
Die Küttiger Rüebli sind urtümlich Mohrrüben (Daucus carota subsp. sativus) im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie ähneln im Äußeren mehr einer Rübe, als einer Möhre. Sie ist ihrer Herkunft nach eine echte Regionalsorte und stammen aus dem Aargauer Dorf Küttigen in der Schweiz. Ich habe sie in ihrer Eigenschaft als Selbstversorger-Gemüse getestet und habe mit dieser alten, samenfesten Gemüsesorte beste Erfahrungen gemacht.
Besondere Eigenschaften und Geschmack
Allgemein in den Beschreibungen ist zu lesen, dass die Küttiger Rüebli zu den robusten Möhrensorten zählen. Das kann ich sofort bestätigen. Wenn in meinem Garten die gewöhnlichen Karotten nicht selten von den Möhrenfliegen heimgesucht werden, so blieben die Rübchen bisher davon verschont. Ist deren Samen erst einmal aufgegangen, dann bilden sich kräftige, gesunde Pflanzen aus und die Belaubung wirkt (im Herbst) nicht nur gefühlt grüner und gesünder, gegenüber den gängigen Hochzucht-Mohrrüben. Dabei müssen sie nicht auf ganz so tief bearbeiteten Boden stehen, wie die letztgenannten Wurzelgemüse.
Es sind weiße, gleichmäßig geformte rübenartige Möhren. Sie ähneln etwas den Pastinaken, schmecken aber besser.
Was den Geschmack der Rüebli ausmacht, so ist dieser roh ist nicht so kräftig, wie bei einer Karotte und auch nicht ganz so süß, sondern um einiges milder. Auf keinen Fall haben die Küttiger Rüebli diesen grandigen Möhrengeschmack, der so manch anderen Sorten anhaftet. Man schmeckt beim Rohgenuss aber durchaus, dass man es mit einer Karotte zu tun hat. Anders ist es im gedünsteten Zustand. Dann ist das Mohrrübenaroma fast gänzlich verflogen und das Gemüse hat einen sehr milden Grundgeschmack. Hier kommt es nun auf das Geschick der Köchin an, die Rüebli klassisch oder experimentell zu verfeinern. Auch im Wok sollte man sie probieren. Die Wurzeln haben ein, dem Auge angenehmes weißes Fleisch, welches auch beim Dünsten dieses Schneeweiß nicht verliert und damit auch dekorative Zwecke erfüllt. In der Küche gehört es zu den Wintergemüsen.
Praktisch finde ich weiterhin, dass man im Normalhaushalt meist nur ein oder zwei der Wurzeln für eine Mahlzeit benötigt. In der Schweiz hat man die Küttiger Rüebli auch fermentiert (in Salzlake eingelegt) oder auf eine merkwürdige Art und Weise gedörrt, indem sie zuerst gekocht, gestiftet und dann auf dem Ofen getrocknet wurden. Der Hinweis darf nicht fehlen, dass die Rübchen früher Futterpflanzen und ein Armeleuteessen waren. Erst heute mag man wieder mehr diese rustikaleren, regionalen Gemüse auf dem Teller vornehmer Restaurants.
Anbauanleitung
Der Anbau unterscheidet sich, was die gewünschten Standortverhältnisse betrifft, nicht von dem der klassischen Möhrensorten. Allerdings liegt der vorgeschlagene Aussaatzeitpunkt der Küttiger Rüebli relativ spät, um den 15. Mai, nach den Eisheiligen. Ich selber hatte es schon mit einer frühen Saat im März probiert, was mir merkwürdiger Weise in diesem ersten Versuch 100 Prozent Ausfall bescherte. Die Mai-Saat brachte hingegen 100 Prozent Erfolg.
Gesät wird relativ flach, maximal einen Zentimeter tief. Ich baue intensiv auf langen, schmalen Beeten an und habe auf einem Beetstreifen drei Reihen mit Abstand von 15 Zentimeter unter diesen. In den Reihen standen sie zum Teil auf 12 Zentimeter Abstand (Foto oben), was aber zu weit ist. Neun Zentimeter halte ich für ideal. Wie alle Möhrensamen brauchen die Rüebli lange zum Keimen. Nach drei drei Wochen sollten aber die ersten grünen Spitzen zu sehen sein. Die weitere Pflege gleicht denen der Möhre. Gegossen wird nur bei großer Trockenheit. Im Ursprung ist das Gewächs ohnehin eine Feldfrucht und wer einen Garten ohne Wasseranschluss hat, der braucht auch gar nicht zu gießen. Wenn die Rübchen sichtbar werden, kann man sie etwas Anhäufeln, was die Möhrenfliegen abhalten mag.
Eine Mischkultur mit anderen Gemüsen halte ich nicht für sinnvoll, bzw. ich ziehe die Art von Mischkulturenanbau vor, welche früher in den Bauerngärten üblich war. Dort legte man statt Normalbeeten (1,2 m x 2 m) lange schmale Beetstreifen mit wechselnden Kulturen nebeneinander an.
Ernte
Haben wir zu dicht gesät, so wird im August noch mal durchgesehen und bei Bedarf verzogen, was der Küche junge Karotten liefert. Etwa ab September kann geerntet werden und spätestens Anfang November an einem trockenen Tag gräbt man die Wurzeln aus, scheidet das Kraut ab und lagert sie wie Mohrrüben in Sand ein, wo sie sich über den ganzen Winter lang frisch halten. Bei der Lagerung schrumpeln die Wurzeln nicht so schnell, wie das bei den Möhren der Fall ist, sodass man sie zum Beispiel in einer Miete nicht in Sand einschlagen muss. Das ist ein wirklicher Vorteil gegenüber den gewöhnlichen Möhren. Die Rüebli sind also ein sehr gutes Lagergemüse und sollten im Selbstversorgerhaushalt so gebraucht werden. Das Möhrenkraut wird als Kleintierfutter (Kaninchen) verwertet und kleingeschnitten fressen es sogar die Hühner.
Selber vermehren
Das nötige Saatgut wird traditionell selber wie bei Möhren gewonnen. Ich mache das so, dass ich von den überwinterten Rüben (im Einschlag oder eingesandet im Keller) drei schön geformte mittelgroße Exemplare auswähle und diese im März an einer Stelle im Garten einpflanze, wo sie nicht stören. Bis zum Sommer bilden diese etwa 1 m hohe Stängel mit Blüten aus, welche an einem Stab locker angebunden werden. Die doldenartigen Blütenstände sind durchaus dekorativ, sodass man sie im Hausgarten auch in eine Blumenrabatte einfügen kann, denn meist ist auf den Beeten kaum Platz für die eigene Saatzucht.
Da die Dolden unterschiedlich ausreifen, schneide ich die trocken werdenden Samenstände nach und nach ab und lagere sie zum Nachreifen im Gartenhaus in einer Schüssel. Irgendwann im Winter, wenn Zeit genügend vorhanden ist, werden die Samen ausgerieben und in einem Glas mit Schraubdeckel trocken aufbewahrt. Dort bleiben sie drei Jahre keimfähig. Es ist bei der Samengewinnung darauf zu achten, dass zur selben Zeit keine anderen Möhren blühen, auch keine wilden, da es sonst zum Sortenmix kommen kann. Die Gewächse gehören zu den Pflanzen, bei denen die Einkreuzungsgefahr** mit anderen Formen sehr hoch ist, doch viel passieren kann dabei nicht, da wir daheim keine Hochzuchtsorten herstellen und über die Jahre wird man auch keine sortenechten Küttiger Rüebli haben, sondern eine eigene echte neue regionale Landsorte. [TJ.7.13]
Quellen und Ergänzungen, Fermentation:
* Bei den Rezepturen für das Fermentieren wird in der Regel auf 1 kg geschnittenes Gemüse 1 Esslöffel Salz genommen. Braucht man noch Lake wird auf 1/4 Liter (250 g) Wasser mit 12 g Salz gemischt. Ein Teelöffel voll Salz entspricht etwa 5 g.
** Theoretisch muss in der Blütezeit zu anderen Sorten 1 km Abstand eingehalten werden, doch wer macht heute noch selber Möhrensamen oder wo gibt es noch blühende Wiesen?
Weiterhin:
– eigene Anbauerfahrung
– https:// de.wikipedia.org/wiki/Küttiger_Rüebli