Säule, Stele, Herme – Bedeutung der Symbolik

Säule Winkel Lot Berufssymbol Architekt

Die Säule ist ein Symbol der statisch festen Ordnung. Dabei kann sie das tragende Teil eines Gebäudes oder Gebäudekomplexes sein, sie kann aber auch als Monument allein stehend emporragen. In letzterer Eigenschaft ist sie in ihrer Wertigkeit als Symbol mit der Symbolik des Pfeilers oder Baumstammes austauschbar. In diesem Sinne ist die Säule der sichtbare Träger eines imaginären Überbaues, welcher nicht weniger als der gedachte Kosmos, bzw. das Himmelsgewölbe sein kann. In der Tempelarchitektur können Säulenhallen bewusst oder unbewusst heilige Haine verkörpern, womit wir wiederum auf die Verbindung von Architekturmotiv und Baum [1] stoßen. Bemerkenswert für die Freunde von Gärten, Parks und historischen Friedhöfen ist natürlich auch, dass uns Säule, Stele und Herme in der Kunst und Gartenkunst immer wieder begegnen und dass wir schon aus diesem Grunde deren Bedeutung ergründen sollten.

Der heilige Mittelpfahl des Hauses oder des Zeltes mancher Völker ist – in Gleichsetzung des Zeltes (Himmelszelt) mit dem als eine Art Glaskuppel gedachte Himmelsgewölbe - der Weltenbaum. Konkret hatte zum Beispiel das Nationalheiligtum der heidnischen Sachsen, die Irminsul [2], eine Säulenform. Wenn heute zum Beispiel in diesem speziellen Falle des germanischen, bzw. sächsischen Irminsul-Nationalheiligtums keinerlei Wissen mehr über Sinn und Zweck dieser Säulensymbolik besteht, so kann man sich einer Erklärung vom Gefühl her nähern.

Die Säule weist auf die Architektur der Naturgesetze und der Natur, welche in einem statischen Gleichgewicht wahrgenommenen werden und auf ein höheres Ganze hinweisen. Sie muss genauestens lotrecht stehen, damit die Schwerkraft die Säule stabil hält. Dabei scheint der Schritt von dieser zerbrechlichen Ordnung dieser Himmelsachse [3] hin zum Ungleichgewicht und Chaos nur ein sehr kleiner, welcher den Kosmos ereilen kann. In diesem Sinne ist die Säule ein Bildzeichen für die göttliche Ordnung und Stabilität und desgleichen für das Wunder des Lebens, welches so zerbrechlich erscheint, wie das Himmelsgewölbe, welches die Welt der Menschen vor den darüber liegenden Urgewässern schützt. So fühlten und dachten in der Vorzeit viele Völker. Die Säulen des Himmels dachte man sich neben diesen symbolbesetzten Heiligtümern aber auch rein physisch. Nach antiken Vorstellungen trugen etwa die Säulen des Herakles (Felsenberge an der Straße von Gibraltar) den Himmel.

Stele und Herme

Ein Sonderform der Säule als Bildzeichen mögen auch die megalithischen Steinsetzungen von mehr oder weniger behauenen, oft recht monumentalen Steinen sein. Man kennt sie etwa als Menhire in der Bretagne oder als Stelen mit t-förmigen Köpfen in der ältesten bekannten Tempelanlage in Göbekli Tepe (Türkei). Hier mögen die Hintergründe verschieden sein. Phallussymbole sind eine Möglichkeit, doch auch nachgewiesener Maßen in Göbekli Tepe, wo die 12.000 Jahre alten Steinsetzungen Menschen darstellen. In diesem Sinne gibt es seit ältesten Zeiten auch Stelen als Grabkennzeichen und auch moderne Grabmale. Die stelenförmigen Hochkreuze der Iren und Kelten sind Sonderformen, oder sind christianisierte Säulen ähnlich der Irminsul.

Herme Sascha SchneiderHerme: Grabmal von Prof. Sascha Schneider, Bildhauer und Maler (1870–1927)

Wiederum eine Sonderform der Säule und Stele ist die sogenannte Herme, welche künstlerisch die Säule und den Korpus eines Menschen verbindet. In dieser Säulen-Mensch-Plastik gab es in der Antike Götterbilder des Hermes, später aber auch und bis in unsere heutige Zeit hinein Porträt-Büsten (Hermen) von besonderen Persönlichkeiten. Die Hermen finden sich als Kunstobjekte auch viel in Parkanlagen ab dem romantischen Zeitalter im 19. Jahrhundert. Desgleichen auch auf Friedhöfen jener Zeit und als künstlerisch gestaltete Grabmale auch in moderner Form.

Zwei Säulen

Wiederum als eine Sonderform sei auch noch die Doppelherme mit dem doppelgesichtigen vorwärts und rückwärts blickenden Januskopf erwähnt. Sie stellt zwar den Janus, den römischen Gott des Anfangs und des Endes dar, doch mit dieser dualistischen Symbolik als Grundprinzip gibt es auch wieder einen Querverweis auf den Griechengott Hermes mit seinem Schlangenstab. Überhaupt ist die Dualität das 2er-Prinzip, eng mit der Säulensymbolsprache verbunden. Ab dem Neuen Reich in Ägypten stellte man dort Obelisken paarweise als Sonne-und-Mond-Gegensatzpaare, also als Träger von Tag und Nacht.

Bereits die Sumerer pflanzten zwei Bäume rechts und links "am Himmelstor" ihrer Tempeleingänge oder sie errichteten dort zwei Säulen, wie man sie auch vom jüdischen Tempel in Jerusalem her kennt. Es war der König Salomo, der dort die bekannten ehernen Säulen am Eingang der Tempelvorhalle freistehend errichten ließ (1. Könige 7,15–22). Sie hatten die Namen Jachin (Bedeutung: Er lässt fest stehen) und Boas (in Ihm ist Kraft). Diese Tempelsäulen sind mit kugelförmigen Kapitellen beschrieben, welche vielleicht mit Lampenöl gefüllt waren und Flammenträger waren, doch das ist spekulativ.

Die Tatsache, dass die Kapitelle der ehernen Tempelsäulen mit Blüten- und Granatapfelabbildern behängt waren, weist wiederum auf den Lebensbaum und letztlich auch auf die Deutung als Weltenbaum und Weltenpfeiler genau in dem Sinne, wie die altsächsische Irminsul [2] zu verstehen war. Einen Hinweis auf die Metapher der salomonischen Säulen, also auf die Standfestigkeit der göttlichen Ordnung, gibt auch der biblische Prophet Jeremia mit folgenden Worten (Jeremia 1,18):

Denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen wider das ganze Land: wider die Könige Judas, wider seine Großen, wider seine Priester, wider das Volk des Landes, [...]

Die Säulen im Tempel Salomo gehören auch zur Symbolwelt der Freimaurer, wo sie für den Dualismus der Welt stehen. Wenn eherne Säulen thematisiert werden, so darf auf keinen Fall der Hinweis auf die berühmte Eiserne Säule in Delhi (Indien) fehlen. Der aus Schmiedeeisen gefertigte Pfeiler hat eine Länge Höhe von über 7 Metern und hat ein Gewicht von 6,5 Tonnen. Die Säule, welche merkwürdigerweise seit hunderten von Jahren nicht rostet, ist uralt und stammt der Legende nach aus einem alten Hindu-Tempel und sie soll in ihrer ursprünglichen Funktion zur Sommersonnenwende einen bestimmten Schattenwurf verursacht haben. Diese Tatsache weist auf Zusammenhänge mit dem Sonnenlauf hin. Die Sonnenwende und die Beobachtung des Sonnenlaufes weist auf die Beobachtung von Sommer und Winter gesehen werden muss ist dualistischer Natur.

Christliche Deutung

Im Neuen Testament wurden die Apostel (Schüler Jesu) zu den Säulen den Glaubens. So schreibt Paulus in seinem Brief an die Galater über den Apostel Jakobus, Kephas und Johannes (2,6), dass sie "als Säulen in Ansehen stehen". Wiederum schreibt Paulus an Timotheus von der Gemeinde des lebendigen Gottes als "ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit." (1. Timotheus 3,15) Hier mögen auch wieder kosmisch-philosophische Parameter ins Spiele kommen, denn Welt und Wahrheit ergänzen im philosophischen Sinne und Ideal einander.

Kunstmotiv der zerbrochenen Säule

Eng mit der Malerei und Gartenkunst des 18. Jahrhunderts und der sogenannten Epoche der Empfindsamkeit etablierten sich malerische Motive, welche ihren Ursprung in den Italienreisen der Künstler und Gelehrten hatten. Diese fanden dort im Süden auf ihren Studienreisen an vielen Plätzen und Orten reichliche Spuren, Trümmer und verfallene Tempel der antiken Kultur. Die Maler regte es zur sogenannten Ruinenmalerei an und die Fürsten zum Anlegen von romantischen Landschaftsgärten mit zahlreichen künstlich gebauten Ruinen und Grotten. Dabei entstand, ganz im Sinne dieser gewollten melancholischen Stimmung, das Kunstmotiv der zerbrochenen Säule. Sie ist das Sinnbild für die Kunstfertigkeit der Ahnen und der schwermütige Rückblick auf ein vergangenes Goldenes Zeitalter.

Zerbrochene Säule GrabmalGrabmal mit zerbrochener Säule

Das Bildmotiv weist aber auch auf das zyklische Aufleben und Sterben menschlichen Kulturen und Zivilisationen. Im letzteren Sinne ist die zerbrochene oder zertrümmerte Säule ein Vanitas-Symbol, also eine Metapher der Vergänglichkeit und Eitelkeit menschlichen Handelns, wenn dies nur den materiellen Dingen des Lebens dienlich ist. So findet sich die gebrochene Säule recht oft als Grabmalmotiv auf Gräbern von der Goethezeit hin bis zur Neoronantik.


[1] Zur Thematik Hain und Tempel weiterführend bitte auch den Beitrag zum mediterranen Stein-Baustil lesen.

[2] Irminsul = Große-Säule, auf Betreiben Karls des Großen wurde sie von fränkischen Kriegern zum Auftakt der Sachsenkriege im Sommer des Jahres 772 n. Chr. zerstört. Die Tradition der Maibäume mag heute noch in dieser kultischen Verehrung von Weltenbäumen und -Säulen ihren Nachklang finden.

[3] Der Weltenbaum, und vermutlich die Irminsul und der Maibaum, versinnbildlichen auch die Weltenachse, um welche sich der Kosmos dreht (Nordstern). So ist zum Beispiel das magische "Kabinett des Marquis d’Huxelles" (die Studierstube eines französischen Hermetikers) zum Nordstern ausgerichtet, dem metaphysischen Stern, um den sich der Sternenkosmos dreht. [TJ.9.11] Zählpixel I