Der Wohngartenstil

Schweizer Wohngartenstil Rasen Gartenmöbel

Über den sogenannten Wohngartenstil ist nur wenig bekannt. Das mag daran liegen, dass er ein Trend der 1930er Jahre war, aber letztlich durch die Kriegsjahre aus dem Blickfeld geriet. Zwar schloss man in Deutschland in den 50er Jahren nahtlos an jene Grundidee der simpel konzipierten Wohngärten wieder an, doch man bezeichnete diese Gärten dann nur noch als "modern".

Entwickelt wurde der Stil etwa ab Mitte der 20er Jahre in Deutschland und vorzugsweise in der Schweiz in Zeiten, als die Nutzgärten ihre Existenz nach und nach den mehr oder weniger zum Begehen und "Wohnen" geeigneten Rasenflächen abtraten. Genauer gesagt, es war das intellektuelle Konzept des Neuen Bauens und des modernen Siedlungsbaus der 1920er Jahre, das den Garten durch ein Stück kultivierte Landschaft ersetzen wollte. Man könnte das Konzept sogar als eine Art Gegenmodell zur alten Gartenstadtbewegung sehen, welche den Garten vor allem als ein Stück Autonomie in der Mittelpunkt stellte; eine Autonomie, die nun vielleicht nicht mehr gewollt war?

Vordergründig war der Wohngartenstil (auch Tiscali-Stil) die Antwort auf die Mode der Architekturgärten des beginnenden 20. Jahrhunderts, welche wiederum aber auch nur wieder eine Reaktion auf den Landschaftsgartenstil des 19. Jahrhunderts war. Die Abkehr von der architektonischen Gestaltung hin zur (unten genauer beschriebenen) "Landschaft des Wohngartenstils" ging relativ lautlos vonstatten. Der neue Wohngartenstil wurde vermutlich vor allem von den Gartenbauunternehmen als rentable Geschäftsidee vorangetrieben, weil zur Planung keine spezifischen architektonischen Anforderungen nötig waren. Der Gartenarchitekt war verpönt. Merkwürdigerweise kam dieser überhebliche Trend aus den Reihen der Architekten selber. Anlässlich der Errichtung der Stuttgarter Weissenhofsiedlung im Jahre 1927 bemerkte der damalige Stararchitekt Le Courbusier:

Die Zeit der Garten-Architektur ist vorbei. Der Garten ist Natur ums Haus, seine Elemente sind Rasen, Bäume, Sträucher, Blumen, Wasser, Amseln, Tauben ... usw.

Diese Aussage des Herren Le Courbusier ist eindeutig und klar, und aus heutiger Sicht läuteten diese Bestrebungen eine Periode des Stillstandes in der Gartenarchitektur ein, der bis in die 1980er Jahre anhielt. Natürlich versuchte man, etwa das Zitat Courbusiers, zu relativieren:

Bei näherer Betrachtung kündigt sich in dieser Aussage ein neues Naturverständnis an, das bereits im Funktionalismus des Neuen Bauens und [...] Forderungen nach der Überwindung des Gartens angelegt war. Statt der architektonischen Gliederung von Haus und Garten wurde dem einzelnen Gartenelement, der Pflanze, dem Wasser, mehr Gewicht beigemessen. Sie sollten, befreit von architektonischer Zweckbestimmung, gewissermaßen selbstredend werden und ohne äußeren Bezugspunkt Bestand haben.

(1) Le Courbusier, 1996

.. und man versuchte dem Stil irgendwelche Besonderheiten abzugewinnen: Er sollte "Natur und Architektur in Einklang" bringen, was ja kein außergewöhnlich neuer Gedenke ist. Und auch die Idee, den Garten als erweiterten Wohnraum zu sehen, war sicher schon 100 Jahre früher Gegenstand der Betrachtung. Aber so, wie schon die Entdecker des Landschaftsgartens die Idee der alten chinesischen Landschaftsgärten kopieren wollten und daran scheiterten, so scheiterten Courbusier und seine Freunde an einer äquivalenten Kopie des traditionellen japanischen Wohnhauses und Gartens.

Die einfache Gliederung

Wie sah denn nun so ein Wohngarten aus? Angeregt durch die stilisierten Gärten der Japaner mit ihren Trittsteinwegen verband man das Haus über die Veranda (bzw. Terrasse) mit einer ausgedehnten Nutzrasenflächen. Diese von den Japanern abgeschauten Trittplattenwege, welche man damals inflationär anlegte, hatten allerdings eine ganz andere Funktion, als die im fernen Osten. Im klassischen japanischen Teehausgarten sollten die Trittsteine den Schritt zur Kontemplation verlangsamen. Im Schweizer Wohngarten machten die Plattenwege den Rasen auch bei Regen oder winterlichem Matschwetter begehbar. Aus gestalterischer Sicht sollten sie das ruhige Gesamtbild der Anlage nicht stören, wie es herkömmliche Gartenwege vielleicht tun.

Damit sind wir im Wesentlichen auch schon am Ende der Beschreibung des Wohngartenstiles. Es umschreibt nur einen Nutzrasen, der mit Plattenwegen erschlossen ist und von Stauden, Ziergehölzen, Pergolen, Natursteinmauern und gegebenenfalls von Sichtschutzelementen gerahmt ist. "Wasser" ist vielleicht ein besonderes Gestaltungsthema jener Stilepoche, doch sonst sind keine stilprägenden Elemente zu nennen.

Fazit

Im Grunde genommen verkörpert dieser Stil ein neutrales und eher langweilig gestaltetes Wohngrundstück. Und wer einen pflegeleichten Hausgarten unterhalten möchte, der wird automatisch auf dieses Konzept zurückkommen. Gegen die optische Langeweile kann man aber sicher etwas unternehmen und zwar, indem man die Anlage gestalterisch unter ein besonderes Thema stellt (und natürlich das Thema auch umsetzt) wie beispielsweise den Rosen-, Bambus-, Badehaus- oder Abenteuerspielplatz-Garten, um nur einige Möglichkeiten zu nennen.

Pflegeleicht ist ein solcher Garten durch die möglichst eine große Rasenfläche allemal. Die anfallenden Mäharbeiten werden durch moderne Arbeitsgeräte sehr erleichtert und sind mit immer geringerem Zeitaufwand (Mähroboter) zu bewerkstelligen.
Maßgebliche Architekten jener Stilfindung waren:

  • Johannes Schweizer (1901 – 1983), so auch "Schweizer Wohngartenstil"
  • Gustav Amman (1886 – 1955)
  • Walter Mertens (1885 – 1943)
  • Oskar Mertens (1887 – 1976) – Gebrüder Mertens, Schweizer Gartenarchitekten

Mehr zum Thema:


Literatur: (1) Archiv für Schweizer Gartenarchitektur und Landschaftsplanung – Vom Landschaftsgarten zur Gartenlandschaft;: Gartenkunst zwischen 1880 und 1980 [TJ.10.3] Zählpixel I

Bildquellen:

  • Eingangsbild: © creativenature.nl - Fotolia.com
  • Rasen und Koniferen: © Pefkos - Fotolia.com
  • Skizze: O. Valentien, Gärten. Wasmuth 1954
  • Raumwirkung: © Krawczyk-Foto - Fotolia.com