglich ein Ort der Entspannung sein, von dem wir günstigenfalls Wildobst in Form von Pilzen und Beeren ernten und Holz nutzen, dann ist das kein Wald-Nutz-Garten, sondern halt nur ein Wald-Schau- oder Wald-Zier-Garten. Wer jedoch für das Bewirtschaften die nötig Zeit aufbringt und mit seiner ökologischen Pflanzenproduktion auch die Umwelt entlasten möchte, dem sei gesagt, dass ein Waldgarten tatsächlich ökonomisch von Nutzen sein kann. Das ist meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung, bevor man sich zu Permakultur-Waldgärten Gedanken macht.
Bild oben: An einem Waldteich lassen sich auch Enten halten. Im Hintergrund sehen wir den Entenstall, der hier in dieser waldartigen Parkanlage als "Gartenlaube" an den Aspekt erinnert, Nützliches mit Schönheit zu verbinden.
Fukuoka Masanobu und sein Waldgarten
An dieser Stelle möchte ich den Waldgarten des bereits erwähnten Fukuoka Masanobu kurz beschreiben. Der Reisbauer und Plantagenbesitzer hatte sowohl landwirtschaftlich nicht nutzbare Bereiche seines Grundstücks als auch Teile seiner, am südlichen Steilhang befindlichen Mandarinen-Plantage zu einem solchen Waldgarten umfunktioniert. Da er sich, seiner Farmertätigkeit wegen, ständig im Gelände aufhielt, konnte er das Areal rentabel bewirtschaften [3]. Verschiedene Gemüse wie beispielsweise Klettenwurzel (Arctium lappa) und Japanischer Rettich eignen sich für den extensiven Anbau, sprich sie wachsen an für sie geeigneten Stellen und benötigen wenig Pflege. Zudem können diese Pflanzen zusammen mit Klee (Trifolium repens) kargen Boden revitalisieren, was sich bei Masanobu wiederum positiv auf das Wachstum der Mandarinen- und Orangenbäumchen auswirkte.
Lichte Überpflanzung
Einen weiteren günstigen Effekt bewirkte das Überpflanzen [4] mit einer sehr tief wurzelnden und extrem schnellwüchsigen [5] australischen Akazienart, die hochwachsend mit lockerer, lichtdurchlässiger Krone der "Baumkronen-Schicht" (siehe oben) entspricht. Die Akazien schützen den Hang vor Erosion, dienen als Windbrecher (Windkamm) und mit ihrer Eigenschaft als Leguminosen (Stickstoffsammler im Wurzelbereich) machen sie auch den Boden in ihrer Umgebung nährstoffreicher. Ein zehnjähriges Exemplar kann zudem – und das ist ebenfalls ein bedeutender, wirtschaftlicher Aspekt – Brennholz für ein Jahr liefern, um kochen und heizen zu können. Und nicht zuletzt bewirtschaftete Masanobu, und das findet leider nur am Rande Erwähnung, ist für mich aber mittlerweile zu einem wichtigen profitablen Faktor geworden, seine Farm und da vor allem das Waldareal mit Hühnern. Diese lebten unter den Bäumen faktisch autark und stellten in Puncto aufgewendeter Arbeitskraft und Gewinn wiederum einen ungeahnt hohen ökonomischen Aspekt dar.
Hühner
Die Hühnerzucht mit ihrer Eierproduktion – und die ebenfalls bereits erwähnte Aquakultur – sind, was die aufgewendete Energie für die Erzeugung von Eiweiß und Kalorien betrifft, der landwirtschaftlichen Tierproduktion (Schafe, Rinder, Schweine usw.) haushoch überlegen. Und wenn wir wiederum bedenken, dass wir Fisch und im Falle des japanischen Beispiels Hühnerfleisch und Eier auf sonst nicht nutzbarem Land produzieren können, dann stellen sich Fragen einer möglichen Welternährung ganz anders [6]. Im Falle des japanischen Bio-Bauern war (neben seiner Tätigkeit als Publizist) die Orangenplantage das Haupteinkommen für die ganze Familie. Die Hühnerhaltung, der Anbau von Getreide, Reis und Gemüse sowie die Kaminholzgewinnung dienten der Selbstversorgung. Das Drama dieser Geschichte ist allerdings, dass sich die ganze Welt nur für seine, am Ende leider erfolglose, pfluglose Reis-Anbaumethode interessierte und nicht für sein Ökosystem der Bio-Obstplantage. Für letztere machte er sogar unwirtlichstes Ödland fruchtbar.
Unser Waldgarten
Ehrlich gesagt erkannte auch ich erst den Wert Masanobus Ökonomie, nachdem wir uns in unserem Haus einen Kaminofen eingebaut und ich bemerkt hatte, dass scheinbar nutzloses Hanggebüsch sich mit etwas Regulierung und Pflege als kleine Kaminholz-Plantage umfunktionieren ließ. Zeitgleich mit der Idee, die Brennholzgewinnung überwiegend auf dem eigenen Grundstück zu bewerkstelligen, entstand auf dem bis dahin ungenutzten Gelände auch ein neuer Auslauf für meine Hühner, und ich schlug fast unbemerkt zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn es ist immer sinnvoll, auch Nutzgehölze wie Robinien, Eschen und Weiden mit den nötigen Nährstoffen zu versehen. Fehlen diese, wachsen die Bäume nur verhalten und bringen nicht so rasch den gewünschten ökonomischen Nutzen. Hat man zwanzig, dreißig oder vierzig Hühner, kann die umweltschonende Entsorgung der Hühnerexkremente schon problematisch werden. Deshalb kam mir die Idee, beide Probleme zum gegenseitigen Vorteil miteinander zu verbinden.
Hühner lassen Holz wachsen, vor allem Robinien
Nach meinen Erfahrungen als gelernter Baumschulgärtner vermag eine gut vergorene Hühnerkot-Jauche als Gehölzdünger das Wachstum der Pflanzen um 100 Prozent zu beschleunigen. Man bedenke dabei, dass Holz etwa zu 50 Prozent aus Kohlenstoff besteht, der mittels Sonnenlicht-Energie ausschließlich aus dem Kohlendioxid der Luft gewonnen wird. Das müsste doch sowohl jedem Klimaschützer wie auch jedem Ökonom das Herz höher schlagen lassen. In unseren Breiten gedeihen zwar die hocheffektiven Akazien des japanischen Biobauern nicht, jedoch gibt es auch bei uns sehr rasch wachsende Gehölze, wie zum Beispiel die Falsche Akazie (Robinie, Robinia pseudoacacia). Sie liefert ein Hartholz mit hohem Heizwert und nebenher für den Selbstversorger auch lange haltbares Material wie Stangenholz und Holzpflöcke. Ganz ähnliches Holz liefert übrigens die Esskastanie, und wer veredelte Esskastanien pflanzt (wegen der Befruchtung mindestens zwei Exemplare), kann recht schnell auch Maronen ernten. Klar ist, dass die Bäume zur Brennholzgewinnung nicht komplett umgesägt werden. Entweder werden nur Äste herausgenommen oder die Gehölze werden alle fünf bis zehn Jahre "auf Stock" geschnitten (d.h. der Stamm wird auf einen Meter Höhe gekürzt), worauf sie immer wieder austreiben.
Im Moment kann ich noch nicht mit Zahlen aufwarten, doch ich denke, dass auf einem 1500 Quadratmeter großen Grundstück, von dem etwa 20 Prozent als Waldgarten genutzt werden könnten, durchaus zwei Drittel (oder mehr) Heizmaterial für ein kleines, gut gedämmtes Wohnhaus gewonnen werden könnte. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle noch nicht auf mein eigenes Waldgärtchen aufmerksam machen, denn ich habe die geschichtliche Entwicklung unserer heutigen Waldgarten-Idee noch nicht genügend ausgeführt, doch ich komme auf das Thema zurück.
Beispiele aus den Tropen
Die Entwicklung der Waldgärten in den 1990 Jahren in Europa geschah nicht nur aus der Permakultur heraus oder angeregt durch die Experimente des Japaners Masanobu und des Engländers Robert Adrian de Jauralde Hart, sondern auch, weil man in einigen tropischen Ländern ähnliche und zudem traditionell gut funktionierende Konzepte entdeckte.
In den Tropen ergibt es Sinn
In tropischen und subtropischen Regionen der Welt spielen Agroforstsysteme tatsächlich eine große Rolle. Nahe dem Äquator schützen die Bäume landwirtschaftliche Anpflanzungen vor Wind und starker Sonneneinstrahlung, oder sie bewahren den Boden vor Erosion. Zudem liefern sie Bau- und Brennholz. Zu den bekanntesten solcher Agroforste zählt beispielsweise die in Mexiko (Yucatan) praktizierte Kombination von Bananenstauden, Zitrusbäumen, Aloe Vera, Zitronengras und stickstoffbindenden Bohnenarten. Selbst die lichten Tropenwälder, in denen Kaffee und Kakao in einer Art Strauchschicht gedeihen, finden wir Europäer irgendwie beeindruckend. Und auch das ist nichts anderes als eine Art Waldgarten.
Der Faktor Licht
In der Begeisterung für solche, ökologisch recht intakten Agroforste begann man bei uns, diese Idee auf verschiedenste Art und Weise zu kopieren [7], doch was dort unter der Äquatorsonne funktioniert, will bei uns oft nicht so recht klappen. Und das hat einen einfachen Grund. Es liegt an der Lichtintensität, die in unseren Breiten geringer ist als in Äquatornähe. Das führt zu dem Umstand, dass die Konkurrenz der Pflanzen untereinander um dieses Licht härter ist, als wir annehmen.
Bei uns Wald vom Gemüseanbau trennen
Die Idee, man könne auch nur annähernd effektiv Gemüse (und sei es auch noch so schattenverträglich) und andere Nutzpflanzen unter einer Baumkrone und gleichzeitig mit dem Wurzeldruck dieser Gehölze kultivieren, ist ein Irrweg. Ein Irrweg ist zudem, so denke ich jedenfalls, dass die wenigen tropischen Varianten von Agroforstmethoden auch die weltweite Landwirtschaft und den Gartenbau revolutionieren können. Das meine ich deshalb so provokativ, weil es selbst in unserem Beispiel aus Südamerika eine klare Trennung zwischen dem Anbau der ertragsstarken Kulturen auf den Gartenbeeten und der Sonderkulturen im Waldgarten gibt. Beispielhaft hierfür sind die traditionellen Hausgärten der indigenen Bevölkerung, die noch eine hochentwickelte Selbstversorgungswirtschaft betreiben. Diese kleine, scheinbare Nebensächlichkeit macht besagte System wiederum hocheffektiv. Dazu ein interessantes Beispiel:
Hausgärten der Mayas im Tiefland von Chiapas (1990er Jahre)
Die Publikation von Elisabeth Meyer-Renschhausen und Anne Holl (Herausgeberin) "Die Wiederkehr der Gärten – Kleinlandwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung" [8] gibt eine sowohl wunderschöne als auch inhaltsreiche Beschreibung tropischer Selbstversorgergärten der indigenen Bevölkerung der 1990er Jahre wieder.
2.200 Quadratmeter
Die wegen der freilaufenden Tiere (Hühner usw.) komplett umzäunten Hausgrundstücke der zu fast 90 Prozent auf Selbstversorgung angewiesenen Menschen beträgt im Durchschnitt 2200 Quadratmeter, und die Parzellen haben einen quadratischen Grundriss. Die Anordnung der Nutzpflanzen gliedert sich in vier "Stockwerke", da auch einige Schattenbäume, die max. 12 Meter hoch werden, zum Anbaukonzept gehören, was genau genommen als eine tropische Eigenart anzusehen ist [9]. Was aber schnell übersehen wird ist, dass sich die Parzelle auch in der Ebene in mindestens fünf unterschiedliche Nutzungsbereiche aufteilt.
Haus, Hofraum und separater Gemüsegarten
So gibt es den Bereich unmittelbar am Wohnhaus (nennen wir ihn den Hofraum, inklusive einer Gartendusche), der für den Aufenthalt, für die Verrichtung verschiedener Hausarbeiten und für das Aufhängen von Wäsche bestimmt ist. Am Weg zum Haus gibt es natürlich auch Zierpflanzen, also ein Stück Ziergarten. Weiterhin hat man einen nicht zu kleinen Gartenteil, der nicht überschattet ist. Vor allem das lichtbedürftige Gemüse wird hier angebaut. Wegen der im Grundstück frei laufenden Haustiere (Hühner, Enten, Puten, Schweine) ist dieser Nutzgarten nochmals separat eingezäunt. Auch die Kräuter wachsen hier. Das erinnert natürlich sofort an unsere typischen Bauerngärten, die quasi als Garten im Garten (Hofraum) den besten Platz und den besten Boden für das Gemüse bieten. Und so verhält es sich eben auch in den Tropengärten. Die empfindlichen Kräuter und Gemüse werden in diesem separierten "Bauerngarten" und nicht im überschatteten Waldgarten kultiviert.
Der Nutzgehölz-Wald
Das mit den verschiedensten Bäumen bestandene Areal des Grundstücks nimmt zwischen 50 und 75 Prozent der Gesamtfläche ein und stellt damit den von uns im weitesten Sinne gemeinten Waldgarten dar. Hier schlängeln sich mitunter auch diverse nutzbare Lianengewächse in den Bäumen, so wie wir es uns romatischerweise in einem Idealbild eines Paradiesgartens wünschen. Unter hohen, lichten Schattenbäumen, wie in den subtropischen Bio-Mandarinen-Plantagen des Fukuoka Masanobu, gedeihen die niedrig bleibenden Zitrus- und Orangenbäume prächtig. Weiteres Nutzobst, welches in den tropischen Beispielgärten der heutigen Mayas so gut wie immer angebaut wird, sind Annone (Annona sp.), Avocado (Persea americana), Guave (Psidium guajava), Kokospalme (Cocos nucifera) und Mango (Mangifera indica).
Der Holz_Wald
Der reine Waldgarten, der oft in dichtem Bewuchs der vorhandenen Sekundärvegetation besteht, beansprucht zwischen fünf Prozent und zwanzig Prozent der Anbaufläche. Hier wächst das Feuerholz, mitunter auch Bauholz. Quasi nebenbei beherbergt das Stück tropischer Regenwald auch zahlreiche Heilpflanzen. Und eine für unsere Zivilisation schwer vorstellbare aber durchaus nützliche Einrichtung ist das, auch in diesem Bereich befindliche "Gartenklo", was die natürlichen Nährstoffe des Klimas wegen ziemlich rasch wieder im Naturkreislauf bindet.
Fazit:
Sowohl im zuletzt genannten Beispiel eines tropischen Hausgartens als auch im Beispiel aus Japan und letztlich auch in meinem eigenen Anbaukonzept mit Haus- und Waldgarten ist der wichtige, ertragsichere Nutzpflanzenanbau von ganz klassischer Natur und klar vom Waldgarten abgetrennt. Letzterer bringt seinen ökonomischen Nutzen nur dann, wenn er z.B. durch Kleintierhaltung (auch Imkern gehört mit dazu!) und Brennholznutzung "ausgebeutet" wird, und wenn er Ödland nutzbar macht. Nahrung wird in ihm in unseren Breiten kaum produziert. Das unmittelbare Wohnen im Garten gehört ebenfalls zum Konzept, wenn es funktionieren soll. Fallen diese drei Parameter zusammen, ergibt das Waldgärtnern einen Sinn. Anderenfalls ist es ein Hobby, welches trotz fehlender ökonomischer Komponente eine schöne Liebhaberei sein kann.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich also ein einfaches Konzept. Ich lasse wild gewachsene Laubbäume wie z.B. Eschen, Spitzahorn, Ohrenweiden, Birken aufwachsen und habe, um meiner Bienenhaltung Nahrung zu bieten (und da das Gelände am Hang liegt), zusätzlich Robinien gepflanzt. Mit ihrem ausläuferbildendem Wurzelsystem stabilisieren sie hervorragend das abschüssige Gelände. Und sie haben sich, was den schnellen Holzertrag betrifft, bisher am effektivsten erwiesen. An gut ausgewählten Stellen steht natürlich auch Edelobst in Form von Walnüssen, Esskastanien und Haselnüssen, allesamt von bester Qualität dank veredelter Sorten. Was die Haselnüsse betrifft, so ermöglicht die Kombination mit Hühnerhaltung erst die Verwendung der teuren Edelsorten. Deren Früchte werden nämlich regelmäßig vom Haselnussbohrer (Curculio nucum) heimgesucht, indem die Käfer die Haselnüsse anbohren, ihre Eier hineinlegen und die ausgeschlüpften Larven die gesamte Ernte unbrauchbar machen. Als Gegenmittel helfen nur der Einsatz von Insektiziden oder halt die Hühner, welche die Käferlarven, die sich im Umkreis der Haselnusssträucher aufhalten, fressen.
Damit ist schon das Wichtigste zu meinem Waldgartenkonzept gesagt. Allerdings gibt es dabei nur die Baumkronenschicht und keine weitere vertikale Nutzung verschiedener Bereiche. Am Boden wächst relativ wenig bis gar nichts, da die Hühner (die übrigens in ihrem Ursprung Waldbewohner sind) den Bodenbewuchs ziemlich nieder halten. Sämtliche Gehölze werden von Zeit zu Zeit auf Stock geschnitten und in ihrem Wuchs begrenzt, damit sie nicht zu ausladend werden. Auf diese Weise bleibt die Ernte des Kaminholzes einfach und risikolos.
Bei aller Begeisterung für die Holznutzung im eigenen Garten darf nicht außer Acht gelassen werden, dass über das Beschneiden und Fällen von Obst- und Wildgehölzen das jeweilige Ortsgesetz entscheidet. In meinem Fall ist es ohne Einschränkungen und Anträge erlaubt, was mein Konzept sehr erleichtert, aber das ist nicht in allen Kommunen der Fall. Deshalb sollte eine Information dazu selbstverständlich sein.
Erläuterungen, Quellen und weiterführende Literatur:
- [1] In diesem Sinne schreibe ich vom "Permakultur-Waldgarten"
- [2] https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-workingpaper/ThuenenWorkingPaper_03.pdf ; Seite 74 umfassend erleutert, Seite 68 Kalorien Futter/Eiweißproduktion Huhn, Ei
- [3] https://www.youtube.com/watch?v=mkuEbf8MWak&t=929s (ORF-Video-Dokumentation über Fukuoka Masanobu)
- [4] sechs bis zehn Bäume auf 1000 Quadratmeter
- [5] "nach sechs bis sieben Jahren ist der Baum so stark wie ein Telegraphenmast" (nach [3]). Ich konnte bisher noch nicht eindeutig recherchieren, welche Baumart von Masanobu verwendet wurde. In Australien gibt es wohl an die 1000 Acacia-Arten, doch gelten etliche Arten weltweit als "invasives Unkraut". Ich vermute, dass es sich im genannten Falle um die Morishima-Akazie (Schwarzholz-Akazie) handelt. Davon gibt es zwei Arten in Ostautralien: Acacia melanoxylon und Acacia penninervis. (Letztere teilt sich wiederum in zwei Varitäten auf: A. penninervis var. longiramosa und A. penninervis var. longiramosa.) Bei Masanobu fand vermutlich Acacia melanoxylon Verwendung. Diese bildet schön gemasertes Furnierholz aus (qualitativ mit Walnuss zu vergleichen), welches forstwirtschaftlich (in den Subtropen) genutzt wird. Übrigens gilt auch unsere Robinie (Robinia pseudoacacia) als "invasives Unkraut". Sie stammt aus Nordamerika. Dass die Robinie bei uns nicht heimisch ist, mag vielleicht ein Makel sein, doch könnte auch dieses "Unkraut" so manches Menschheitsproblem (ökologisch verträglich) lösen.
- [6] natürlich nur in einer kleinteiligen Nahrungsmittelproduktion vor Ort und zur Selbstversorgung
- [7] https://www.yumpu.com/de/document/read/49979842/was-sind-agroforstsysteme und https://docplayer.org/193072722-Agroforstwirtschaft-als-oekologisch-oekonomisch-und-sozial-nachhaltige-landnutzungsform-fallbeispiel-kakaoanbau-in-bolivien.html
- [8] Meyer-Renschhausen, Elisabeth "Die Wiederkehr der Gärten – Kleinlandwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung"; Innsbruck 2000; darin auf Seite 179 das Kapitel "Hausgärten der Mayas im Tiefland von Chiapas" von den Autoren Brigitte Vogl-Lukasser und Christian Vogl.
- [9] Selbst Fukuoka Masanobus hochkronige Überpflanzung seiner Plantage funktioniert nur am lichtdurchfluteten Südhang (Die Insel Shikoku (33/34. Breitengrad, wie Israel) besitzt ein feuchtes subtropisches Klima ohne Trockenzeit, mit heißem Sommer)
- Robert Hart (Waldgarten), 1992, Hart, R: Forest Gardening: Rediscovering Nature and Community in a Post-Industrial Age Taschenbuch – 1. Mai 1996
- https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Hart_(horticulturist)
- https://de.wikibrief.org/wiki/Permaculture sehr gute Seite
- https://cosmic-society.net/ein-waldgarten/
- http://www.agroforst.uni-freiburg.de/download/BMBF0330621_24-11-09.pdf
- http://www.agroforst.uni-freiburg.de/https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/laubbaeume/robinie
Bild: In unseren Wäldern erlauben die Lichtverhältnisse den üppigen Bewuchs der unteren Zonen nur im Frühjahr, wenn sich das Blätterdach der Baumkronen noch nicht geschlossen hat.
ZP/20/9/22[15/9/22/15:20]